Jean-Jacques Rousseau: "Der Mensch ist frei geboren"

Rousseau, ein inspirierender Denker, dessen Gedanken – wie alle Gedanken – kritisch zu würdigen sind. Sein Ausspruch: "Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten." hat die FVS 2008 angeregt, zu ihrem 100. Geburtstag eine Kampagne zu lancieren, welche die konfessionelle Bindung von Kindern kritisiert und den Menschen eine Möglichkeit anbietet, ihre Kritik zu äussern und ihre Befreiung aus diesen "Ketten" zu demonstrieren. Ziel war und ist es, der stark wachsenden Gruppe der konfessionell Ungebundenen, den Konfessionsfreien, in der Schweiz eine Stimme zu geben.

J. J. Rousseau * 28. Juni 1712 in Genf; † 2. Juli 1778 in Ermenonville bei Paris

Demokratie als Gesellschaftsvertrag Rousseau prägte in der Diskussion um die Demokratie und den Gesellschaftsvertrag den Begriff des "allgemeinen Willens" (volonté générale), hinter dem sich die idealistische Vorstellung verbirgt, dass es ein Gemeinwohl gibt, das allen Mitgliedern der Gesellschaft gleichermassen dienlich sei. Die heute vorherrschende, pragmatische Auffassung sieht die Demokratie vor allem als Auseinandersetzung konkurrierender Auffassungen und Interessen (Konkurrenztheorie).

"Rousseaus Bedeutung liegt vor allem in den Denkanstössen, die seine Ideen bei anderen Philosophen (u.a. Kant, Schiller, Goethe, Herder) auslösten. Ihm verdankt die Welt die in jeder modernen Verfassung seit der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 enthaltene Garantie der Grundrechte und den Anstoss zur "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" die von der UNO 1948 unter dem Eindruck der Gräuel des 2. Weltkriegs erlassen wurde."  http://demokratie.geschichte-schweiz.ch/staatstheorien-modernen-demokratie.html#Absolutismus-Aufklarung

Hauptwerk: Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des politischen Rechtes (fr.: Du Contract Social ou Principes du Droit Politique). Es erschien erstmals 1762 in Amsterdam und wurde daraufhin in Frankreich, den Niederlanden, in Genf und Bern sofort verboten.

Menschenbild Der Naturzustand des Menschen ist ein zentraler Diskussionsgegenstand bei Rousseau, der sich mit der im 17. Jahrhundert entfaltenden philosophischen Debatte um die Legitimation des von Menschen gesetzten Rechts und der Gesellschaft in ihrem Ist-Zustand beschäftigt. Darauf basierend entwickelte er auch seine Erziehungs- und Religionslehre: "Der Mensch ist von Natur gut. Darum der natürlichen Entwicklung freie Bahn! Weder Autoritäts- noch Aufklärungszwang, sondern Entfaltung von innen heraus! Die Erziehung soll die Natur walten lassen und die Künstelei fern halten, womit allerdings die Kunstgriffe des höchst weisen Erziehers seines Emil nicht immer stimmen. Übe die körperlichen Organe und Sinne deines Zöglings, aber halte seine Seele möglichst lange müßig! Am liebsten würde Rousseau das Kind, über dessen Seele er manche treffende Bemerkung macht, ganz der Erziehung der Natur und der Dinge überlassen, aber er sieht ein, dass die Kulturverhältnisse zu einer Erziehung durch Menschen nötigen. So begnügt er sich denn, seinen Emil und seine Sophie zu möglichst natürlichen, nach den Grundsätzen der Natur und Vernunft erzogenen Wesen werden zu lassen. Mit der Kirche stieß er freilich durch die Betonung der natürlichen Gutheit des Menschen und die Ablehnung früher religiöser Einwirkung auf die Kindesseele zusammen. Im übrigen war der Einfluß des Buches ein ungeheurer, er reicht noch bis in unsere Zeit. Manche seiner Mängel, wie die untergeordnete geistige Stellung der Frau und vor allem die Privaterziehung, lassen sich zum Teil durch die Zeitverhältnisse erklären, andere durch die im vorigen geschilderte Eigenart des Verfassers. Der Kern echter Bildung ist echte Religion. Daher enthält die pädagogische Hauptschrift Rousseaus zugleich auch sein religiöses Bekenntnis: das berühmte Glaubensbekenntnis eines savoyischen Vikars. Dass er es ihn auf einem Berge, im Angesichte der herrlichen Alpenwelt verkünden läßt, ist für Rousseau bezeichnend. Seine Religion ist eben vor allem Naturund Gefühlsreligion, auf das unverdorbene natürliche Gefühl des Menschen sich gründend, ihr Gipfel stumme Bewunderung des Alls und zugleich innigste Entfaltung des Lebens- und Hingebungsdranges. Sie ist etwas von der Erkenntnis Grundverschiedenes: »Ich sehe Gott in seinen Werken, fühle ihn in mir und über mir, aber ich kann das Geheimnis seines Wesens nicht erkennen.« Anderseits streitet die natürliche Religion jedoch auch nicht gegen die Vernunft; vielmehr sucht Rousseau ihre Vernunftmäßigkeit gegen die Materialisten zu beweisen. Ihnen gegenüber weist er die Zusammenstellung des Menschen mit den Tieren ab, verteidigt er die Freiheit des Willens, die Geistigkeit und die auch von unserem Gerechtigkeitssinn geforderte Unsterblichkeit der Seele. Woher stammen Bewegung, Zusammenhang, Seelenleben? Nur aus dem schaffenden Willen. Wenn auch die Empfindung rein passiv ist, die Wahrnehmung allein aus den Sinnen entspringt, so kann doch das Vergleichen und Urteilen nur aus uns selbst stammen. Es gibt zwei Prinzipien: Materie und Geist (Gott). Das ist zugleich das Wenige, was sich von allgemein-philosophischen und erkenntnistheoretischen Betrachtungen bei Rousseau findet. Der letzte Maßstab ist ihm auch hier nicht die Vernunft, sondern das innere Gefühl. Die andere, wenn auch weniger stark hervortretende, Seite seiner natürlichen Religion ist gegen die Offenbarungsgläubigen gerichtet. Eine übermenschliche Offenbarung ist für uns nicht notwendig. Das wahre Christentum besteht in dem uns von Gott selbst unmittelbar eingepflanzten religiösen Gefühl; nicht auf geschriebenen Blättern, sondern in unserem Herzen müssen wir das Gesetz Gottes suchen. Rousseau verteidigte seine Lehre gegen die orthodoxen Angriffe in einem offenen Brief an den Erzbischof von Paris (1762) und gegen einen Genfer Staatsanwalt in den glänzenden Lettres de la montagne (Amsterdam 1764)." aus Karl Vorländer Geschichte der Philosophie

Autoritäre Gesellschaft im Namen der Freiheit Der Historiker Philipp Blom geht hart ins Gericht mit dem Philosophen. Um die ideale Gesellschaft zu schaffen, dürfe der Staat auch Zwang anwenden, so Rousseau. Blom führt all das darauf zurück, dass Rousseau tiefreligiös war und ohnehin auf ein besseres Leben nach dem Tod hofft. Der Philosoph war hart gegen sich selbst und er, der sogenannte Aufklärer, war hart gegen den Bürger, den er erträumte. "Er hat seinen Körper und die Sexualität gehasst", sagt Blom. "Er wollte eine autoritäre Regierung. Er hat diese Dinge ihres christlichen Vokabulars entkleidet. Deswegen konnte man im 19. Jahrhundert mit Rousseau wunderbar eine autoritäre Gesellschaft im Namen der Freiheit denken." Dennoch hat Rousseau unser Bild der Aufklärung entscheidend geprägt. Er gilt als "guter" Philosoph - zu Unrecht, findet Blom. Für ihn waren seine Wegbegleiter Denis Diderot und Baron Paul Thiry d'Holbach die wahren Aufklärer. Doch sie wurden im Schatten von Rousseau marginalisiert und galten als "böse", weil sie den Frevel begingen, Gott zu leugnen. http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/lesezeit/153296/index.html

Jenseits von GUT und BÖSE Moral steht in der aktuellen Wertedebatte wieder hoch im Kurs, und unsere Urteilen haben wir meist schnell bei der Hand. Doch setzen wir vielleicht auf das falsche Pferd? Michael Schmidt-Salomon, streitbarer Kämpfer gegen den (Un)-Geist unserer Zeit, entlarvt den freien Willen und die religiös verankerte Aufteilung in Gut und Böse als Illusionen. Aber was bedeutet es, Ernst zu machen mit dem Abschied von der Willensfreiheit? Und was heißt es tatsächlich, die Kategorien Gut und Böse hinter sich zu lassen? Der Autor zeigt nicht nur die fatalen Konsequenzen moralistischer Weltdeutungen auf, sondern vor allem, wie es uns in ihrer Überwindung gelingen kann, eine säkulare und menschenfreundliche Ethik zu entwickeln - mit erstaunlichen lebenspraktischen und gesellschaftlichen Folgen.

 

 

Videos und Hörbeiträge

Videos zu Rousseau auf: http://www.frei-denken.ch/de/2012/06/sftv-3-juni-2012-rousseau/

Radio: DRSWelcher «Contrat Social» für die Schweiz? Jean-Jacques Rousseaus berühmtes Werk zum Gesellschaftsvertrag war revolutionär. Doch wäre der «Contrat Social» auch auf ein Land wie die Schweiz anwendbar, und zwar heute? Drei Philosophinnen und Philosophen versuchen, Rousseaus Werk auf die modernen Verhältnisse zu übertragen. http://www.drs.ch/www/de/drs/sendungen/kontext/5005.sh10226714.html

http://www.sendungen.sf.tv/jjr/Nachrichten/Archiv/2012/04/17/Uebersicht/Uebersicht

Artikel

http://www.journal21.ch/300-jahre-rousseau-0