Reformprojekt der reformierten Kirche

Leserbrief von Thomas Koelliker

Dieses neue Reformprojekt wird auch nicht viel fruchten, denn einmal mehr tabuisiert, verdrängt die Kirche die Tatsache, dass es im Grunde die theologischen Glaubensinhalte sind, die von immer mehr Menschen nicht mehr geglaubt werden (auch ohne, dass sich diese Menschen mit der Entstehung der christlichen Theologie befasst haben). Am Ende dieser Entwicklung – ich sehe es als geistigen Fortschritt – glaubt man dann auch nicht mehr an Gott.

Wer sich mit der Natur befasst, mit den naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen -  insbesondere der Paläontologie (z.B. Teilhard de Chardin: Die Entstehung des Menschen), -  weiss, dass die Entstehung allen Lebens auf unserem Planeten Milliarden von Jahren gedauert hat, und dass keine fertig  entwickelten Lebewesen von einem Schöpfergott in die Welt gesetzt worden sind. Die Menschen vor Tausenden von Jahren wussten das nocb nicht und konnten sich nur Götter, später einen Gott, vorstellen als Erschaffer der Welt und alles Lebendigen. Ohne Gott hat die Schwangerschaft Marias, der Mutter Jesu, eine natürliche, menschliche Ursache, und Jesus ist kein Sohn Gottes sondern ein Mensch, sicher ein aussergewöhnlicher, der seinem jüdischen Glauben entsprechend eine bedeutende Rolle gespielt hat, jedoch weit entfernt von der Rolle, die die frühen christlichen Theologen ihm zugeschrieben haben.

Was viele Leute davon abhält, der Kirche den Rücken zu kehren, obwohl sie etliche theologische Dogmen nicht mehr glauben, sind doch die ethischen Inhalte des Glaubens, die in der Tätigkeit der Kirchgemeinden zum Ausdruck kommen und eine wichtige soziale Funktion ausüben. Diese ethischen Inhalte sind aber kein Monopol der Kirchen, und sie sind auch nicht an einen kirchlichen Glauben gebunden.

Was kann die reformierte Kirche tun in dieser Situation, um auch in Zukunft ihre wichtige soziale Funktion aufrecht zu erhalten? Entstanden ist sie ja durch eine erste grosse Reformation, in der sie sich von vielen theologischen Inhalten der katholischen Kirche gelöst hat. Wäre jetzt nicht die Zeit gekommen, in einer zweiten, radikaleren Reformation von unglaubwürdigen theologischen Dogmen Abschied zu nehmen - so könnte z.B. der Glaube an einen Gott nicht mehr als endgültige Erkenntnis festgelegt sein, sondern als Punkt auf dem Weg zu weiterer Erkenntnis angesehen werden – und den Weg in Richtung Humanismus einzuchlagen, und damit auch allen, die bereits aus der Kirche ausgetreten sind, wieder in ethisch gesinnten Gemeinschaften eine geistige Heimat zu bieten?

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