Kopfbedeckungen an der Volksschule
Positionspapier der FVS, verabschiedet vom Grossen Vorstand am 23. November 2013
Die Menschen- und Freiheitsrechte sind allgemein gültig. Die Einschränkung einer individuellen Freiheit – beispielsweise jener, seine Kopfbedeckung frei zu wählen – muss zwingend gut begründet sein. Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz spricht sich dagegen aus, Kleidervorschriften für Schülerinnen und Schüler zu erlassen, verlangt jedoch von Lehrpersonen an Volksschulen, dass sie auf das Tragen religiöser Kleider und Insignien verzichten.
Es gibt keine hinreichenden Gründe, das Tragen von Kopftuch, Kippa oder Baseballkäppi seitens der Schülerinnen und Schüler generell zu untersagen. Etablierte kulturelle Regeln der sozialen Interaktion sollen berücksichtigt werden. So gilt es als unhöflich, wenn eine Schülerin oder ein Schüler ein verhülltes Gesicht hat, da dies den Blickkontakt erschwert. Gesetzliche Grundlagen für solche Fälle zu schaffen erscheint unverhältnismässig und nicht zielführend. Das Recht auf Bildung junger Menschen ist höher zu gewichten als die Tatsache, dass auch die religiöse Kleidung von Schülerinnen und Schülern zu Konflikten führen kann.
Lehrpersonen an staatlichen Schulen der obligatorischen Schulpflicht haben sich bezüglich religiöser Kleidung und Insignien hingegen zurückzuhalten. Ist es einer Lehrperson nicht möglich, auf die ostentative Zurschaustellung ihrer Religiosität zu verzichten, müssen Zweifel an ihrer Eignung und Professionalität aufkommen.
Kommentar Es gilt zu unterscheiden zwischen dem Recht des Individuums, seine Kleidung weitestgehend frei zu wählen, und der Pflicht des Staates, in religiösen und weltanschaulichen Belangen allen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber möglichst neutral aufzutreten. Treten Individuen in ihrer Funktion als Repräsentanten des Staates auf, ist ihnen eine Einschränkung gewisser Freiheiten abzuverlangen und zuzumuten.
Das individuelle Recht, seine Kleidung und seinen Schmuck zu wählen Der Staat darf nur mit viel Bedacht in die individuellen Grundrechte eingreifen und Vorschriften oder Verbote erlassen. Falls solche Eingriffe erfolgen sollen, müssen sie gute Gründe haben. Es muss einem Schüler oder einer Schülerin erlaubt bleiben, ihre oder seine Individualität bis zu einem gewissen Grad auch an der öffentlichen Schule auszudrücken. Dazu gehört die Kleidung, wie beispielsweise bedruckte T-Shirts, dazu können aber auch Schmuck und Kopfbedeckung gehören.
Sofern die Kleidungsstücke und der Schmuck kein Sicherheitsrisiko (z.B. Sport- oder Werkunterricht) darstellen oder hygienische Bedenken vorhanden sind (z.B. Schwimm- oder allgemein Sportunterricht), sollen Schülerinnen und Schüler beispielsweise auch mit Kappe, Kippa oder Kopftuch am Unterricht der öffentlichen Schulen teilnehmen können.
Falls anzunehmen ist, dass eine Schülerin oder ein Schüler gewisse Kleidungsstücke nicht freiwillig trägt, also beispielsweise vom Elternhaus unter Druck gesetzt wird, ist es Aufgabe der Lehrpersonen und anderer staatlicher Organe, hier Hilfe anzubieten, Gespräche zu führen und zu einer Lösung beizutragen. Säkulare Werte wie Vielfalt, Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter sind von allen zu beachten.
Eingeschränkte Individualrechte bei Lehrpersonen Es ist die Pflicht des Staates, seinen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht möglichst neutral aufzutreten. Diese Pflicht des Staates vermag die Individualrechte seiner Repräsentanten einzuschränken. Das Bedürfnis, ihre Religion und Weltanschauung zur Schau zu tragen, hat bei Lehrpersonen (ebenso wie bei Richtern, Polizeibeamten, Schalterbeamten usw.) zurückzutreten. Ihre Religionsfreiheit während der Freizeit und in ihrem Privatleben ist nicht tangiert.
In der Diskussion wird immer wieder behauptet, das Tragen der Kleidung sei eine kultische Handlung und damit grundrechtlich geschützt. Dieses Argument vermag nicht zu überzeugen. Kultische Handlungen von Repräsentanten des Staates haben in der Volksschule erst recht nichts zu suchen.
Das Positionspapier als PDF: KopftuchGV23_Nov_2013