"Verlandeskirchlichung" des Islams?

In Belgien zeigt sich, was Integration durch Religion bedeutet: In Brüssel sollen derzeit 40% der SchülerInnen den Islamunterricht besuchen. Als es in der Schweiz noch üblich war, reformiert oder katholisch zu sein, gingen die Kinder fraglos in den Religionsunterricht. Angesichts des dramatischen Mitgliederverlustes leisten nun die "Landeskirchen" der "Verlandeskirchlichung" des Islams Vorschub, damit sie  ihre eigenen Privilegien nicht aufgeben müssen.

Religionspolitik

Mit Unterstützung der Katholiken und Reformierten wurde in Österreich und Belgien und wird derzeit in Deutschland der Islam staatlich anerkannt. Damit öffneten sich die Türen der Schulen für den islamischen Religionsunterricht.

Auch in der Schweiz gibt es ein Pilotprojekt: In Kreuzlingen (TG) wird seit 2010 muslimischer Religionsunterricht an der Volksschule angeboten: http://www.frei-denken.ch/de/2010/08/kt-tg-projekt-islamunterricht-gestartet/.

Im Kanton Luzern hat 2009 – mitten im Abstimmungskampf um die Minarett-Verbotsinitiative – ein Muslimverein Antrag auf Anerkennung gestellt: http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/schweiz/islam_kanton_luzern_landeskirche_1.3540678.html. Auch Hindus und Serbisch-orthodoxe haben Interesse angemeldet. Seit der Verfassungsrevision von 2007 kann im Kanton Luzern der Kantonsrat über die Anerkennung von Religionsgemeinschaften als öffentlich-rechtliche Körperschaften entscheiden.

Kritik

Ob der Religionsunterricht das friedliche Zusammenleben mehr fördert oder belastet, ist umstritten. Wo islamischer Religionsunterricht staatlich gefördert wird, steigt aber möglicherweise der Druck von MigrantInnen aus "muslimischen" Ländern, die hierzulande einfach pauschal als Muslime bezeichnet werden und sich fern von der Heimat der eigenen Tradition verbunden fühlen wollen, ihr Kinder in den Religionsunterricht zu schicken.

In Kreuzlingen wurde 2010 noch vermeldet, 24 von 29 "möglichen" Kindern würden am muslimischen Religionsunterricht teilnehmen. Damit wird ein "Bedarf" belegt, der durch das Angebot erst mal geschaffen worden ist. http://www.viuk.ch/schuler.html 2011 besuchten nur noch 30 von "möglichen 42 Teilnehmenden" das erste Unterrichtsjahr. Bei den letztjährigen SchülerInnen gab es auch einzelne Austritte. Offenbar ist der Wunsch der Eltern nach Integration ihrer Kinder in die hiesige säkulare Gesellschaft im Steigen begriffen. http://www.thurgauerzeitung.ch/ostschweiz/thurgau/kreuzlingen/tz-kr/art123852,2642034

Finanzierung

Je ein Drittel der Kosten von den Moschee-Vereinen und den Eltern bezahlt, den Rest (total CHF 12'000) will die Projektgruppe von öffentlichen Organisationen, wirtschaftlichen Unternehmen und privaten Trägerschaften organisieren. Längerfristig sollten die Mittel analog der "Landeskirchen" durch Steuererträge erbracht werden. http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/thurgau/kantonthurgau/tz-tg/art123841,1597192

Chance?

Es ist möglich, dass damit an den Schulen ein "Islam light" angeboten wird, der – analog zum "Christentum light" der "Landeskirchen" – bereits nach einer Generation in die Bedeutungslosigkeit verschwindet, weil eben auch die MigrantInnen aus "muslimischen Ländern" die Vorteile des säkularen Staates schätzen.

Ethik für alle

In Brüssel besuchen 37% der SchülerInnen der Sekundarstufe anstelle eines der konfessionellen Fächer das Fach "Ethik". In städtisch geprägten Milieus, wo Eltern sich selber von den Kirchen emanzipieren und SchülerInnen Mitsprache haben, verliert der katholischer Unterricht dramatisch (15%). Angesichts dieses Trends ist es fahrlässig, von staatlicher Seite den traditionellen konfessionellen Unterricht weiter zu unterstützen. Der Integration aller in eine gemeinsame Gesellschaft kann nur ein Unterricht förderlich sein, in dem gelernt wird, ethische Fragen ergebnisoffen zu diskutieren.