Die Patientenverfügung: Entscheidungsmarathon am Lebensende

Die Walliser Sektion der Freidenker traf sich am 5. September zum monatlichen Abendhock. Das Thema des Treffens war "Ich mache endlich meine Patientenverfügung". Wir konnten von einer Pflegefachperson wertvolle Informationen über die Schwierigkeiten und Hürden erhalten. Im Folgenden halte ich für all jene, welche nicht am Hock teilnehmen konnten, die wichtigsten Erkenntnisse fest.

Folgende Gedanken sind beim Erstellen der Patientenverfügung zu berücksichtigen:

Im Zweifel für das Leben

Grundsätzlich ist das Medizinische Personal bei einem Notfall immer verpflichtet, einen Menschen am Leben zu erhalten oder ihn ins Leben zurück zu holen, solange bis eine gegensätzliche Willensäusserung bekannt ist. Weder Tattos, Labels noch Kreditkarten mit der Aussage "Bitte nicht reanimieren" können berücksichtigt werden, denn diese Erklärungen bilden unter Umständen nicht die aktuelle Meinung des Patienten ab.

Patientenverfügung alleine reicht nicht

Die Patientenverfügung gilt ausschliesslich für die Regelung im Krankheitsfall bis zum Zeitpunkt des Todes. Alle Fragen, welche Massnahmen nach dem Zeitpunkt des Todes betreffen, sind in einer sogenannten Bestattungsverfügung zu regeln; so auch die Behandlung des Leichnams in Bezug auf Organspende u.Ä. In dieser Verfügung wird auch festgehalten, in welcher Form die Abschiedsfeier stattfinden soll und ob man kremiert oder im Sarg begraben werden möchte.

Verfügbarkeit der Verfügung

Die Patientenverfügung muss für das medizinische Personal schnell und einfach zur Verfügung stehen wenn die gewünschten Massnahmen schnell umgesetzt werden sollen. Nachforschungen für die Patientenverfügung kosten viel Zeit, darum sollte man eine Notiz mit sich führen, in welcher festgehalten ist wo oder bei wem die Patientenverfügung hinterlegt ist. Es gibt auch - verhältnismässig kostspielige - Lösungen, um die Patientenverfügung in einer Datenbank verfügbar zu machen. Allerdings ist die Patientenverfügung erst in Papierform rechtskräftig, bei digitalen Lösungen ab dem Zeitpunkt des Ausdrucks.

Die eigene Willensäusserung

Mit 16 Jahren, ab Erreichen der Mündigkeit, ist jede Person dazu berechtigt, ihre eigene Patientenverfügung zu erstellen und darauf zu bestehen. Weil die Volljährigkeit aber erst mit 18 Jahren erreicht ist, sind die Eltern im Zweifelsfalle, etwa bei Fehlen einer Verfügung, entscheidungsberechtigt wenn man unfähig zur Äusserung des eigenen Willens sein sollte. Ganz grundsätzlich wälzt man die Entscheidungspflicht auf die nächsten Verwandten ab, wenn man keine Verfügung erstellt. Auch mit der Diagnose Demenz ist man immer noch berechtigt eine Verfügung zu formulieren und darauf zu bestehen. Wer seine Meinung in Bezug auf Einzelheiten der Patientenverfügung ändert, kann dies mit Hilfe von handschriftlichen Korrekturen und Ergänzungen nachführen. Gültig sind diese Änderungen sobald diese mit Datum und Unterschrift/Visum im Dokument bestätigt sind.

Überlegungen zur Organspende

Wer seinen Körper der Forschung zur Verfügung stellen will, kann nicht gleichzeitig Organspender sein. Wer Organe spenden möchte, welche bis zum Zeitpunkt der Entnahme durchblutet werden müssen, wird bis zur Entfernung dieser Organe mit einer Herz-Lungen-Maschine künstlich am Leben erhalten. Es gibt auch Organe, welche ohne eine solche künstliche Aufrechterhaltung der körperlichen Basisfunktionen entnommen werden können: Hornhaut, Teile der Haut, Haare sowie nicht durchblutete Knochen sind ein paar Beispiele dafür.

Für alle Eventualitäten gerüstet

Je deutlicher und detaillerter die Patientenverfügung formuliert ist, umso leichter ist es für das Medizinpersonal, Massnahmen im Sinne des Patienten durchzuführen. Es empfiehlt sich zu definieren, ob und in welcher Form (oral, intravenös, intramuskulär u.s.w.) man Schmerzmittel erhalten möchte. Man kann beispielsweise auch verlangen, dass man im Falle von Nahrungsverweigerung keine Magensonde eingesetzt bekommt. Es gibt zahlreiche Vorlagen mit verschiedenen Schwerpunkten (Parkinson, Demenz, Psychiatrie etc.) um eine Verfügung zu erstellen. Es empfiehlt sich, die verschiedenen Vorlagen zu prüfen und für sich die wichtigsten Punkte aus den verschiedenen Formularen in einem eigenen Dokument zusammenzutragen.

Die Versicherungen reden mit

Wer eine Versicherung für die Kosten der Bestattung abgeschlossen hat, muss damit rechnen dass die Versicherung auf eine Autopsie besteht um den Todesgrund abzuklären. Die Krankenkassen sind grundsätzlich verpflichtet, die Kosten für die lebenserhaltenden Massnahmen - etwa im Falle eines Komas - zu tragen, solange die Hinterbliebenen den Selbstbehalt sowie die Versicherungsprämien des Komapatienten tragen.

Medizinpersonal im Kreuzfeuer

Religiöse Sonderwünsche wie etwa der Verzicht auf Bluttransfusionen (Zeugen Jehowas), das Ablehnen der Behandlung durch andersgeschlechtliche Personen (Islam) oder Ähnliches sind noch 10 Jahre nach der Behandlung einklagbar. Für das Personal ist es daher wichtig, so früh wie möglich den Hintergrund der Patienten zu kennen. Ab dem Zeitpunkt, an dem das Personal nachweislich über die Wünsche des Patienten informiert ist, darf es diesen nicht zuwiderhandeln.