Géraldine Schmidt über Sterbehilfe und den begleiteten Freitod

Am Samstag, den 30. November fand um 16 Uhr im Zeughaus Kultur Brig die Informationsveranstaltung „Sterbehilfe – Fragen und Antworten“ statt. Die Walliser FreidenkerInnen hatten Frau Géraldine Schmidt als Gastrednerin eingeladen, um Wissenswertes über Sterbehilfe und den assistierten Freitod zu vermitteln.

 

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Informationen zur Referentin: Géraldine Schmidt war von 2012 bis September 2013 die Teamleiterin von EX International. Schmidt trat damit die Nachfolge von Margrit Weibel an. Sie war langjährige verantwortliche Redaktorin beim damaligen «Zischtigs-Club» und beim «Literaturclub» des Schweizer Fernsehen.

Das Wichtigste in Kürze über sogenannte Sterbehilfe und den assistierten Freitod

Aktive Sterbehilfe Bei der aktiven Sterbehilfe verabreicht jemand einem Patienten ein unmittelbar tödlich wirkendes Mittel. Der Patient nimmt es also nicht selbst zu sich, sondern es wird dem Patienten von aussen “aktiv” zugeführt. Aktive Sterbehilfe setzt also bewusst und vorsätzlich einen neuen Kausalverlauf in Gang, der unmittelbar und kurzfristig zum Tod führen soll. Aktive Sterbehilfe ist in der Schweiz ausnahmslos verboten.

Passive Sterbehilfe Unter passiver Sterbehilfe versteht man den Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen oder deren Beendigung, entweder weil sie medizinisch wirkunglos sind oder weil der Patient solche Massnahmen ablehnt. Im Unterschied zur aktiven Sterbehilfe wird hier also kein neuer Kausalverlauf gesetzt, sondern man lässt vielmehr nur den natürlichen Sterbeprozess geschehen. Die passive Sterbehilfe ist somit der Anwendungsbereich für Patientenverfügungen. Passive Sterbehilfe entsprechend dieser Verfügung ist nicht strafbar.

Der assistierte Freitod Die Aktivitäten von Organisationen wie EX International, Exit,Lifecircle/Eternal Spirit oder Dignitas fallen weder in die Kategorie passive noch aktive Sterbehilfe (obwohl sie meistens unter diesen Begriffen diskutiert werden). Vielmehr handelt es sich hier um eine Beihilfe zum autonomen Freitod des Patienten. Dem Betroffenen wird ein Mittel nicht aktiv verabreicht, sondern lediglich zur Verfügung gestellt, der Patient nimmt dies aber selbst ein. Da die Selbsttötung in der Schweiz nicht strafbar ist, macht sich auch der Beihelfer nicht strafbar. Der Artikel 115 des Strafgesetzbuches stellt aber die Verleitung und Beihilfe am Suizid aus «selbstsüchtigen Beweggründen» unter Strafe. Selbstsüchtige Beweggründe können materieller Art sein, z. B. Erlangen einer Erbschaft oder Einsparen von Unterhaltskosten, aber auch ideeller oder affektiver Art sein: Hass, Rachsucht oder Bosheit. Absolut unerlässlich für die rechtliche Absicherung der begleitenden Person ist daher eine vollständige medizinische Dokumentation, die Urteilsfähigkeit des sterbewilligen Menschen muss intakt und die „Wohlerwogenheit und Konstanz“ des Sterbewunsches muss belegt sein.

Sterbewunsch und Urteilsvermögen Man geht davon aus, dass bei psychischen Erkrankungen das Urteilsvermögen und die Fähigkeit, einen wohlerwogenen und konstanten Sterbewunsch zu erhalten, eingeschränkt sind. Der Verlauf von Krankheiten wie Demenz bringt es beispielsweise mit sich, dass Urteilsvermögen und Wahrnehmungsfähigkeit schleichend schwinden. Ein uneingeschränktes Urteilsvermögen, das Formulieren und belegen des wohlerwogenen, konstanten Sterbewunsches ist nur in einem ganz frühen Krankheitsstadium möglich, also wenn die Krankheit noch nicht manifest ist. Nur wenige wollen ihr Leben zu diesem Zeitpunkt beenden. Es gibt psychische Erkrankungen, die eine absolut uneingeschränkte Urteilsfähigkeit zulassen. Diese muss allerdings von zwei unabhängigen Psychiatern bestätigt werden, die Krankengeschichte des betreffenden Sterbewilligen wird von den Konsiliarärztinnen und -ärzten genauestens geprüft. Der assistierte Suizid einer psychisch kranken Person ist eine absolute Seltenheit bei allen Freitodbegleitungsorganisationen.

Die anschliessende Fragerunde war spannend und lehrreich. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Géraldine Schmidt für ihre aufschlussreichen Informationen und beim Publikum, für seine interessanten Fragen und wichtigen Inputs.