Portrait der Frauenrechtlerin und Freidenkerin Louise Stebler (1924-2019)

Im Herbst 2018 traf sich Louise Stebler mit Simone Krüsi, der Leiterin der Freidenker-Geschäftsstelle. Louise sollte als erstes Mitglied für das neu gestaltete Magazin frei denken porträtiert werden. Damals sagte sie «Ich habe keine Angst vor dem Tod. Wieso auch?» Nun ist sie verstorben. Wir veröffentlich in Gedenken an Louise das Portrait aus dem frei denken 3/2018.

Louise Stebler (Foto Alexander Preobrajenski/TagesWoche)
Louise Stebler (Foto Alexander Preobrajenski/TagesWoche)

Religion war in meiner Familie nie ein grosses Thema. Meine Eltern waren kurz vor ihrer Hochzeit aus der Kirche ausgetreten. Ich erinnere mich, wie meine Mutter, als sie mich an meinem ersten Schultag begleitete, streng zur Lehrerin sagte: «Den Religionsunterricht besucht meine Tochter aber nicht!» Die Lehrerin hatte gelacht: «Umso besser, ich habe gerne ein paar Kinder, die mir beim Aufräumen helfen.»

Mein Vater war auch Freidenker. Er war Optiker und hat mithilfe seines Fernglases Dias vom Universum gemacht. Die zeigte er dann an Vorträgen. Er sagte immer: «Wenn die Menschen wüssten, wie es im Weltall ausschaut, dann glaubten sie nicht an den Herrgott.» Das Optikergeschäft von meinem Vater übernahm ich später mit meinem Mann. Ich hatte zwar die Matur gemacht, aber zur Uni hatte ich keine Beziehung. Niemand aus meiner Familie hatte studiert.

Ich bin sehr politisch aufgewachsen, meine Eltern waren beide in der Kommunistischen Partei. Während des Zweiten Weltkrieges hatten wir oft politische Flüchtlinge aus Deutschland bei uns, illegal. Man half sich von Partei zu Partei. Von der offiziellen Schweiz war keine grosse Hilfe zu erwarten. Mein belesener Vater redete oft tief bis in die Nacht mit den Versteckten. Und ich, damals elf, lauschte mit grossen Ohren.

1968 bin ich mit 13 anderen Frauen in den Grossrat gewählt worden, für die PdA. Basel war ja der erste Kanton, der das Frauenstimmrecht eingeführt hatte. Wenn im Rat Frauenthemen anstanden, trafen wir Frauen uns eine halbe Stunde früher und einigten uns. Das war nie schwierig. Einmal, als ich mich für die erste Kindertagesstätte stark machte, bekam ich flammende Unterstützung von Marianne Mall von der Liberaldemokratischen Bürgerpartei. «Die Zeiten von Küche, Kinder, Kirche sind vorbei!», rief sie. Die Männer sind fast vom Sessel gefallen. Sie staunten – und schwiegen. Auch die abgesenkten Trottoirs für Rollstühle gehen auf eine Motion von mir zurück. Ich hatte das in Warschau gesehen und wusste: Das braucht Basel auch.

Mittlerweile trete ich natürlich kürzer. An den Tod denke ich aber nicht. Ich habe auch keine Angst davor. Wieso auch? Es ist dann ja ohnehin vorbei. Ich war schon immer ein positiver Charakter. Negatives vergesse ich schnell.

Text: Simone Krüsi, zuerst erschienen im frei denken 3/2018.
Foto: Alexander Preobrajenski/TagesWoche

Louise Stebler verstarb am 12. Februar. Die Abdankung findet am 26. Februar, um 11.30 auf dem Friedhof am Hörnli, Kapelle 5, in Riehen statt.