10 Jahre Freidenker im Wallis: Rückblick und Ausblick

Am 1. Mai 2010 wurde der Walliser Ableger der damals bereits über 100 Jahre alten Freidenkervereinigung der Schweiz im La Poste Visp ins Leben gerufen: mit der Forderung, dass Staat und Kirche im Kanton Wallis besser getrennt werden müssen, haben Valentin Abgottspon, Marcel Theler und Melanie Hartmann mit der Unterzeichnung der Statuten ihre Arbeit im Vorstand des Vereines aufgenommen. Seither ist viel gesehehen.
 

Gleich zu Beginn in den Schlagzeilen

Wenige Monate darauf wurde Valentin Abgottspon von der Schulkommisison der Regionalschule Stalden als Lehrer fristlos entlassen weil er sein Klassenzimmer weltanschaulich neutral eingerichtet hatte und nicht an konfessionellen Anlässen teilnahm. Vielen WalliserInnen ist bis heute nicht bekannt, dass die Schule Stalden das Fehlen des Kruzifixes jahrelang geduldet hatte und erst auf ein Anbringen des Kruzifixes an der Wand bestanden hatte, nachdem Valentin Abgottspon als damaliger Präsident der Walliser Freidenkersektion im Namen des Vereines mit der Dienststelle für Unterrichtswesen in Kontakt getreten war.

Gerne gerät auch in Vergessenheit, dass eine fristlose Kündigung nur bei schweren Vergehen wie Übergriffen oder Diebstahl angewendet werden soll und nicht um "ein Zeichen zu setzen", welches die SteuerzahlerInnen im Endeffekt teuer zu stehen kommt. Das Walliser Schulgesetz welches vorsieht, dass die Schule die Kinder auf ihre Aufgabe als Menschen und Christen vorzubereiten hat, führte somit zu einer Aktion, welche mit Nächstenliebe und Toleranz nichts zu tun hat. Es ist bedauerlich, dass sich die Fronten derart verhärtet haben; auch mit Blick auf die Wahrnehmung unseres Vereines durch die Walliser Bevölkerung.

Kulturelle Bereicherung

Doch in den 10 Jahren seines Bestehens hat der Verein der Walliser Freidenkenden weit mehr geleistet als bloss Schlagzeilen für über 100 Artikel in der Schweizer Presse zu liefern. Er gab Persönlichkeiten wie Beda Stadler, Miachel Schmidt-Salmon, Philipp Möller, Géraldine Schmidt oder Kurt Marti eine Bühne und bereicherte damit das kulturelle Angebot im Wallis. Mit seinen über 60 Medienmitteilungen hat der Verein auch für viel Gesprächsstoff gesorgt und damit die Themen der Freidenker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt; dies zeigt sich besonders mit Blick auf die neue Walliser Verfassung und den Diskurs rund um den begleiteten Freitod. Bestätigt in der Ansicht, dass das Thema Weltanschauung und Religion nicht nur über eine ideelle sondern auch eine politische Dimension verfügt, hat der Verein unablässig in verschiedenen Bereichen gearbeitet und gewirkt.

Politische Aktionen

2015 hatte sich ohne Zutun der Walliser Sektion der Freidenker ein unabhängiges Komitee im französischsprachigen Wallis formiert um eine Volksinitiative für die Trennung von Staat und Kirche im Wallis zu lancieren. Im Bewusstsein, dass eine solche Initiative wenig Aussicht auf Erfolg haben würde, hat der Verein sich für die Anliegen der InitiantInnen eingesetzt. Das mediale Echo, welches dadurch erzeugt wurde, war in jedem Fall ein Erfolg.

Mehr Transparenz geschaffen

Die FreidenkerInnen waren sich auch nicht zu schade, die Schwachstellen des aktuellen Finanzierungssystem der Pfarreien im Wallis in mühseliger Kleinarbeit aufzudecken: die Kosten für die Pfarreien schwanken von Gemeinde zu Gemeinde massiv. Aufgrund der intransparenten Organisation der Kirchenfinanzierung - die der Walliser Geschichte geschuldet bleibt – bezahlen die Walliser Steuerzahlerinnen und Steuerzahler selbst nach einem Kirchenaustritt immer noch Geld an die Pfarreien und das Bistum. Weil diese Anteile in der Steuererklärung nicht ausgewiesen sind, wissen viele WalliserInnen gar nicht, dass sie eine versteckte Kirchensteuer bezahlen. In jedem Fall muss im Wallis jedes Jahr der Steuererklärung ein Gesuch um Rückerstattung eines Anteils der Kultuskosten beigelegt werden, sofern man darauf bestehen will.

Angebote geschaffen

Mit dem 2015 durchgeführten Kinder- und Jugendlager Camp Quest in Jeizinen hat der Verein auch ein Angebot für Kinder und Jugendliche geschaffen. Neben dem Ausbau der humanistischen Ritualbegleitung hat der Vorstand aber auch im Hintergrund gewirkt: Beratung in Steuerangelegenheiten, politische oder historische Aufarbeitung, Lieferung journalistisch verwertbarer Daten, Unterstützung bei schwierigen Kirchenaustritten oder Beratung von verunsicherten Eltern waren ebenfalls Teil der Vereinsarbeit.

Einfluss auf die Dachorganisation

Die Walliser Sektion prägte nicht nur die gesellschaftspolitische Landkarte des Wallis sondern auch die Schweizerische Dachvereinigung selbst: Marcel Rey, Robert Sarbach, Laura Kronig, Max Theler und Narcisse Praz wurden von den Walliser Freidenkenden mit dem sogenannten „Freidenkerpreis“ für ihren Einsatz für die Trennung von Staat und Kirche im Wallis honoriert. Dieses Konzept wurde schliesslich von der Schweizerischen Freidenkervereinigung übernommen: So erhielten im letzten Jahr Salman Rushdie und Barbara Miller den mittlerweile mit 10'000 CHF dotierten Preis.

Direktmitgliedschaften für Walliser Freidenkende

Da die Freidenkervereinigung Schweiz nun Direktmitgliedschaften akzeptiert, hat das Modell "Verein" für jede einzelne kantonale Sektion in Zukunft ausgesorgt, was eine starke administrative Entlastung durch die Zentralisierung der Aufgaben darstellt. Die dadurch frei werdenden personellen Kapazitäten sollen den einzelnen Regionen zu Gute kommen und eine Konzentration auf das Relevante ermöglichen. Als Regionalgruppe werden sich die im Wallis wohnhaften Mitglieder weiterhin organisieren und Anlässe durchführen können. Im Wissen, dass Veränderungen Zeit brauchen und in der Zuversicht, dass Veränderungen möglich sind, werden die Freidenkenden im Wallis weiterhin wirken und sich über Neumitglieder für ihre Vereinigung freuen.