Langfristige Erosion der Kirchen

Die allmähliche Entkirchlichung der Gesellschaft ist offenkundig und wird immer wieder analysiert. Jörg Stolz, Professor, und Edmée Ballif, Mitarbeiterin am Observatoire des Religions en Suisse der Universität Lausanne, nehmen als Besonderheit ihrer Untersuchung über die reformierten Kirchen in Anspruch, sowohl die soziokulturellen Rahmenbedingungen als auch die konkreten Herausforderungen für die Kirchen als Organisationen und ihre Antworten darzustellen. Aufgrund der Studie, die für den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund erstellt und in einem Résumé schon publiziert worden ist, liegt nun ein Buch vor.

Die Autoren betrachten zuerst die gesellschaftlichen «Megatrends», die für die Kirchen von Bedeutung sind, aber von ihnen kaum beeinflusst werden können. Dazu gehören die Individualisierung, die zunehmenden Möglichkeiten der freien Wahl von Werten, Religion und Lebensstil, die Entflechtung von Religion und Staat sowie Religion und Bildung oder die Rolle der modernen Kommunikationsmittel. Als «Anbieter» von Spiritualität, Gemeinschaft, sozialer Hilfe und kulturellen Aktivitäten haben die Kirchen säkulare Konkurrenten - und was den Glauben selber betrifft, kann, wie es knapp und dezidiert heisst, von einer Rückkehr «faktisch gelebter Religiosität» aufs Ganze gesehen «keine Rede sein».

NZZ  7. August 2010