NFP_58_FAKIR_Inh_MM231110_d.pdf

PDF download

(file: @@NFP_58_FAKIR_Inh_MM231110_d.pdf@@)NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 1 Dienstleistungen, Nutzen und Finanzierung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 2 Autorenteam Dr. Michael Marti, Eliane Kraft, Felix Walter Ecoplan, Forschung und Beratung in Wirtschaft und Politik Begleitgruppe Khaldoun Dia-Eddine, Förderation Islamischer Dachorganisationen der Schweiz, FIDS Dr. Wilf Gasser, Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz VFG Dr. Frank Jehle, ehem. Präsident der St. Galler Synode Dr. Daniel Kosch, Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz RKZ Prof. emer. Dr. Alfred Meier, wissenschaftlicher Berater des Autorenteams Daniel A. Rothschild, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund SIG Theo Schaad, Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK Dr. Marc Schinzel, Bundesamt für Justiz, Bundesbeobachter im NFP 58 Prof. Dr. Nils Soguel, wissenschaftlicher Berater des Autorenteams, IDHEAP Lausanne Hansruedi Spichiger, Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern Für die Forschungsergebnisse und deren Interpretation ist alleine das Autorenteam verantwortlich, dessen Auffassung nicht notwendigerweise mit derjenigen des Schweizerischen Nationalfonds oder der Begleitgruppe übereinstimmen muss. Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Römischen-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz und der röm.-kath. kantonalkirchlichen Organisationen Aargau, Freiburg, Luzern, St. Gallen, Thurgau, Waadt, Zug, Zürich, des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes und des Verbandes evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz. Empfohlene Zitierweise Autoren: Titel: Untertitel: Ort: Jahr: Michael Marti, Eliane Kraft, Felix Walter (Ecoplan) Dienstleistungen, Nutzen und Finanzierung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz Synthese des Projekts FAKIR (Finanzanalyse Kirchen) im Rahmen des NFP 58 «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft» Bern 2010 Une traduction française est disponible sous le titre: «Prestations, utilité et financement de communautés religieuses en Suisse» Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de. abrufbar. © Rüegger Verlag • Glarus/Chur 2010 www.rueggerverlag.ch info@rueggerverlag.ch ISBN: 978-3-7253-0961-0 Gestaltung (Layout und Satz): Rüegger Verlag Glarus, Barbara Gronemeier, Gestaltung (Umschlag): Senger und Partner, Ines Senger Druck: Südostschweiz Presse und Print AG, Glarus NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 3 Michael Marti Eliane Kraft Felix Walter Dienstleistungen, Nutzen und Finanzierung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz Synthese des Projekts FAKIR (Finanzanalyse Kirchen) im Rahmen des NFP 58 «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft» Rüegger Verlag NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 4 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 5 5 Inhaltsverzeichnis Vorwort des Präsidenten der Leitungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Vorwort und Dank des Autorenteams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1 Einleitung: Thema und Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Einführung: Warum Kosten und Nutzen von Religionsgemeinschaften untersuchen? . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Durchgeführte Datenerhebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Projektgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Weitere Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Teil I: Kosten und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Wie ist das Verhältnis von Staat und Religion in der Schweiz gestaltet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Welche Finanzierungsformen können unterschieden werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Welche Organisationsstrukturen und Finanzströme kennen die untersuchten Religionsgemeinschaften? . . . . . . 24 2.2 Kosten und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Wie viel kosten die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche in der Schweiz ihre Mitglieder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Wie viel kosten die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche in der Schweiz die Öffentlichkeit (juristische Personen und öffentliche Hand)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Wie gross sind die Einnahmen der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche aus Kirchensteuern und öffentlichen Mitteln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Wie finanzieren sich die lokalen Religionsgemeinschaften? . . 36 Wie viel finanzielle Ressourcen stehen einer lokalen Religionsgemeinschaft zur Verfügung? . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 6 6 Inhaltsverzeichnis Wie viel unbezahlte Arbeit auf freiwilliger und ehrenamtlicher Basis wird in den lokalen Kirchgemeinden und freikirchlichen Gemeinden geleistet? . . . . . . . . . . . . . . 40 3 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.1 Dienstleistungsangebot der Religionsgemeinschaften . . . . . 43 Welche Dienstleistungen bieten die lokalen Religionsgemeinschaften an? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Welche Dienstleistungen bieten islamische und jüdische Gemeinschaften bzw. Gemeinden an? . . . . . . . . . . 45 Für welche Dienstleistungsangebote wenden die Mitarbeitenden ihre Arbeitszeit auf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Für welche Dienstleistungsangebote wird die unbezahlte Arbeit eingesetzt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.2 Bewertung des Nutzens des Dienstleistungsangebots der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche . . . . . . . . . . . . . 53 Wie wird die Wichtigkeit von unterschiedlichen kirchlichen Angeboten beurteilt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Wie gross ist die Zahlungsbereitschaft für das Dienstleistungsangebot der Kirchen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Welche Faktoren beeinflussen die Zahlungsbereitschaft? . . . 57 4 Teil III: Nutzen und Kosten im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Welcher Wert an sozialen Dienstleistungen steht den Kosten für die Öffentlichkeit gegenüber? . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Wie verhalten sich Nutzen und Kosten des Dienstleistungsangebots der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche im Kanton Bern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . 67 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 5 6 7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 7.1 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 7.2 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 7 7 Abkürzungsverzeichnis BFS CHF DL evang.-ref. FAKIR FIDS jur. KS nat. Pers. RKZ Bundesamt für Statistik Schweizer Franken Dienstleistung evangelisch-reformiert Finanzanalyse Kirchen (Akronym für das vorliegende Projekt) Föderation Islamischer Dachorganisationen der Schweiz juristisch Kirchensteuern natürlich Personen Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz röm.-kath. römisch-katholisch SEK SIG SNF soz. u. a. VFG Vgl. VZ Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung sozial unter anderem Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz Vergleiche Vollzeit NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 8 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 9 9 Vorwort des Präsidenten der Leitungsgruppe Nationale Forschungsprogramme (NFP) sollen nach dem Willen des Bundesrates wissenschaftliche Beiträge zur Beantwortung von Fragen von nationaler Bedeutung erarbeiten. Das NFP 58 «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft» hat den Auftrag, die grundlegenden Veränderungen in der Religiosität der Einzelnen und der religiösen Landschaft in der Schweiz zu untersuchen und zu prüfen, wie das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionsgemeinschaften, aber auch religiöser und nicht-religiöser Menschen gefördert werden kann. Das vorliegende Buch ist die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse aus dem Projekt FAKIR («Finanzanalyse Kirchen»), einem der 28 Projekte des NFP 58. Es setzt sich aus einem ökonomischen, und damit auf den ersten Blick vielleicht «unüblichen» Blickwinkel mit dem Thema auseinander. Das Projekt FAKIR hat sich die komplexe Aufgabe gestellt, die Finanzflüsse zwischen Religionsgemeinschaften, ihren Mitgliedern und der öffentlichen Hand zu analysieren und gleichzeitig zu erfassen, für welche Angebote die Religionsgemeinschaften ihre Ressourcen einsetzen. Mit der Zahlungsbereitschaftsstudie für kirchliche Dienstleistungen wagt sich das Projekt FAKIR auf methodisches Neuland und ermittelt mit einem ökonomischen Ansatz den Wert, den die Bevölkerung den Dienstleistungen der Landeskirchen beimisst. Zu Recht weist das Autorenteam aber darauf hin, dass mit der vorliegenden Analyse nicht Kosten und Nutzen der Religionen als solche untersucht werden. Zu folgenden spannenden Fragen liefert das Projekt wissenschaftlich fundiert neue Grundlagen: Welche Dienstleistungen der Religionsgemeinschaften sollen von der öffentlichen Hand abgegolten werden? Welche Abgeltungsinstrumente sind dafür geeignet? Und welche Religionsgemeinschaften werden hierbei berücksichtigt? Neben diesen anwendungsbezogenen Fragen erarbeitet das Projekt auch interessante neue Perspektiven für weitergehende religionsökonomische Forschungen. Das Forschungsteam hat bereits während des Projektes durch enge Kontakte mit den Zielgruppen Umsetzungsarbeit geleistet. Das Projekt ist damit ein Beispiel für die gelungene Kombination von wissenschaftlicher Qualität und Umsetzungsorientierung, und es liefert einen wichtigen Mosaikstein zum Gesamtbild, das aus den Synthesen des NFP 58 entstehen wird, um den eingangs erwähnten Auftrag dieses NFP zu erfüllen. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 10 10 Vorwort des Präsidenten Im Namen der Leitungsgruppe danke ich dem Autorenteam und all jenen, die durch die Teilnahme an den verschiedenen Umfragen, durch Auskünfte und Daten sowie durch die kritische Begleitung zum Gelingen beigetragen haben. Prof. Dr. Christoph Bochinger Präsident der Leitungsgruppe des NFP 58 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 11 11 Vorwort und Dank des Autorenteams Für die Erarbeitung des Projektes FAKIR im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 58 «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft» war die Unterstützung einer grossen Zahl von Menschen notwendig. Es ist uns ein Anliegen, diesen Menschen unseren Dank auszusprechen. Als erstes danken wir den Mitgliedern der Religionsgemeinschaften, die uns – in den verschiedensten Funktionen – viele Daten und Informationen haben zukommen lassen. Das Zusammentragen der vielfältigen Informationen ist von den angefragten Personen in teilweise aufwändiger Arbeit erfolgt. Ohne die grosse Bereitschaft der angefragten Religionsgemeinschaften, an diesem Projekt teilzunehmen, wäre es nicht realisierbar gewesen. Einen grossen Dank aussprechen möchten wir auch den Beteiligten der Bevölkerungsbefragung. Dieser Dank gilt sowohl denjenigen Personen, die sich bereit erklärt haben, an der Befragung teilzunehmen, wie auch den Studierenden, welche die persönlichen Interviews mit Engagement und grosser Ausdauer durchgeführt haben. Die Vielfalt der Informationen einordnen, verstehen und interpretieren zu können, haben wir der Unterstützung unserer Begleitgruppe zu verdanken. Die im Impressum erwähnte gemischte Gruppe mit Vertretern der Religionsgemeinschaften, Vertretern kantonaler und nationaler Behörden sowie zwei Universitätsprofessoren hat uns viele Türen geöffnet und ihre Rolle als interessierte und kritische Begleiterin aktiv wahrgenommen. Ein grosser Dank gebührt dem Schweizerischen Nationalfonds, welcher das Projekt FAKIR finanziell und in der Umsetzung unterstützt hat. Wir danken allen involvierten Personen des NFP 58, die das Projekt mit grossem Interesse begleitet haben. Für die grosse Unterstützung bei den beiden Buchpublikationen in Deutsch und Französisch danken wir unserer Übersetzerin Geneviève Grenon sowie den Mitarbeitenden des Rüegger Verlags. Schliesslich bedanken wir uns bei allen Personen von Ecoplan, welche das Projekt in irgendeiner Form unterstützt haben. Unser spezieller Dank richtet sich an Thomas Bachmann, Sandra Dänzer, Rahel Felder, Renger van Nieuwkoop, Christof Rissi und Philipp Walker. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 12 12 Das Projekt FAKIR war für das Autorenteam ein spannendes Projekt in einem neuen Umfeld, in welchem wir viele Erfahrungen gemacht und vieles über die involvierten Religionsgemeinschaften gelernt haben – auch einiges, das über den Horizont des Projekts hinausgeht. Das Autorenteam Michael Marti, Eliane Kraft, Felix Walter NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 13 13 1 Einleitung: Thema und Vorgehen Einführung: Warum Kosten und Nutzen von Religionsgemeinschaften untersuchen? Die Religionslandschaft ist in Bewegung: Während bei den Landeskirchen die Mitgliederzahlen im Durchschnitt zurückgehen,1 zeigt die Volkszählung des Jahres 2000 auf, dass insbesondere Freikirchen und islamische Gruppierungen einen Mitgliederzuwachs aufweisen. Die zunehmende religiöse Pluralität wirft sowohl bei den Religionsgemeinschaften wie in der Politik Fragen auf:2 • Aus Sicht der Landeskirchen hat der Mitgliederrückgang neben dem Schwund an Bedeutung auch finanzielle Konsequenzen. Darüber hinaus zeichnet sich infolge der Pluralität für die Landeskirchen der Druck ab, ihre besondere Stellung in Staat und Gesellschaft vermehrt zu rechtfertigen. Die kleineren Religionsgemeinschaften hingegen sind damit beschäftigt, ihre Rolle in der schweizerischen Gesellschaft zu finden und sich zu positionieren. • Aus Sicht der Politik besteht einerseits der Bedarf, das Verhältnis des Staates zu den «neuen» Religionsgemeinschaften zu klären. Andererseits kommt immer wieder die staatliche bzw. staatsnahe Finanzierung der Landeskirchen in Kritik (Bsp. Kirchensteuer für juristische Personen).3 Das Projekt FAKIR leistet einen Beitrag zur Versachlichung dieser Diskussion, indem es empirische Grundlagen zur Beantwortung folgender Fragen bereitstellt: • Wer trägt wie viele Kosten der Religionsgemeinschaften in der Schweiz? • Wie viel kosten die evang.-ref. und röm.-kath. Landeskirchen4 die Öffentlichkeit? • Wie bedeutend sind die staatskirchenrechtlichen Regelungen für die finanziellen Möglichkeiten ist das Verhältnis zum Staat für die Finanzierung der Religionsgemeinschaften? 1 2 3 4 Schweizerisches Pastoralsoziologisches Institut (2007), Katholische Kirche in der Schweiz. Vgl. Baumann/Stolz (2007), Eine Schweiz – viele Religionen. In mehreren Kantonen sind in den letzten Jahren Vorstösse zur Abschaffung der Kirchensteuern juristischer Personen gescheitert, so z.B. in Bern, Glarus, Luzern, Thurgau, Zug und Zürich. Der Begriff «Landeskirchen» wird im vorliegenden Bericht synonym für die evang.-ref. und röm.-kath. Kirche verwendet, obwohl in vielen Kantonen auch die christkatholische Kirche als Landeskirche anerkannt ist. Für interkantonale Vergleiche wird der Begriff «Landeskirchen» zudem vereinfachend auch für die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche im Kanton NE verwendet. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 14 14 Einleitung: Thema und Vorgehen • Welche Dienstleistungen werden mit welchem Einsatz an bezahlter und unbezahlter Arbeit erbracht? • Welcher Wert an sozialen Dienstleistungen und Angeboten steht den Ausgaben der Öffentlichkeit für die Kirchen gegenüber? • Welche Angebote der Kirchen sind der Bevölkerung wichtig? Wie gross ist der Nutzen, den sie aus diesen Angeboten schöpft? • Wie verhalten sich Kosten und Nutzen in einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung? Untersuchungsgegenstand Konkret untersucht das Projekt FAKIR • die erbrachten Dienstleistungen5 und deren Nutzen sowie • die Finanzierung von ausgewählten Religionsgemeinschaften in der Schweiz. Folgende Religionsgemeinschaften werden in der Untersuchung berücksichtigt: • evang.-ref. Kirche • röm.-kath. Kirche • evangelische Freikirchen, die dem Verband VFG angehören sowie – in weniger umfassender Weise: • jüdische Gemeinden • islamische Gemeinschaften 5 Bei Stolz (2006), Kirchen im Wettbewerb, werden fünf Typen von konkreten kirchlichen Gütern unterschieden, die Dienstleistungen stellen einen Typ dar. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 15 Einleitung: Thema und Vorgehen 15 Theoretische Grundlagen Wir verzichten darauf, in der vorliegenden Synthese die ökonomische Fundierung der Untersuchungen darzulegen (vgl. hierzu Arbeitspapier 1). FAKIR stützt sich einerseits auf verschiedene Konzepte zur Gliederung und zur Messung des Nutzens aus ökonomischer Sicht. Anderseits kommen finanzwissenschaftliche Konzepte zum Einsatz, bei denen es unter anderem darum geht, ob die Dienstleistungen der Religionsgemeinschaften positive externe Effekte über den Mitgliederkreis hinaus haben und in welchen Fällen eine öffentliche Mitfinanzierung ökonomisch gerechtfertigt ist. Forschungsstand Bereits mehrere Landeskirchen in der Schweiz haben «Sozialbilanzen» vorgelegt, die ihre gesellschaftlich relevanten Leistungen dokumentieren.6 Diese Inventare der kirchlichen Leistungen im sozialen und kulturellen Bereichen enthalten u. a. Informationen zu den aufgewendeten personellen Ressourcen, zur Freiwilligenarbeit, zur Finanzierung sowie teils auch zur Nutzung. In Basel haben die evang.-ref. und die röm.-kath. Kantonalkirche die Erwartungen und die Zufriedenheit der Bevölkerung an bzw. mit dem Leistungsangebot der Kirchen untersuchen lassen.7 FAKIR setzt neue Schwerpunkte: • Im Gegensatz zu diesen Studien steht im Projekt FAKIR der Quervergleich zwischen unterschiedlichen Religionsgemeinschaften im Vordergrund. Es soll gezeigt werden, wie sich das kirchliche Dienstleistungsangebot und die Ressourcenverwendung je nach Organisations- und Finanzierungsstruktur unterscheiden. • Im Weiteren trägt das Projekt FAKIR erstmals Zahlen zur Finanzierung der beiden grossen Landeskirchen in der ganzen Schweiz zusammen. • Mit der Zahlungsbereitschaftsstudie für kirchliche Dienstleistungen wagt sich das Projekt FAKIR zudem auf methodisches Neuland. Nach unserem 6 Vgl. Landert (1995), Die sozialen und kulturellen Leistungen der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. Landert (2000), Die Leistungen der Reformierten Kirchen Bern-Jura in Diakonie und Beratung, Bildung und Kultur. Fachhochschule Nordwestschweiz (2007), Die freiwilligen sozialen Leistungen der Kirchen im Kanton Solothurn. Momentan in Bearbeitung ist eine Studie der Evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell. Bruhn (1999), Ökumenische Basler Kirchenstudie. 7 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 16 16 Einleitung: Thema und Vorgehen Wissen wurde die Contingent Valuation Methode bisher noch nie zur Bewertung des Nutzens kirchlicher Dienstleistungen angewendet. Forschungsdesign Abbildung 1-1 zeigt, mit welchen methodischen Ansätzen die oben aufgeführten Fragestellungen untersucht werden. Abbildung 1-1: Forschungsdesign Finanzierung Dienstleistungen Nutzen Quantitativ-empirische Querschnittstudie auf der Ebene der evang.-ref. und röm.-kath. Kantonalkirchen und freikirchlicher Gemeindeverbände in der Schweiz Quantitativ-empirische Querschnittstudie auf der Ebene evang.-ref., röm.-kath. und freikirchlicher (Kirch-) Gemeinden in ausgewählten Kantonen Einzelfallstudien zu islamischen und jüdischen Gemeinden Zahlungsbereitschaftsstudie (Contingent Valuation Methode) NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 17 Einleitung: Thema und Vorgehen 17 Durchgeführte Datenerhebungen Für die Umsetzung des Forschungsdesigns wurden fünf Erhebungen durchgeführt (vgl. Abbildung 1-2). Detaillierte Angaben zu den einzelnen Erhebungen sowie weitere Ergebnisse sind in den Arbeitspapieren 2, 3 und 4 enthalten. Abbildung 1-2: Durchgeführte Erhebungen Grundgesamtheit 1 Evang.-ref. und röm.-kath. Kantonalkirchen in der Schweiz sowie freikirchliche Gemeindeverbände des Verbandes evangelischer Freikirchen und Gemeinden (VFG)8 2 Evang.-ref., röm.-kath. und freikirchliche (Kirch-) Gemeinden10 in den Kantonen Bern, St. Gallen und Neuenburg 3 Islamische und jüdische Gemeinden in der Schweiz 4 Bevölkerung des Kantons Bern 5 Evang.-ref. und röm.kath. Gottesdienstbesucher im Kanton Bern Erhebungsmethode Schriftliche Befragung Auswahlverfahren Vollerhebung Teilnahme Rücklaufquote: 100%9 Schriftliche Befragung Vollerhebung Rücklaufquote: 46% Leitfadengespräche Persönliche Befragung Persönliche Befragung Bewusste Auswahl von Einzelgemeinden Repräsentativerhebung mit Klumpenstichprobe Erhebung mit Klumpenstichprobe und Quoten Sample Land: 186 Sample Stadt: 188 Sample Land: 62 Sample Stadt: 90 8 Zum VFG gehören vierzehn freikirchliche Körperschaften mit über 600 lokalen Gemeinden und einem breiten Fächer angeschlossener diakonischer Werke vorwiegend in der deutschsprachigen Schweiz. 9 In den Kantonen VS und TI gibt es keine röm.-kath. Kantonalkirchen und aus den Bistümern Sitten und Lugano liegen nur beschränkt Daten vor. 10 Bei der Römisch-Katholischen Kirche wurde mit den Kirchgemeinden die staatskirchenrechtliche Einheit angeschrieben, für welche eine offen einsehbare Rechnung besteht. Die Dienstleistungen werden aber primär durch die kirchenrechtlichen Einheiten der Pfarreien erbracht, für deren Finanzierung die Kirchensteuererträge der Kirchgemeinden von zentraler Bedeutung sind. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 18 18 Einleitung: Thema und Vorgehen Mit der Auswahl der Kantone für die Erhebung bei den (Kirch-)Gemeinden soll ein breites Spektrum bezüglich dem Verhältnis von Staat und Kirche, das für die Finanzierungsstrukturen relevant ist, sowie anderen regionalen und konfessionellen Unterschieden abgebildet werden: • Der Kanton Bern ist neben Zürich der grösste historisch reformierte Kanton der Schweiz. Heute sind neben der evang.-ref. Kirche auch die röm.kath. Kirche und die christkatholische Kirche öffentlich-rechtlich als Landeskirchen anerkannt. Neben den Landeskirchen anerkennt die Kantonsverfassung die israelitischen Gemeinden öffentlich-rechtlich. Das Verhältnis von Kirche und Staat ist im schweizweiten Vergleich eines der engsten. Aufgrund der einstigen Überführung von Kirchengut in Staatsvermögen werden im Kanton Bern mit der Begründung historischer Rechtstitel bis heute die Pfarrgehälter aus dem Staatsetat bezahlt. • Der Kanton Neuenburg ist traditionell reformiert, heute aber konfessionell stark gemischt. Im Kanton Neuenburg besteht eine Trennung von Kirche und Staat nach französischem Vorbild. Die Kirchen geniessen keine öffentlich-rechtliche Anerkennung und kennen keine Steuerhoheit, erhalten jedoch aufgrund eines Konkordates einen Staatsbeitrag. • Der Kanton St. Gallen gehört zu den historisch paritätischen Kantonen. Öffentlich-rechtlich anerkannt sind die röm.-kath. Kirche, die evang.-ref. Kirche, die christkatholische Kirche sowie die jüdische Gemeinde St. Gallen. Die röm.-kath. Kirche deckt dabei mit 53% den grössten Bevölkerungsanteil ab. Räumlich umfasst der Kanton St. Gallen wie der Kanton Bern neben städtischen Zentren einen grossen ländlichen Raum. Abbildung 1-3: Konfessionelle Zusammensetzung in den ausgewählten Kantonen Kanton Bern 8% 3% 1% 16% 66% 6% 22% 3% 1% 31% islamisch keine Zugehörigkeit übrige Kanton Neuenburg 5% Kanton St.Gallen 6% 3% 6% 4% 28% 38% 53% christkatholisch (NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 19 Einleitung: Thema und Vorgehen 19 Projektgrenzen Das Projekt FAKIR basiert auf einer ökonomischen Forschungsanlage, das die Finanzierung und den mit dem Dienstleistungsangebot verbundenen Nutzen von Religionsgemeinschaften als Organisationen untersucht. Nicht Gegenstand der Untersuchung sind die Religionsgemeinschaften in ihrer Gestalt als gesellschaftliche Institutionen, die Werte und Normen tradieren, Sinn stiften und Solidarität fördern. Diese Leistungen sind genauso wenig bezifferbar wie sich der Nutzen der Religiosität oder des Glaubens an sich bewerten lässt. Weitere Informationen Weitere Ergebnisse und methodische Angaben enthalten die Arbeitspapiere (AP), die im Rahmen des Projekts FAKIR erstellt wurden: AP 1: Dienstleistungen – Nutzen – Finanzierung, Theoretische Grundlagen AP 2: Einnahmen der Kirchen in der Schweiz aus Kirchensteuern und Mitteln der öffentlichen Hand – Finanzierung und Dienstleistungsangebot der Kantonalkirchen und freikirchlicher Gemeindeverbände AP 3: Ressourcen und Dienstleistungsangebot von Kirchgemeinden AP 4: Nutzen des kirchlichen Dienstleistungsangebots NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 20 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 21 21 2 2.1 Teil I: Kosten und Finanzierung Grundlagen Wie ist das Verhältnis von Staat und Religion in der Schweiz gestaltet? In der Schweiz hat der Staat bisher primär sein Verhältnis zu den christlichen Kirchen – teils noch zu jüdischen Glaubensgemeinschaften – geregelt.11 Da die Regelung dieses Verhältnisses gemäss BV Art. 72 in die Zuständigkeit der Kantone fällt, besteht eine historisch und kulturell begründete grosse Vielfalt in den Beziehungen zwischen Kirchen und Staat: von einer sehr lockeren, weitgehend entflochtenen Verbindung in den Kantonen Genf und Neuenburg bis zur aus historischen Gründen sehr engen Verbindung wie z. B. im Kanton Bern, wo wesentliche Elemente der Kirchenorganisation in staatlichen Gesetzen geregelt sind. Trotz der föderalistischen Vielfalt an Verhältnisformen kann ein gemeinsamer Kern der staatskirchenrechtlichen Systeme der Schweiz anhand folgender Beziehungsmerkmale beschrieben werden: • Anerkennung als Institution von öffentlichem Interesse («kleine Anerkennung»; öffentliche Anerkennung) • Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts («grosse Anerkennung»; öffentlich-rechtliche Anerkennung). Abbildung 2-1 gibt einen Überblick über die öffentlich-rechtliche bzw. öffentliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz. Keine Anerkennung in der ganzen Schweiz kennen die Evangelischen Freikirchen und die Islamischen Gemeinschaften, die im Projekt FAKIR ebenfalls mitberücksichtigt sind.12 Der Anerkennungsstatus beeinflusst die Finanzierungsstruktur der Religionsgemeinschaften, da in den meisten Fällen die öffentlich-rechtliche Anerkennung mit dem Recht zur Steuererhebung und/oder mit Beiträgen der öffentlichen Hand (VD, TI, VS) einhergeht. 11 Vgl. dazu Famos (1999), Die öffentlich-rechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften im Lichte des Rechtsgleichheitsprinzips. Hafner/Gremmelspacher (2005), Beziehungen zwischen Staaten und Religionsgemeinschaften in der Schweiz. Cattacin et al. (2003), Staat und Religion in der Schweiz. Pahud de Mortanges (2002), Zur Anerkennung und Gleichbehandlung von Religionsgemeinschaften. 12 Vereinzelte Bestrebungen dieser Religionsgemeinschaften, die öffentlich-rechtliche Anerkennung zu erhalten, gab und gibt es: Im Kanton Luzern bemüht sich die Islamische Gemeinde Luzern (IGL) um eine öffentlich-rechtliche Anerkennung. Im Kanton Bern haben 2005 sieben Freikirchen ein Gesuch um öffentlich-rechtliche Anerkennung eingereicht, das jedoch abgewiesen wurde. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 22 22 Teil I: Kosten und Finanzierung Abbildung 2-1: Anerkennungsstatus der Religionsgemeinschaften in den Kantonen Kantone evang.-ref. Öffentl.Öffentlich rechtlich röm.-kath. Öffentl.Öffentlich rechtlich christ.-kath. Öffentl.Öffentlich rechtlich jüdisch Öffentl.Öffentlich rechtlich AG AR AI BL BS BE FR GE GL GR JU LU NE NW OW SH SZ SO SG TI TG UR VD VS ZG ZH Quelle: ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●* Cattacin et al. 2003, Staat und Religion in der Schweiz. * Ergänzung: Im Kanton Zürich wurden 2005 im Rahmen der neuen Verfassung zwei jüdische Gemeinden öffentlich anerkannt. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 23 Teil I: Kosten und Finanzierung 23 Welche Finanzierungsformen können unterschieden werden? Unsere Untersuchung unterscheidet drei Finanzierungsformen: • Private Finanzierung • Öffentliche (staatliche) Finanzierung • Eigenfinanzierung Diese Finanzierungsformen können folgendermassen umschrieben werden: • Die Kirchensteuern natürlicher Personen als eine besondere Form von Mitgliederbeiträgen13 gehören ebenso zur privaten Finanzierung wie Spenden, Kollekten und Legate. Auch die unentgeltliche Freiwilligenarbeit kann als Form der privaten Finanzierung betrachtet werden: Anstatt Geld wird Zeit zur Verfügung gestellt. • Zur öffentlichen Finanzierung gehören – Kirchensteuern juristischer Personen; obwohl es sich dabei nicht um öffentliche Mittel handelt, handelt es sich dabei um eine staatlich angeordnete Finanzierung, von welcher sich die Unternehmen nicht befreien können14 – Steuerbeteiligungen im Sinne von fixen Anteilen an Staatssteuern juristischer Personen oder an der Grundstückgewinnsteuer – Allgemeine Beiträge der öffentlichen Hand an den Etat der Kirchen – Direkte Besoldung von «kirchlichem» Personal durch den Kanton; dies betrifft sowohl Pfarrpersonen im Gemeindedienst wie auch im Bereich der Spezialseelsorge (wie Spital-, Gefängnis- und Notfallseelsorge) – Staatsbeiträge für spezifische Leistungen i. S. von Abgeltungen (z. B. für den Erhalt von Kulturgut oder auch im Bereich der Spezialseelsorge) – Indirekte Beiträge in Form von Besitztum und/oder Unterhalt von Kirchgebäuden durch die öffentliche Hand • Als Eigenfinanzierung werden Entgelte für angebotene Dienstleistungen sowie Erträge aus eigenem Vermögen inkl. Liegenschaftsbesitz bezeichnet.15 13 Vgl. Cavelti (1997), Kirchenfinanzierung im Widerstreit der Erwartungen und Interessen, S. 257. 14 Eine Ausnahme bildet der Kanton Neuenburg. Hier sind auch die Kirchensteuern juristischer Personen freiwillig und gehören daher eigentlich nicht zur öffentlichen Finanzierung. 15 Dabei wird nicht berücksichtigt, dass Liegenschaften den Religionsgemeinschaften evtl. als Schenkungen vermacht worden sind, was eigentlich einer privaten Finanzierung entspräche. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 24 24 Teil I: Kosten und Finanzierung Welche Organisationsstrukturen und Finanzströme kennen die untersuchten Religionsgemeinschaften? In den folgenden Abschnitten sind die Organisationsstrukturen und die Finanzierungsströme der untersuchten Religionsgemeinschaften schematisch dargestellt. Farblegende zu den Finanzierungsströmen: Private Finanzierung Öffentliche Finanzierung Eigenfinanzierung a) Röm.-kath. Kirche Die röm.-kath. Kirche in der Schweiz kennt eine duale Struktur: Neben der demokratischen und föderalistischen staatskirchenrechtlichen Struktur besteht die hierarchische Struktur gemäss kirchlichem Recht. Im Weiteren gehören zahlreiche Hilfswerke sowie Orden, Bildungshäuser und Verbände zur Organisation der röm.-kath. Kirche in der Schweiz. Im vorliegenden Bericht werden unter der «röm.-kath. Kirche» die Kantonalkirchen und die Kirchgemeinden gemäss staatlichem Recht sowie die Pfarreien und Bistümer gemäss kirchlichem Recht verstanden. Abbildung 2-2: Organisationsstrukturen und Finanzierungsströme der röm.-kath. Kirche Stiftungen, Spenden, Kollekten Entgelte für angebotene Dienstleistungen Vermögenserträge Kirchliche Struktur Orden/ Kongregationen/Vereine Bildungshäuser / Schulen Verbände Hilfswerke u.a. Fastenopfer Caritas Missio Kirche in Not Caritas Inländ. Mission Beiträge der öffentlichen Hand Staatskirchenrechtliche Struktur Spenden Bischofskonferenz (Verein) Überkantonale und überdiözesane Aufgaben RKZ – RömischeKatholische Zentralkonferenz RKZ Beitrag Stiftungen, Vereine Spenden, Kollekten Vermögenserträge Bistum Beiträge der öffenltichen Hand Bistumsbeitrag Kantonalkirchliche Organisation Kirchensteuer Entgelte für angebotene Dienstleistungen Vermögenserträge Stiftungen, Spenden, Kollekten Vermögenserträge Pfarrei Beiträge der öffenltichen Hand Kirchgemeinde Kirchensteuer Entgelte für angebotene Dienstleistungen Vermögenserträge NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 25 Teil I: Kosten und Finanzierung 25 b) Evang.-ref. Kirche Wenn in diesem Bericht von der «evang.-ref. Kirche» die Rede ist, sind damit die demokratisch und förderalistisch aufgebauten Kantonalkirchen mit den dazugehörigen Kirchgemeinden gemeint. Zur evang.-ref. Kirche in der Schweiz gehören überdies gemeinsame Hilfs- und Missionswerke, diverse sozial-diakonische Werke wie Heime, evangelische Verbände, Bildungshäuser, Schulen und Kommunitäten. Diese sind organisatorisch teils unabhängig, teils kantonalkirchlichen Strukturen angegliedert. Abbildung 2-3: Organisationsstrukturen und Finanzierungsströme der evang.-ref. Kirche Stiftungen, Spenden Entgelte für angebotene Dienstleistungen • Missionen • Hilfswerke (BfA, HEKS) • Sozial-diakonische Werke • Kommunitäten • Verbände • Bildungshäuser/Schulen Beiträge der öffentlichen Hand Organisationsstruktur Beiträge SEK – Sch weizerisch er Evan gelisch er Kirch en bu n d Mitgliederbeiträge Beiträge der öffentlichen Hand Entgelte für angebotene Dienstleistungen Vermögenserträge Spenden, Legate Kan ton alkirch lich e Organ isation Kirchensteuer Beiträge der öffentlichen Hand Entgelte für angebotene Dienstleistungen Vermögenserträge Spenden, Legate Kirch gemein de Kirchensteuer c) Evangelische Freikirchen Im Rahmen des Projekts FAKIR werden jene Freikirchen untersucht, die sich im Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz zusammengeschlossen haben. Dem VFG gehören folgende Gemeindeverbände mit über 600 lokalen Gemeinden und einem breiten Fächer angeschlossener diakonischer Werke vorwiegend in der deutschen Schweiz an: NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 26 26 Teil I: Kosten und Finanzierung BewegungPlus Bund Evangelischer Gemeinden / Newlife Bund der Evangelischen Täufergemeinden Freie Evangelische Gemeinden in der Schweiz Bund Schweizer Baptistengemeinden Chrischona-Gemeinden Schweiz Evangelisches Gemeinschaftswerk Evangelisch-methodistische Kirche Freie Charismatische Gemeinden der Schweiz Heilsarmee Konferenz der Mennoniten der Schweiz Schweizerische Pfingstmission Vereinigung Freier Missionsgemeinden Vineyard Gemeinden Die Freikirchen sind zwar unterschiedlich organisiert (so bilden bspw. die rund 100 Chrischona-Gemeinden einen einzigen Verein, während bei den Freien Evangelischen Gemeinden jede Gemeinde als eigener Verein konstituiert ist), die Finanzierung basiert aber in allen freikirchlichen Körperschaften primär auf der privaten Finanzierung in Form von Spenden. Die Mitgliederbeiträge im Rahmen der formellen Vereinsstrukturen haben eine eher untergeordnete Bedeutung. Abbildung 2-4: Organisationsstrukturen und Finanzierungsströme der evangelischen Freikirchen (VFG) Spenden Entgelte für angebotene Dienstleistungen Sozial-diakonische Werke Organisationsstruktur VFG – Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz Mitgliederbeiträge Beiträge Spenden Gemeindeverband bzw. -verein Vermögenserträge Mitgliederbeiträge Spenden, Mitgliederbeiträge Vermögenserträge Gemeinde NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 27 Teil I: Kosten und Finanzierung 27 d) Islamische Gemeinschaften Bei den islamischen Glaubensgemeinschaften, die erst in jüngerer Zeit entstanden sind, sind die formellen Organisationsstrukturen noch vergleichsweise schwach. Die Basis bilden unterschiedlich autonome lokale Zentren und Vereine, welche teils kantonalen, teils ethnischen Dachverbänden angeschlossen sind. Die Föderation Islamischer Dachorganisationen der Schweiz (FIDS) ist heute mit zwölf islamischen Verbänden (Stand 2008), welche insgesamt mehr als 130 multiethnische Vereine und Zentren in 16 Kantonen und in allen vier Sprachregionen repräsentieren, die grösste muslimische Dachorganisation in der Schweiz. Die FIDS hat jedoch keine personellen und kaum finanzielle Ressourcen zur Verfügung (ca. 6 000 CHF/a), das Engagement der Vorstandsmitglieder erfolgt ehrenamtlich. Ein weiterer grösserer muslimischer Verband ist die Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS), welcher drei Kantonalverbände angehören. Abbildung 2-5: Organisationsstrukturen und Finanzierungsströme der islamischen Gemeinschaften Organisationsstruktur FIDS – Förderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz Ethnische Dachorganisationen: AIV, IGB, LMS, SIG Kantonale Dachorganisationen: CICT, DIGO, IGL, UAMCN, UAMF, UOMG, UVAM, VAM KIOS – Koordination Islamischer Organisationen Schweiz Basler Muslimkommission, VIOZ, UMMA Mitgliederbeiträge Spenden, Stiftungen Kantonale Dachorganisationen Ethnische Dachorganisationen Spenden, Stiftungen, Mitgliederbeiträge Entgelte für angebotene Dienstleistungen Mitgliederbeiträge Lokale islamische Zentren Legende: AIV: Albanisch Islamischer Verband IGB: Islamische Gemeinschaft Bosniaken LMS: Ligue des Musulmans de Suisse SIG: Schweizerische Islamische Glaubensgemeinschaft CICT: Communita Islamica nel Canton Ticino DIGO: Dachorganisation der Islamischen Glaubensgemeinschaften Ostschweiz IGL: Vereinigung islamischer Gemeinden des Kantons Luzern UAMCN: Union des associations musulmanes du canton de Neuchâtel UAMF: Union des Associations Musulmanes de Fribourg UOMG: Union des Organisations musulmanes de Genève UVAM: Union Vaudoise des Associations Musulmanes VAM: Verband Aargauer Muslime VIOZ: Vereinigung Islamischer Organisationen Zürich UMMA: Islamischer Kantonalverband Bern NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 28 28 Teil I: Kosten und Finanzierung e) Jüdische Gemeinden Von den rund 25 jüdischen Gemeinden in der Schweiz sind 17 dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) angeschlossen. Die jüdischen Gemeinden haben differenzierte Organisationsstrukturen und die Finanzströme sind stärker formalisiert als bei den islamischen Gemeinden oder den Freikirchen. Insbesondere in den städtischen Zentren Zürich, Basel, Bern, Lausanne und Genf ist das religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Leben der Juden sehr lebendig. Was alles dazugehört, ist unten am Beispiel des jüdischen Lebens in Basel illustriert. Abbildung 2-6: Organisationsstrukturen und Finanzierungsströme der jüdischen Gemeinden Organisationsstruktur Projektspez . Spenden Vermögenserträge SIG – Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund FürsorgeVerband Mitgliederbeiträge Projektspez . Spenden, Legate Vermögenserträge, weitere Erträge Beiträge der öffentlichen Hand Gemeinde Mitgliederbeitrag (in % des Steuervolumens) Legate, Fonds Beiträge Jüdisches Leben in Basel (beispielhafte Illustration) Schulen • • • • • • Schomre Thora Jüdisches Museum JTV Basel Israel Aktion Restaurant Jüdisch -Christliche Projekte Spenden Vermögenserträge Kinderhort Ganon Kindergarten Marcus Cohn Primarschule Leo Adler Verein Jüd. Heim La Charmille Stiftung Altersund Pflegeheim Israelitische Fürsorge Basel Holbeinhof NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 29 Teil I: Kosten und Finanzierung 29 2.2 Kosten und Finanzierung Wie viel kosten die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche in der Schweiz ihre Mitglieder? Die Mitglieder der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche in der Schweiz zahlen in den meisten Kantonen Mitgliederbeiträge in Form von Kirchensteuern. Bei den Kirchensteuern natürlicher Personen handelt es sich um eine besondere Form von Mitgliederbeiträgen, da sich jede Person mit einem Austritt aus der Religionsgemeinschaft von dieser Abgabe befreien kann. Nicht in allen Kantonen können die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche jedoch Kirchensteuern erheben. Vielmehr sind die Finanzierungssysteme kantonal sehr unterschiedlich. Ob ein Kanton den Kirchen auf seinem Staatsgebiet Steuerhoheit verleiht, hängt nicht alleine von deren Anerkennungsstatus ab. So erheben einerseits die Landeskirchen im Kanton VD trotz öffentlich-rechtlicher Anerkennung keine Kirchensteuern, weil sie über Leistungsabgeltungen durch den Kanton und über Beiträge von Gemeinden finanziert werden. Andererseits ermöglichen die beiden Kantone GE und NE den Kirchen die Erhebung sogenannt «freiwilliger Kirchenbeiträge», obwohl diese «nur» öffentlich anerkannt sind. In den Kantonen VS und TI, welche die Kirchen öffentlich-rechtlich anerkennen, ist die Erhebung von Kirchensteuern zwar gesetzlich möglich. Das Besteuerungsrecht wird aber nur von wenigen Kirchgemeinden genutzt, da in der Mehrheit der Fälle die politischen Gemeinden Beiträge für das kirchliche Leben in den Pfarreien leisten. Wie aus Abbildung 2-7 hervorgeht, haben die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche in der Schweiz im Jahr 2007 von ihren Mitgliedern gut 1.3 Mrd. CHF Kirchensteuern natürlicher Personen erhoben. In absoluten Zahlen nimmt die röm.-kath. Kirche mit 703 Mio. CHF mehr Kirchensteuern ein als die evang.-ref. Kirche mit 647 Mio. CHF. Gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung erzielt die evang.-ref. Kirche aber vergleichsweise mehr Kirchensteuereinnahmen als die röm.-kath. Kirche. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 30 30 Teil I: Kosten und Finanzierung Abbildung 2-7: Kirchensteueraufkommen der natürlichen Personen nach Konfessionen, absolut in Mio. CHF (2007) Religionszugehörigkeit der Schweizer Bevölkerung gemäss Volkszählung 2000 absolut in Mio. CHF evang.-ref. 647 Mio. CHF 48% röm.-kath. 42% 1‘350 Mio. CHF röm.-kath. 703 Mio. CHF 52% evang.-ref. 35% Quelle: BFS Übrige 23% Hinweis: In dieser Abbildung fehlt der Kanton TI. Im TI werden nur in einzelnen Gemeinden Kirchensteuern erhoben. In der Abbildung enthalten sind aber die «freiwilligen Kirchenbeiträge», welche in den Kantonen GE und NE geleistet werden. Die relative Darstellung in Abbildung 2-8 zeigt, dass das durchschnittliche Steueraufkommen pro Mitglied mit 300 CHF pro Jahr in der evang.-ref. Kirche höher ist als in der röm.-kath. Kirche mit 266 CHF. Aus Abbildung 2-8 geht ebenfalls hervor, dass die Unterschiede in den Kantonen beträchtlich sind: • Ein Mitglied der röm.-kath. Kirche bezahlt beispielsweise im Kanton SG doppelt so viele Kirchensteuern wie im Kanton FR. • Im Kanton NE, wo die Kirchenbeiträge freiwillig sind, bezahlten die Mitglieder in beiden Konfessionen nur einen Bruchteil der in anderen Kantonen bezahlten Kirchensteuern. Die Unterschiede lassen sich nur beschränkt mit der Finanzstärke dieser Kantone erklären, vielmehr scheinen hier unterschiedliche Traditionen und Strukturmerkmale (z. B. Grösse der Mitgliederbasis) bestimmend zu sein. So werden beispielsweise im Kanton SG, der im Ressourcenindex des Bundes im hinteren Mittelfeld liegt, in beiden Konfessionen verhältnismässig viel an Kirchensteuern bezahlt. Ebenfalls relevant für die Höhe der Kirchensteuer natürlicher Personen sind die Einnahmen einer Kirche von der Öffentlichkeit: Je grösser die öffentliche Finanzierung, desto weniger müssen tendenziell die Mitglieder bezahlen. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 31 Teil I: Kosten und Finanzierung 31 Es zeigen sich teils erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Landeskirchen innerhalb eines Kantons. So bezahlt beispielsweise ein durchschnittliches evang.-ref. Mitglied im Kanton ZG pro Jahr 484 CHF, während ein röm.-kath. Mitglied im Schnitt nur 295 CHF an Kirchensteuern entrichtet. Abbildung 2-8: Kirchensteueraufkommen der natürlichen Personen nach Konfessionen und Kanton, relativ in CHF pro Mitglied (2007) evang.-ref. 600 550 500 450 400 CHF pro Mitglied 350 300 250 200 150 100 50 0 Ø 567 484 467 448 447 432 387 385 360 356 300 341 341 324 311 308 301 296 287 226 221 149 85 11 B S Z G SG NW LU A G GR AR UR SO S Z TG FR GL OW ZH BL SH BE JU GE NE VS röm.-kath. 500 450 400 350 CHF pro Mitglied 300 266 250 200 150 100 50 0 Ø 439 398 393 381 377 323 313 307 306 300 295 292 282 260 259 254 252 243 240 216 207 37 32 12 SG AG LU BS SO AR NW OW TG S H ZG AI ZH BL BE GL S Z UR GR FR JU GE NE VS Hinweis: Bei den Angaben für die Kantone GE und NE handelt es sich um «freiwillige Kirchenbeiträge». Im Kanton GE standen uns bei der evang.-ref. Kirche Angaben zu den freiwilligen Kirchenbeiträgen zuhanden der Kantonalkirche und der Kirchgemeinden zur Verfügung, während bei der röm.-kath. Kirche nur Angaben zu den Beiträgen an die Kantonalkirche vorhanden waren. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 32 32 Teil I: Kosten und Finanzierung Wie viel kosten die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche in der Schweiz die Öffentlichkeit (juristische Personen und öffentliche Hand)? Im Kapitel 2.1 wurde aufgezählt, welche Formen der öffentlichen Finanzierung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz unterschieden werden können. Es sind primär die Landeskirchen, welche von öffentlichen Mitteln bzw. im Fall der Kirchensteuer juristischer Personen von einer staatlich angeordneten Finanzierung profitieren. Wobei auch hier gilt, dass die Unterschiede zwischen den Kantonen bedeutend sind. Das im Projekt FAKIR mit der Befragung der Kantonalkirchen ermittelte Zahlenmaterial ergibt zwar kein vollständiges Bild zur öffentlichen Finanzierung, da die Beiträge, die direkt an die Kirchgemeinden ausgerichtet werden, nur beschränkt erfasst werden konnten. Insgesamt kann aber davon ausgegangen werden, dass die grössten Positionen erfasst wurden – so etwa die Übernahme der Entlöhnung der Pfarrpersonen im Kanton BE und die Defizitdeckung durch die politischen Gemeinden im Kanton VS.16 Insofern kann gestützt auf die im Projekt FAKIR durchgeführte Erhebung ausgesagt werden, dass der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche in der Schweiz Beiträge der Öffentlichkeit in der Höhe von mindestens 556 Mio. CHF zufliessen. Gemäss Abbildung 2-9 profitieret die evang.-ref. Kirche von der öffentlichen Finanzierung stärker als die röm.-kath. Kirche, obwohl der röm.-kath. Bevölkerungsanteil grösser ist als der evang.-ref. (vgl. Abbildung 2-7). Dies hängt damit zusammen, dass diejenigen Kantone, die den Kirchen mehr öffentliche Mittel zur Verfügung stellen, historisch reformiert sind (BE, ZH, VD).17 Die Kirchensteuern juristischer Personen machen mit 264 Mio. CHF fast die Hälfte der öffentlichen Finanzierung aus. Es handelt sich dabei nicht um öffentliche Mittel, aber um eine staatlich angeordnete Finanzierung, von der sich ein Unternehmen nicht befreien kann. Mit je rund einem Fünftel sind 16 Im Kanton BE bezahlt der Kanton aufgrund der historischen Verstaatlichung von Kirchengut als eine Art Abgeltung die Pfarrsaläre. Der Kanton ZH übernahm bis Ende 2009 ebenfalls die Entlöhnung der evang.-ref. Pfarrpersonen. Per 1.1.2010 traten im Kirchengesetz Änderungen in Kraft, gemäss welchen die staatlichen Leistungen an die Kirchen künftig nicht mehr auf der Basis historischer Rechtstitel erfolgen, sondern als Kostenbeiträge für gesamtgesellschaftlich relevante Tätigkeiten in den Bereichen Soziales, Bildung und Kultur. 17 Für den Kanton VS, wo das Defizit der Kirchgemeinden von den politischen Gemeinden übernommen wird und die Kirchgemeinden somit von wesentlichen Beiträgen der öffentlichen Hand profitieren, konnten die entsprechenden Ausgaben aus den Rechnungen der politischen Gemeinden ermittelt werden. Für Andersgläubige besteht im Kanton VS (wie auch im Kanton VD) das selten genutzte Recht, Rückforderungen zu stellen. In den Kantonen ZH und VD sind jedoch mit neuen Regelungen (vgl. oben) deutliche Umverteilungen erfolgt, welche den gewachsenen Anteilen der Katholiken an der Wohnbevölkerung Rechnung tragen. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 33 Teil I: Kosten und Finanzierung 33 die allgemeinen Staatsbeiträge sowie die Besoldung der Pfarrpersonen im Gemeindedienst ebenfalls bedeutsam. Marginal sind hingegen die Abgeltungen für die Spezialseelsorge und weitere Leistungen. Nicht quantifiziert werden konnten die indirekten Beiträge der öffentlichen Hand in Form von Besitztum oder Unterhalt von Kirchgebäuden. Etliche Kantonalkirchen haben darauf hingewiesen, dass ihre Kirchgemeinden Beiträge für den Erhalt von Kulturgut bekommen. Ebenfalls nicht erhoben wurden die Zahlungen, die einige Kantone aus sogenannten Diözesanfonds zuhanden der röm.-kath. Bistümer leisten. Diese Diözesanfonds wurden bei der Verstaatlichung von kirchlichen Besitzungen eingerichtet, um künftig die Bistümer in der Schweiz zu unterstützen. Abbildung 2-9: Öffentliche Finanzierung nach Konfessionen und nach Formen der öffentlichen Finanzierung, absolut in Mio. CHF (2007) nach Konfessionen absolut in Mio. CHF evang.-ref. 301 Mio. CHF 54% röm.-kath. 255 Mio. CHF 46% nach Formen der öffentlichen Finanzierung absolut in Mio. CHF 10 Mio. CHF 2% 11 Mio. CHF 2% 110 Mio. CHF 20% 125 Mio CHF 22% KS Jur. Personen Steuerbeteiligungen Allg. Staatsbeiträge Übernahme Pfarrsaläre Abgeltung bzw. Besoldung Spezialseelsorge Div. Abgeltungen 264 Mio. CHF 48% 556 Mio. CHF 36 Mio. CHF 6% NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 34 34 Teil I: Kosten und Finanzierung Wie gross sind die Einnahmen der evang.-ref. und der röm.kath. Kirche aus Kirchensteuern und öffentlichen Mitteln? Aus Abbildung 2-10 geht hervor, wie hoch die Einnahmen pro Kopf der beiden grossen Landeskirchen aus Kirchensteuern und öffentlicher Finanzierung in den verschiedenen Kantonen sind (exakte Zahlen können den Abbildungen im Anhang entnommen werden). Die Darstellung zeigt, dass die finanzstarken Kirchen mit überdurchschnittlichen Einnahmen pro Mitglied (Werte über der grauen Linie), nicht unbedingt jene sind, die von öffentlicher Finanzierung profitieren. Für die Finanzlage einer Kirche ist primär das Steueraufkommen aus den Kirchensteuern natürlicher Personen entscheidend. Für die Mitglieder ist die öffentliche Finanzierung aber trotzdem relevant – in den Kantonen mit viel öffentlicher Finanzierung sind die Kirchensteuern natürlicher Personen tendenziell tiefer, wie etwa die Beispiele der Kantone BE und ZH zeigen (vgl. Abbildung 2-8). Auf der Sekundärachse sind die Gesamteinnahmen in absoluten Zahlen durch die kleinen Dreiecke dargestellt. Das Ergebnis widerspiegelt in erster Linie die Bevölkerungsstärke sowie die konfessionellen Bevölkerungsanteile der Kantone. In den grossen Kantonen nehmen die Kirchen absolut gesehen mehr Geld ein. Ausnahmen bilden diejenigen Kantone, die (fast) keine Kirchensteuern einnehmen (VD, VS) bzw. nur freiwillige Kirchensteuern einnehmen (GE, NE). Die Kirchen in diesen Kantonen haben sowohl absolut wie relativ wenig Geld zur Verfügung. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 35 Teil I: Kosten und Finanzierung 35 Abbildung 2-10: Einnahmen der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche in den verschiedenen Kantonen aus Kirchensteuern und öffentlichen Mitteln, relativ in CHF pro Mitglied und absolut in Mio. CHF (2007) Einnahmen pro Mitglied aus übriger öff. Finanzierung Einnahmen pro Mitglied aus Kirchensteuern jur. Personen Einnahmen pro Mitglied aus Kichensteuern nat. Personen Durchschnittliche Einnahmen pro Mitglied Einnahmen Total (Sekundärachse) evang.-ref. 900 800 700 600 CHF pro Mitglied 500 400 300 200 100 0 Z G B S S G U R L U Z H N W G R S O AG B L S Z T G AR S H F R J U O W B E G L V D G E VS N E 6 50 6 00 5 50 5 00 4 50 CHF pro Mitglied 4 00 3 50 3 00 2 50 2 00 1 50 1 00 50 0 Z G S G Z H L U B E S O AG B S B L O W N W T G S H G R S Z AR J U G L AI U R F R V S V D N E G E röm.-kath. 260 240 220 200 180 Mio. CHF 160 140 120 100 80 60 40 20 0 2 70 2 40 2 10 1 80 1 50 1 20 90 60 30 0 Hinweis: Bei den Kantonen NE und GE handelt es sich bei den Kirchensteuern um «freiwillige Kirchenbeiträge». Der Kanton TI fehlt in dieser Darstellung. Die Angaben der evang.-ref. Kirche in AR und AI sind unter AR zusammengefasst, da die beiden Halbkantone eine gemeinsame Landeskirche haben. Mio. CHF NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 36 36 Teil I: Kosten und Finanzierung Wie finanzieren sich die lokalen Religionsgemeinschaften? Bei der Finanzierungsstruktur zeigen sich beträchtliche Unterschiede sowohl zwischen den Konfessionen wie auch zwischen den Kantonen (vgl. Abbildung 2-11): • Im Kanton Bern beträgt der private Finanzierungsanteil der evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden nur rund 50% bzw. 60%. Dies liegt daran, dass der Kanton aufgrund historischer Rechtstitel für die Finanzierung der Pfarrsaläre aufkommt und die Kirchensteuerzahler somit bei einem wichtigen Ausgabeposten entlastet.18 • Im Kanton St. Gallen ist die private Finanzierung in Form von Kirchensteuern mit 80% die Haupteinnahmequelle der evang.-ref. und röm.kath. Kirchgemeinden. • Die evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden bzw. Pfarreien im Kanton Neuenburg haben selbst nur geringe Einnahmen. Die freiwilligen Kirchenbeiträge werden für beide Konfessionen von der Kantonalkirche eingenommen, welche auch die Pfarrpersonen anstellt. Die röm.-kath. Kirchgemeinden erhalten einen Anteil an den Kirchenbeiträgen von der Kantonalkirche zur eigenen Verfügung, die evang.-ref. Kirchgemeinden nicht. Im Kanton Neuenburg sind die Kirchgemeinden anders als in den Kantonen Bern und St. Gallen stärker auf Spenden und Kollekten (bspw. bei Beerdigungen, Hochzeiten etc.) angewiesen. Die Eigenfinanzierung ist ebenfalls von vergleichsweise grosser Bedeutung: darunter fallen erwirtschaftete Erträge aus verschiedenen Veranstaltungen wie Verkäufen, Kirmessen etc. • Die Freikirchen finanzieren sich ebenfalls hauptsächlich über private Mittel, in ihrem Fall handelt es sich dabei um Spenden und Mitgliederbeiträge. Die private Finanzierung ist bei den Freikirchen im interkonfessionellen Vergleich am höchsten. • Die beiden untersuchten islamischen Glaubensgemeinschaften weisen ein Finanzierungsmuster auf, das demjenigen der Freikirchen ähnlich ist. Spenden sind die hauptsächliche Einnahmequelle, daneben sind die mit einem Restaurant erwirtschafteten Erträge von Bedeutung (Eigenfinanzierung).19 18 Die öffentliche Finanzierung ist für den Kanton Bern tendenziell unterschätzt, weil nicht bei allen Kirchgemeinden die Kirchensteuern nach natürlichen und juristischen Personen aufgeteilt werden konnten und in jenen Fällen, wo keine Aufteilung vorgenommen wurde, sind die gesamten Kirchensteuereinnahmen der privaten Finanzierung zugerechnet worden. 19 Dzemat Luzern: Die Rechnung für den Umbau des Kinos in Emmenbrücke in eine Moschee wird separat geführt. Bisher wurden 900 000 CHF gespendet, davon 100 000 CHF von anderen bosnischen Gemeinschaften in der Schweiz. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 37 Teil I: Kosten und Finanzierung 37 • Die Israelitische Gemeinde Basel (IGB) kann dank ihrer öffentlich-rechtlichen Anerkennung bei ihren Mitgliedern Steuern erheben. Diese betragen 12% des Steuervolumens eines Mitglieds bzw. max. CHF 20000 (Beitrag wird seit einigen Jahren teuerungsbedingt angepasst). Die private Finanzierung aus diesen Steuererträgen beläuft sich auf über 70%. Weitere 10% des Gesamtertrags werden über private Mittel gedeckt. Knapp 20% der Finanzierung stammen aus Vermögenserträgen (Eigenfinanzierung) und von der öffentlichen Hand erhält die IGB rund CHF 13 000 für Leistungen der Gefängnisseelsorge (0.4%). Die Communauté Israélite du Canton de Neuchâtel finanziert sich ebenfalls primär über private Finanzierung (gut 90% der Erträge): Diese basiert aber nicht auf Steuereinnahmen, sondern auf Mitgliederbeiträgen und privaten Spenden. Rund 7% der Finanzierung stammen aus Vermögenserträgen und Gebühreneinnahmen (Eigenfinanzierung). Abbildung 2-11: Finanzierungsformen nach Kanton und Konfession, in % Private Finanzierung: Kirchensteuern nat. Pers. Private Finanzierung: Mitgliederbeiträge/Spenden Übernahme Saläre durch Kantonalkirche Eigenfinanzierung Öffentliche Finanzierung Übernahme Pfarrsaläre durch Kanton Übriger Ertrag evang.-ref. röm.-kath. evang.-ref. röm.-kath. evang.-ref. NE röm.-kath. freikirchlich freikirchlich IG Dietikon Dzemat Luzern IGB CI Neuchâtel 0% 10% 20% 30% 72% 93% 1 5% 7% 69% 88 % 8 6% 94 % 85 % 8% 15% 20% 7% 61% 6 4% 79% 81% 71% 14% 7% 8% 7% 6% 7% 6% 6% 10% 21% 15% 9% 11% 8% 9% 7% Jüd. Islam. SG BE SG BE 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Legende: IG Dietikon: Islamische Gemeinschaft Dietikon; IGB: Israelitische Gemeinde Basel; CI Neuchâtel: Communauté Israélite du Canton de Neuchâtel Hinweis: Die private Finanzierung über Kirchensteuern nat. Pers. entspricht bei der röm.-kath. Kirche im Kanton NE dem Anteil der freiwilligen Kirchenbeiträge, welche die Kantonalkirche den Kirchgemeinden zur Verfügung stellt. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 38 38 Teil I: Kosten und Finanzierung Wie viel finanzielle Ressourcen stehen einer lokalen Religionsgemeinschaft zur Verfügung? Um die finanziellen Ressourcen der lokalen Religionsgemeinschaften zu vergleichen, sind in Abbildung 2-12 die Einnahmen pro Mitglied dargestellt. Bei der Interpretation dieser Auswertung ist jedoch zu beachten, wie sich die Mitgliederbasis zusammensetzt: • In den evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden und den freikirchlichen Gemeinden wurden Erwachsene und Kinder als Mitglieder gezählt, während in den Fallbeispielen der islamischen und jüdischen Gemeinden nur die Erwachsenen (im Fall der Islamischen Gemeinschaft Dietikon nur die Männer) als Mitglieder erfasst sind. • Sehr unterschiedlich sind auch die Grössenverhältnisse der verschiedenen Religionsgemeinschaften. Die Landeskirchen als sogenannte «Volkskirchen» haben gestützt auf eine formal geregelte Mitgliedschaft eine breite Mitgliederbasis, von der sich nur ein verhältnismässig kleiner Anteil aktiv am Gemeindeleben beteiligt. Demgegenüber ist die Mitgliedschaft in einer Freikirche meist mit einem persönlichen Engagement verbunden: Ein Grossteil der Mitglieder einer Freikirche engagiert sich aktiv in der Gemeinde und nimmt auch deren Dienstleistungen regelmässig in Anspruch. Abbildung 2-12: Einnahmen 2008 nach Kanton und Konfession, sowie der untersuchten islamischen und jüdischen Fallbeispiele, in CHF pro Mitglied (Durchschnittl.) Anzahl Mitglieder Beschreibung pro (Kirch-)Gemeinde: Mitgliederbasis: BE evang.-ref. röm.-kath. evang.-ref. röm.-kath. evang.-ref. röm.-kath. freikirchlich freikirchlich IG Dietikon Dzemat Luzern IGB CI Neuchâtel 0 109 86 454 468 611 605 3‘147 4‘559 2‘037 2‘773 5‘124 3‘255 1‘455 1‘863 639 160 219 82 530 2‘283 1‘127 2‘978 3‘000 3‘500 60 Erwachsene und Kinder, aktive und inaktive Mitglieder Islam. SG BE NE SG Erwachsene und Kinder, primär aktive Mitglieder nur Erwachsene 482 Jüd. Paare / Alleinstehende 500 1‘000 1‘500 2‘000 2‘500 Legende: IG Dietikon: Islamische Gemeinschaft Dietikon; IGB: Israelitische Gemeinde Basel; CI Neuchâtel: Communauté Israélite du Canton de Neuchâtel Die schraffierten Flächen entsprechen im Fall des Kantons Bern den vom Kanton übernommenen Pfarrsalären und im Kanton Neuenburg den von den Kantonalkirchen übernommenen Personalkosten. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 39 Teil I: Kosten und Finanzierung 39 Die Ergebnisse präsentieren sich folgendermassen: • Bei den Kirchgemeinden der beiden grossen Konfessionen zeigt sich, dass die Einnahmen in den evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden desselben Kantons auf einem ähnlichen Niveau sind, dass aber grosse Unterschiede zwischen den untersuchten drei Kantonen bestehen: – Im Kanton Bern werden pro Mitglied rund CHF 450 Einnahmen generiert. Das Ergebnis berücksichtigt auch die vom Kanton aufgrund der Verstaatlichung von Kirchengut (historische Rechtstitel) im Sinne einer Abgeltung bezahlten Pfarrsaläre. – Im Kanton St. Gallen werden – wie oben gezeigt wurde – vergleichsweise hohe Kirchensteuern erhoben. Deshalb resultieren in beiden Konfessionen im interkantonalen Vergleich die höchsten Einnahmen. – Im Kanton Neuenburg, der nur freiwillige Kirchenbeiträge kennt, sind die Einnahmen pro Mitglied um ein Vielfaches kleiner als in den beiden Referenzkantonen. • Die freikirchlichen Gemeinden in den Kantonen Bern und St. Gallen haben pro Mitglied rund dreimal höhere Einnahmen und somit mehr Mittel zur Verfügung als die Landeskirchen. Pro Jahr zahlt ein FreikirchenMitglied im Schnitt rund 1000 CHF mehr als ein Mitglied einer Landeskirche. Dies dürfte deshalb erforderlich sein, weil sich die Kosten auf viel weniger Mitglieder verteilen als in den Landeskirchen. • Die beiden islamischen Gemeinschaften haben pro Mitglied in dieser Auswertung Einnahmen in der Grössenordnung der landeskirchlichen Kirchgemeinden in den Kantonen Bern und St. Gallen. Die Einnahmen würden jedoch tiefer ausfallen, wenn auch die Kinder bzw. Familienangehörigen zur Mitgliederbasis gezählt würden. Würde eine Betrachtung pro aktives Mitglied eingenommen, hätten die evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden deutlich mehr Geld zur Verfügung. • Die Israelitische Gemeinde Basel hat pro Mitglied gut 2 300 CHF zur Verfügung, was im interkonfessionellen Vergleich den höchsten Pro-KopfWert darstellt. Die Communauté Israélite du Canton de Neuchâtel weist pro Mitglied durchschnittliche Einnahmen von 3 000 CHF auf. Als ein Mitglied zählen dabei sowohl Paare wie alleinstehende Personen über 25 Jahren. Gemäss dem SIG Factsheet leben heute in der jüdischen Gemein20 Siehe auch das SIG Factsheet «Jüdische Gemeinde La Chaux-de-Fonds». NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 40 40 Teil I: Kosten und Finanzierung de rund 100 Personen.20 Bei einer Pro-Kopf-Betrachtung wären die durchschnittlichen Einnahmen in der jüdischen Gemeinde La Chaux-deFonds weniger hoch als in der Israelitischen Gemeinde Basel. Wie viel unbezahlte Arbeit auf freiwilliger und ehrenamtlicher Basis wird in den lokalen Kirchgemeinden und freikirchlichen Gemeinden geleistet? In der Erhebung wurde die unbezahlte Arbeit von ehrenamtlich und von freiwillig Mitarbeitenden erfasst. Unter ehrenamtlichem Engagement werden Behördentätigkeiten und Einsitz in Kirchenorganen (für die Landeskirchen) bzw. Gemeindeleitungsaufgaben (für die Freikirchen) zusammengefasst. In Abbildung 2-13 ist das Volumen der unbezahlten Arbeit pro 100 Mitglieder dargestellt. Dabei fällt folgendes auf: • Zwischen den röm.-kath. und den evang.-ref. Kirchgemeinden in den Kantonen gibt es keine bedeutenden Unterschiede. • Im interkantonalen Vergleich der landeskirchlichen Kirchgemeinden stellt man fest, dass im Kanton Neuenburg von den Kirchenmitgliedern weniger unbezahlte Arbeit als in den beiden Vergleichskantonen geleistet wird. Eine mögliche Erklärung ist, dass mit weniger bezahlter Arbeit auch weniger unbezahlte Arbeit mobilisiert werden kann.21 • In den Freikirchen wird von der kleinen, aber aktiven Mitgliederbasis sehr viel Freiwilligenarbeit geleistet: pro Mitglied im Jahr durchschnittlich knapp eine Arbeitswoche. Beim Verhältnis von unbezahlter und bezahlter Arbeit gibt es beträchtliche Unterschiede: • In den Landeskirchen der Kantone Bern und Neuenburg werden rund halb so viel unbezahlte wie bezahlte Stunden geleistet. • In den Landeskirchen des Kantons St. Gallen entspricht die unbezahlte Arbeit rund einem Viertel der bezahlten Arbeit. • In den Freikirchen wird pro bezahlte 100 Prozent-Stelle das Doppelte an unbezahlter Arbeit erbracht. 21 Bei den röm.-kath. Kirchgemeinden im Kanton Neuenburg wurde ein Teil der Fragen nicht direkt von den Kirchgemeinden, sondern von den «Unités pastorales» beantwortet. Die Freiwilligenarbeit ist deshalb nur teilweise erfasst, die angegebenen Zahlen sind mit Sicherheit eine Unterschätzung. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 41 Teil I: Kosten und Finanzierung 41 Abbildung 2-13: Unbezahlte Arbeit (freiwillig und ehrenamtlich) in Stunden pro Jahr pro 100 Mitglieder, nach Kanton und Konfession (Durchschnittl.) Anzahl Mitglieder pro (Kirch-)Gemeinde: Beschreibung Mitgliederbasis: Erwachsene und Kinder, aktive und inaktive Mitglieder BE evang.-ref. röm.-kath. evang.-ref. röm.-kath. evang.-ref. röm.-kath. freikirchlich freikirchlich 0 144 157 152 131 95 47 3‘452 4‘654 1‘000 2‘000 3‘000 4‘000 5‘000 3‘147 4‘559 2‘037 2‘773 5‘124 3‘255 160 219 SG BE NE SG Erwachsene und Kinder, primär aktive Mitglieder NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 42 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 43 43 3 3.1 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen Dienstleistungsangebot der Religionsgemeinschaften Wenn die gesellschaftlichen Nutzen des Dienstleistungsangebots der Religionsgemeinschaften bestimmt werden sollen, interessieren aus ökonomischer Sicht folgende Aspekte: • Positive externe Effekte:22 Profitieren die Gesellschaft (über die Mitgliederbasis hinaus) oder die Gruppe der Nichtmitglieder direkt oder indirekt von den Dienstleistungen der Religionsgemeinschaften, ohne dass sie dafür (vollumfänglich) bezahlen müssen? • Substitutionseffekte: Erbringen die Religionsgemeinschaften Dienstleistungen, welche den Staat entlasten und welche andernfalls durch staatliche Leistungen ersetzt werden müssten? Zur näherungsweisen Beantwortung dieser Fragen wird das Dienstleistungsangebot analysiert nach den beiden Kategorien kultische und soziale Dienstleistungen (vgl. Abbildung 3-1). Wie bei jeder Kategorisierung ergeben sich auch bei diesen beiden Kategorien Unschärfen bei der Zuordnung von Dienstleistungen. Sie erscheinen aber sowohl aufgrund der Begriffsprägung in der öffent-lichen Diskussion23 wie auch aufgrund der Verwendung in verschiedenen anderen Studien als plausibel.24 Von der Kategorie «soziale Dienstleistungen» ist aber kein direkter Rückschluss auf positive externe Effekte oder Substitutionseffekte möglich. Im Rahmen dieser Studie wurde nicht untersucht, inwiefern die Angebote der Religionsgemeinschaften auch von Nichtmitgliedern genutzt werden.25 Prinzipiell steht die Nutzung der Angebote in allen untersuchten Religionsgemeinschaften Nichtmitgliedern offen, ein spezieller Finanzierungsbeitrag 22 Vereinfachte Verwendung des Begriffs, vgl. dazu Arbeitspapier 1. 23 Das neue Kirchengesetz des Kantons Zürich enthält in § 25 Abs. 2 die negative Zweckbindung von Kirchensteuern juristischer Personen: Die Erträge aus den Kirchensteuern juristischer Personen dürfen nicht für kultische Zwecke verwendet werden. Im historischen Bundesgerichtsentscheid GE 4 S. 202 «Arrêt du 25 Mai 1878 dans la cause Muhlmann et consorts» heisst es, dass Gemeindesteuern zugunsten einer Kirchgemeinde von allen Gemeindeangehörigen, unabhängig von ihrer Konfession, verrichtet werden müssen, sofern die Steuern zu sozialen und nicht zu kultischen Zwecken verwendet werden. 24 Vgl. dazu Landert (1995), Die sozialen und kulturellen Leistungen der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. Landert (2000), Die Leistungen der Reformierten Kirchen Bern-Jura in Diakonie und Beratung, Bildung und Kultur. Fachhochschule Nordwestschweiz (2007), Die freiwilligen sozialen Leistungen der Kirchen im Kanton Solothurn. Bruhn (1999), Ökumenische Basler Kirchenstudie (es werden die drei Kategorien «liturgisch-katechetisch», «diakonisch-sozial», «kulturell» verwendet). 25 Dazu liefern auch die unter «Forschungsstand» erwähnten Sozialbilanz-Studien keine Angaben. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 44 44 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen wird nur vereinzelt für rituelle Handlungen verlangt. Wenn es um die Frage nach der Bedeutung für die Gesellschaft geht, spielen die beiden grossen Landeskirchen jedoch alleine aufgrund ihrer breiten Mitgliederbasis, die auch heute im schweizweiten Durchschnitt noch fast 80% der Gesellschaft umfasst, in einer anderen Liga als die anderen untersuchten Religionsgemeinschaften. Eine Entlastung der öffentlichen Hand wurde nicht direkt untersucht, ist aber bei einigen Dienstleistungen naheliegend (Beratungen, fürsorgerische Aktivitäten, Integrationsleistungen). Welche Dienstleistungen bieten die lokalen Religionsgemeinschaften an? Abbildung 3-1 zeigt, welcher Anteil der befragten evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden und freikirchlichen Gemeinden die verschiedenen kultischen und sozialen Dienstleistungen im Angebot haben. Das Gesamtbild zeigt, dass alle Konfessionen ein breites Dienstleistungsspektrum abdecken: • Die Dienstleistungen zu kultischen Zwecken werden von fast allen Kirchgemeinden angeboten. Gottesdienste stellen die eigentliche Hauptaktivität aller christlichen Konfessionen dar. • Bei den sozialen Dienstleistungen treten Unterschiede zwischen den Konfessionen hervor. Die evang.-ref. Kirchgemeinden zeigen im konfessionellen Vergleich ein ausgeprägtes Engagement in der Seniorenarbeit. Die röm.-kath. Kirchgemeinden bieten ebenso oft wie für Senioren auch Dienstleistungen im Bereich Ehe, Familie, Frauen, Männer an. Die Freikirchen engagieren sich besonders häufig in den Bereichen Kinder- und Jugendarbeit sowie Senioren. Bei den Angeboten für sozial Schwache und Armutsbetroffene sowie den Angeboten für Migranten und Asylsuchende ist zu erwähnen, dass die beiden Landeskirchen diese Aufgaben zu einem Grossteil an Spezialorganisationen ausgelagert haben (Caritas bzw. HEKS). NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 45 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen 45 Abbildung 3-1: Dienstleistungsangebot der evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden und freikirchlichen Gemeinden in den drei untersuchten Kantonen, nach Konfession Dienstleistungen % aller Gemeinden, die diese Dienstleistung anbieten evang.-ref. röm.-kath. freikirchlich 100% 94% 87% 94% 85% 68% 100% 45% 19% 79% 11% 63% 60% 65% 63% 100% 100% – 96% 94% 96% 96% 46% 32% 76% 52% 92% 62% 70% 64% 100% 94% 89% 100% 96% 87% 96% 54% 46% 74% – 91% 81% 52% 72% Gottesdienste / Kasualhandlungen kultisch sozial Hinweis: Religionsunterricht / Katechese / Unterweisung Sonntagsschule, Kindergottesdienste Seelsorge inkl. Anderssprachigenseelsorge Kinder- und Jugendarbeit Angebote zu Ehe, Familie, Frauen, Männer Angebote für Senioren und Betagte Angebote für sozial Schwache und Armutsbetroffene Angebote für Migranten und Asylsuchende Erwachsenenbildung (Vorträge, Kurse) Religionsunterricht an Schulen Ökumene / Evang. Allianz Entwicklungszusammenarbeit und Mission Kultur / (Kirchen-) Musik / Konzerte Medien / Öffentlichkeitsarbeit Im Fragebogen der röm.-kath. Kirchgemeinden war das Angebot «Sonntagschule, Kindergottesdienste», in jenem der Freikirchen sowie in jenem der evang.-ref. Kirchgemeinden des Kantons SG das Angebot «Religionsunterricht an Schulen» nicht enthalten. Welche Dienstleistungen bieten islamische und jüdische Gemeinschaften bzw. Gemeinden an? Die untersuchten islamischen Gemeinschaften in Dietikon und in Emmenbrücke (Dzemat Luzern) sowie die Israelitische Gemeinde Basel verfügen ebenfalls über eine breite Palette an Dienstleistungsangeboten wie die Auflistungen in den nachfolgenden Abbildungen zeigen. Zu den sozialen Dienstleistungen, welche von den islamischen Gemeinschaften angeboten werden, gehören auch verschiedene Bildungsangebote (Sprachkurse, Nachhilfeunterricht, Computerkurse). Diese Angebote dürften über die individuelle Befähigung der Mitglieder hinaus sicherlich zu verbesserten Integrationschancen in der Schweiz beitragen. Insofern NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 46 46 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen handelt es sich dabei um Leistungen, von denen nicht nur die eigene Mitgliederbasis, sondern die Gesellschaft als Ganzes profitiert. Abbildung 3-2: Dienstleistungsangebot Islamische Gemeinschaft Dietikon und Dzemat Luzern Kultische Dienstleistungen Fünf tägliche, Freitags- und Feiertagsgebete Religionsunterricht für Kinder und Jugendliche Koranunterricht für Erwachsene Soziale Dienstleistungen Kinder- und Jugendarbeit: Nachhilfeunterricht, Kino-Abend, Fussball, Lager, Theater Angebote für Erwachsene: Beratung, gesellige Anlässe wie Schlitteltag, Konsularische Auskünfte Angebote für Frauen: Sprachkurse, Lerntag, gemeinsames Schwimmen Angebote für Senioren: Computerkurse Erwachsenenbildung: Seminare zu Lebensund Glaubensfragen Kultur: Folklore-Veranstaltungen Öffentlichkeitsarbeit: Moschee-Besichtigungen für Besuchsdelegationen, Bazar Abbildung 3-3: Dienstleistungsangebot Israelitische Gemeinde Basel Kultische Dienstleistungen Sabbat- und Feiertagsgottesdienste sowie tägliche Gottesdienste Religionsunterricht für Kinder und Jugendliche Betreuung des jüdischen Friedhofs Mikwa: Rituelles Reinigungsbad für Frauen Soziale Dienstleistungen Fürsorge: Materielle Hilfe an Bedürftige, finanzielle Unterstützung von Eltern, damit sie ihre Kinder in die jüdischen Schulen schicken können Angebote für Betagte: Betreuung von älteren oder einsamen Gemeindemitgliedern Kinder- und Jugendarbeit: Jugendbünde und Jugendzentrum mit der Realisierung von verschiedenen Projekten wie Theater, Events, Ausflüge und Reisen Kultur: Regelmässige Veranstaltungen und Kurse zu jüdischen Themen; Bereitstellung der Karger-Bibliothek; Synagogenchor Öffentlichkeitsarbeit: Führungen in der Synagoge Basel NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 47 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen 47 In folgenden Bereichen bieten die jüdischen Gemeinden in der Schweiz Dienstleistungen an, welche ihren Mitgliedern zugutekommen und mindestens teilweise den Staat entlasten: • Jüdische Friedhöfe: Sämtliche jüdischen Gemeinden besitzen einen eigenen Friedhof. Praktisch alle jüdischen Friedhöfe in der Schweiz sind private Friedhöfe. Die Gelände wurden entweder rechtmässig erworben oder es bestehen verlängerbare Konzessionen (vgl. SIG Factsheet «Jüdische Friedhöfe in der Schweiz»). Die jüdischen Gemeinden entlasten hier die öffentliche Hand, indem sie die vollen Kosten ihrer Friedhöfe übernehmen. Im Gegenzug erhalten sie die Freiheit, ihre Friedhöfe selber zu organisieren und gestalten. • Jüdische Schulen (insb. Vorschul-Kindergarten, Kindergarten, Schule): In mehreren jüdischen Gemeinden – Zürich, Genf, Basel und Lausanne – gibt es jüdische Schulen.26 So ist beispielsweise die jüdische Schule in Basel ein unabhängiger Verein, der von der IGB subventioniert wird; darüber hinaus muss die Schule aber weitere Mittel generieren. Die Schulen unterliegen der Gesetzgebung für private Schulen und unterstehen damit der Aufsichtspflicht des Staates. • Fürsorge-, Spende- und Stipendienwesen: Ausgeprägt ist in allen jüdischen Gemeinden auch das Fürsorge-, Spende- und Stipendienwesen verankert. Das Fürsorgewesen der jüdischen Gemeinden entlastet zumindest teilweise den Staat, da die Betroffenen teilweise lieber die Unterstützung der jüdischen Gemeinde in Anspruch nehmen als die staatliche Sozialhilfe. Über die Unterstützung einzelner Personen hinaus, werden viele Spenden an Spezialorganisationen gerichtet. Die Richtidee ist dabei, dass die jüdischen Glaubensangehörigen rund 10% ihres Einkommens (nach Abzug von Steuern und Mitgliederbeiträgen an die jüdische Gemeinde) spenden sollen. Die Spendefreudigkeit zeigt sich auch daran, dass es viele Stiftungen mit zweckgebundenen Spenden gibt. So existieren heute beispielsweise alleine in Basel rund 30–40 Stiftungen. • Ausgaben für Sicherheit: In den meisten jüdischen Gemeinden entstehen vergleichsweise hohe Ausgaben für Sicherheit. Diese werden von den jüdischen Gemeinden getragen, da die öffentliche Hand nicht für diese Ausgaben aufkommt. Hier erbringen die jüdischen Gemeinden eine Leistung, welche den Staat klar entlastet, in dessen Aufgabenbereich die Ge- 26 Siehe auch das SIG Factsheet «Schule und jüdische Religion». NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 48 48 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen währleistung der Sicherheit fällt. Die Ausgaben der Israelitischen Gemeinde Basel für Sicherheit betragen jährlich rund 200 000 CHF und machen damit 5 bis 10% des jährlichen Budgets der IGB aus. Für welche Dienstleistungsangebote wenden die Mitarbeitenden ihre Arbeitszeit auf? Abbildung 3-4 zeigt für die evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden und freikirchlichen Gemeinden auf, für welche Art von Dienstleistungen die Mitarbeitenden ihre Stellenprozente einsetzen. Zur Erbringung von kultischen und sozialen Dienstleistungen wird auch eine Reihe von unterstützenden Dienstleistungen benötigt (Sekretariat, Finanzen, etc.), diese bilden also eine dritte Kategorie von Dienstleistungen. In Abbildung 3-4 sind die Stellenprozente des gesamten bezahlten Personals berücksichtigt. Dabei wurden die Stellenprozente der verschiedenen Berufsgruppen folgendermassen zugeteilt: • Pfarrpersonen und sozialdiakonische Mitarbeitende: entsprechend den Angaben der Kirchgemeinden aufgeteilt auf kultisch und sozial • Katecheten: kultisch • Musiker: sozial • Sekretariat: unterstützend • Finanzverwaltung, Kassieramt: unterstützend • Sigrist- bzw. Mesmerdienst: unterstützend Insgesamt lässt sich feststellen, dass • der grösste Teil der bezahlten Arbeit bei allen Konfessionen im kultischen Bereich eingesetzt wird, dem traditionellen «Kerngeschäft» der Gemeinden. • die grossen Landeskirchen in den Kantonen Bern und St. Gallen gut einen Drittel ihrer personellen Ressourcen für unterstützende Dienstleistungen aufwenden. • für die sozialen Dienstleistungen rund ein Viertel bis ein Drittel – bei den Freikirchen etwas mehr – der bezahlten Arbeitszeit eingesetzt wird. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 49 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen 49 Im Detail zeigen sich folgende Besonderheiten: • Im Kanton Bern fällt auf, dass das Angebot der beiden Landeskirchen ausgesprochen ähnlich ist. Am meisten Stellenprozente werden für kultische Dienstleistungen eingesetzt (knapp 40%), daneben je rund ein Drittel für soziale und unterstützende Dienstleistungen. • Im Kanton St. Gallen haben beide Landeskirchen einen leicht höheren Anteil an kultischen Dienstleistungen als ihre Partnerkirchen im Kanton Bern. • Im Kanton Neuenburg zeigen sich grosse Unterschiede zwischen den Kirchgemeinden. Die evang.-ref. Kirchgemeinden verwenden fast 50% der Stellenprozente für kultische Dienstleistungen, eindeutig der höchste Anteil unter den Landeskirchen aller drei Kantone. Gerade das Gegenteil trifft zu für die röm.-kath. Pfarreien: sie setzen mit nur 35% im Vergleich am wenigsten Stellenprozente im kultischen Bereich ein. Dieses Ergebnis ist aufgrund der Datenlage jedoch nicht sehr verlässlich. • Die Freikirchen setzen in beiden Kantonen klar am wenigsten Stellenprozente für unterstützende Aufgaben ein. Der höhere Anteil im Kanton St. Gallen kommt einzig aufgrund eines Ausreissers – der grössten Freikirche im Kanton St. Gallen – zustande. Abbildung 3-4: Dienstleistungsangebot pro Kategorie nach Kanton und Konfession, in % der aufgewendeten Stellenprozente der bezahlten Mitarbeitenden kultisch evang.-ref. röm.-kath. evang.-ref. SG röm.-kath. NE evang.-ref. röm.-kath. SG BE freikirchlich freikirchlich 0 35% 49% 38 % 39% 39% 40% 43% 43% 47% 44% 38% 17% sozial unterstützend 27% 21% 32% 21% 29% nicht zugeteilt 30% 35% 23% 35% 19% 21% 8% BE 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 50 50 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen Die Pfarrpersonen sind in allen drei Konfessionen die grösste Berufsgruppe. Abbildung 3-5 zeigt deshalb detailliert, für welche Angebote die Pfarrpersonen ihre Stellenprozente einsetzen: • Die Pfarrpersonen in den evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden wenden zwischen 60 und 70% ihrer Arbeitszeit für kultische Dienstleistungen (links der gepunkteten Linie) auf, gut die Hälfte davon für Gottesdienste. • Die Pfarrpersonen der Freikirchen wenden im Vergleich mit ihren Berufskollegen bei den Landeskirchen mehr Zeit für soziale Dienstleistungen auf. Der Grund ist, dass die Pfarrpersonen als Gemeindeleiter öfter auch Aufgaben übernehmen, die in Landeskirchen durch spezialisiertes Personal wahrgenommen werden. Die Pfarrpersonen in den Landeskirchen können sich demgegenüber verstärkt auf die kultischen Dienstleistungen konzentrieren, während die sozialen Dienstleistungen von den Sozialarbeitenden übernommen werden. • Innerhalb des Angebots an kultischen Dienstleistungen ist die Gewichtung der Konfessionen unterschiedlich. Zwar wird in allen drei Konfessionen rund ein Drittel der Stellenprozente von Pfarrpersonen für Gottesdienste und Kasualhandlungen eingesetzt. Die Landeskirchen verwenden jedoch deutlich mehr Zeit für Religionsunterricht als die Freikirchen. In den röm.-kath. Kirchgemeinden hat die Seelsorge und Anderssprachigenseelsorge ein hohes Gewicht. • Bei den sozialen Dienstleistungen zeigen sich in der Aufteilung keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Konfessionen (rechts der gepunktteten Linie). NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 51 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen 51 Abbildung 3-5: Dienstleistungsangebot der Pfarrpersonen im Detail nach Kanton und Konfession, in % der aufgewendeten Stellenprozente Gottesdienste/Kasualhandlungen Seelsorge inkl. Anderssprachigenseels. Senioren, Betagte Weitere Dienstleistungen evang.-ref. röm.-kath. evang.-ref. SG röm.-kath. NE evang.-ref. röm.-kath. SG BE freikirchlich freikirchlich 0 10% 27 % 37% 34% 20% 30% 36% 29 % 35% 34% 47% 16% 13 % Religionsunterricht / Katechese / Unterweisung Kinder- und/oder Jugendarbeit Erwachsenenbildung (Vorträge, Kurse) BE 14 % 27% 17% 18% 8% 5% 19% 20% 18% 14% 20% 25% 27% 20% 80% 90% 100% 10% 11 % 6% 9% 5% 4% 6% 3% 29% 13% 13% 5% 5% 7% 3% 11% 4% 9% 8% 5% 16% 70% 5% 4% 13% 11% 10% 5% 50% 60% 40% Legende: Die gepunktete Linie markiert die Grenze zwischen kultischen und sozialen Dienstleistungen. Hinweis: Bei der Zuverlässigkeit der Daten gibt es aufgrund des unterschiedlichen Rücklaufs grosse Unterschiede. Bei den Freikirchen im Kanton St.Gallen sowie den röm.-kath. Kirchgemeinden im Kanton Neuenburg sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren. Für welche Dienstleistungsangebote wird die unbezahlte Arbeit eingesetzt? In Abbildung 3-6 ist ausgewertet, wie an unbezahlter Arbeit geleistete Stunden eingesetzt werden: • Über alle Konfessionen wird der Grossteil der unbezahlten Arbeit für soziale Dienstleistungen eingesetzt. • In den evang.-ref. Kirchgemeinden macht die ehrenamtliche Arbeit bis zu einem Drittel der unbezahlten Arbeit aus und beansprucht deutlich mehr Zeit als in den röm.-kath. Kirchgemeinden. Unter ehrenamtlicher Arbeit wird Behördentätigkeit verstanden. • Im Kanton Neuenburg zeigt sich ein anderes Muster als in den beiden Vergleichskantonen. Auch wenn die Daten für die röm.-kath. Pfarreien NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 52 52 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen nicht ausreichend sind für ein zuverlässiges Ergebnis, ist davon auszugehen, dass in beiden Konfessionen ein grösserer Anteil der unbezahlten Arbeit im kultischen Bereich erbracht wird als in den Vergleichskantonen (in den röm.-kath. Pfarreien wird bspw. die Katechese zu einem Grossteil von Freiwilligen übernommen). Dies dürfte auf die knappen finanziellen Mittel und die vergleichsweise wenigen bezahlten Stellen zurückzuführen sein. Bei den evang.-ref. Kirchgemeinden wird auch ein Teil der unterstützenden Aufgaben von Freiwilligen übernommen. • In den Freikirchen sind Freiwillige ebenfalls häufiger als in den Landeskirchen der Kantone Bern und St. Gallen auch im kultischen Bereich tätig. Bei den unterstützenden Dienstleistungen zeigt sich, dass diese Aufgaben in den Freikirchen häufiger von Freiwilligen übernommen werden. Abbildung 3-6: Angebot der freiwilligen und ehrenamtlich Mitarbeitenden nach Kategorien, in % der aufgewendeten Stunden kultisch BE evang.-ref. röm.-kath. SG 10% 11% 66% 74% 21% 46% 20% 23% 0 Legende: sozial 59% unterstützend ehrenamtlich 31% 77% 26% 12% evang.-ref. 8% röm.-kath. 9% NE evang.-ref. röm.-kath. SG BE freikirchlich freikirchlich 16% 6% 36% 72% 68% 24% 18% 5% 4% 5% 70% 80% 90% 100% 48 % 10% 20% 30% 40% 50% 60% Unter «ehrenamtlich» wird Behördentätigkeit verstanden. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 53 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen 53 3.2 Bewertung des Nutzens des Dienstleistungsangebots der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche Zur Erhebung der mit dem Dienstleistungsangebot verbundenen Nutzen wurde eine Befragung mit persönlichen Interviews bei insgesamt 374 zufällig ausgewählten Personen aus der Wohnbevölkerung des Kantons Bern sowie bei 152 Gottesdienstbesuchenden von evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden im Kanton Bern durchgeführt. Für die Quantifizierung der Nutzen wurde die Methode «Contingent Valuation» angewendet, welche mit ausgeklügelten Fragen die Zahlungsbereitschaft für die Dienstleistungen der beiden grossen Landeskirchen direkt ermittelt («stated preferences»-Ansatz). Mit der Anwendung dieser Methode im Zusammenhang mit Dienstleistungen von Religionsgemeinschaften wurde methodisch Neuland betreten. Die Befragung ist aufgrund des Stichprobenverfahrens für den Kanton Bern auf dem 90%-Niveau repräsentativ, nicht aber für die übrige Schweiz.27 Zur Einordnung der im Folgenden präsentierten Ergebnisse verweisen wir auf die konfessionelle Zusammensetzung im Kanton Bern. Gemäss der Volkszählung 2000 sind 83% der Bevölkerung Mitglied der evang.-ref. oder der röm.-kath. Kirche im Kanton Bern, in der Stichprobe «Bevölkerung» sind es 78% der Befragten. Von den insgesamt 22% Nichtmitgliedern in der Stichprobe «Bevölkerung» sind 6% Mitglieder von Freikirchen und 16% Konfessionslose oder Angehörige einer anderen Religion. Wie wird die Wichtigkeit von unterschiedlichen kirchlichen Angeboten beurteilt? Für die Beurteilung der Wichtigkeit wurden die befragten Personen gebeten, vorgegebene Dienstleistungskategorien in einer Skala von 1 (nicht wichtig) bis 5 (sehr wichtig) zu bewerten.28 Die Summe dieser Werte ergibt eine Kennzahl für die Beurteilung der Wichtigkeit der Angebote (vgl. Abbildung 3-7). 27 Eine detaillierte Beschreibung zum Design der Befragung und zur Stichprobenziehung ist im Arbeitspapier 4 enthalten. 28 Die Fragestellung liess bewusst sowohl rein persönliche Nutzenüberlegungen wie auch eine eher gesellschaftlich orientierte Bewertung zu. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 54 54 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen • Unterschiede zwischen der Bevölkerung und den Gottesdienstbesuchern – Es zeigt sich erwartungsgemäss, dass die Gottesdienstbesucher die Wichtigkeit der Angebote höher einschätzen als die Wohnbevölkerung. Insbesondere die kirchliche Unterweisung bzw. der Religionsunterricht wird von den Gottesdienstbesuchern als deutlich wichtiger eingeschätzt als in der Bevölkerung. • Unterschiede zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern in einer Landeskirche – Der Vergleich der Beurteilung der Wichtigkeit der Angebote zeigt, dass die Angehörigen von Freikirchen fast alle Angebote als wichtiger beurteilen als die Mitglieder der Landeskirchen, während die restliche Gruppe der Nichtmitglieder (Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften und Konfessionslose) diese erwartungsgemäss als weniger wichtig beurteilt. Die höhere Wertschätzung der Freikirchen-Mitglieder ist konsistent mit dem durchschnittlich stärkeren Engagement der Mitglieder im Vergleich zu den Landeskirchen (vgl. dazu die Auswertungen weiter vorne in diesem Bericht). – Bemerkenswert hohe Werte ergeben sich bei der Gruppe der Nichtmitglieder (Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften und Konfessionslose) für Seelsorge/Beratung und Angebote für sozial Schwache, welche als relativ wichtig eingestuft werden. Abbildung 3-7: Beurteilung der Wichtigkeit der Dienstleistungsangebote der Kirchen Die beiden Stichproben im Vergleich Stichprobe Bevölkerung Stichprobe Gottesdienstbesucher Gottesdienste u. Feiern im Lebenslauf Seelsorge und Beratung Kinder- und Jugendarbeit Sozial Schwache Senioren Kirchliche Unterweisung, Religionsu. Familien, Frauen, Männer Flüchtlinge und Migranten Mission, Entwicklungszus. Ökumene und interreligiöser Dialog Kulturelle Angebote Medienpräsenz 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Auswertung der Stichprobe Bevölkerung Mitglieder Landeskirchen (LK) Nichtmitglieder LK; Freikirchen Nichtmitglieder LK; Konfessionslose und andere Konfessionen Skala: 1 = nicht wichtig; 5 = sehr wichtig NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 55 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen 55 Wie gross ist die Zahlungsbereitschaft für das Dienstleistungsangebot der Kirchen? Die nach der «Contingent Valuation»-Methode («stated preferences»-Ansatz) durchgeführten Zahlungsbereitschaftsbefragungen zur Quantifizierung der mit dem kirchlichen Dienstleistungsangebot verbundenen Nutzen zeigen • grosse Unterschiede zwischen den beiden Stichproben «Bevölkerung» und «Gottesdienstbesucher» • eher geringe Unterschiede zwischen Mitgliedern der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche und Nichtmitgliedern. Gefragt wurde nach der jährlichen Zahlungsbereitschaft der Befragten für die Angebote der Landeskirchen für den hypothetischen Fall, dass es im Kanton Bern keine obligatorischen Kirchensteuern mehr geben würde. Das Spektrum der geäusserten Werte reicht von 0 bis 15 000 CHF. Abbildung 3-8 enthält Mittelwerte und Mediane der geäusserten jährlichen Zahlungsbereitschaften von Mitgliedern der Landeskirchen sowie derjenigen von Nichtmitgliedern (darunter Angehörige anderer Konfessionen und Konfessionslose; hingegen wurden die Mitglieder der Freikirchen in dieser Auswertung aus methodischen Gründen nicht berücksichtigt).29 Abbildung 3-8: Durchschnittliche Zahlungsbereitschaft für Dienstleistungen der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche, in CHF/a Mittelwert Sample Bevölkerung – Mitglieder evang.-ref. Kirche – Mitglieder röm.-kath. Kirche – Nichtmitglieder Sample Gottesdienstbesucher – Mitglieder evang.-ref. Kirche – Mitglieder röm.-kath. Kirche 536 606 553 467 1’360 1’397 1’312 Median 300 400 400 150 1’000 1’000 1‘000 29 Die Frage nach der Zahlungsbereitschaft wurde explizit auf das Dienstleistungsangebot der beiden grossen Landeskirchen bezogen. Die Verteilung der Antworten von Freikirchen-Mitgliedern weist jedoch darauf hin, dass sie die Frage teilweise in Bezug auf das Angebot der Freikirchen beantwortet haben. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 56 56 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen Sind die in der Bevölkerungsbefragung gefundenen Ergebnisse plausibel? Vergleichen wir die Ergebnisse der erfragten Zahlungsbereitschaft («stated preferences») im Kanton Bern z.B. mit den Steuererträgen im Kanton Neuenburg, wo faktisch die Zahlungsbereitschaft wegen der freiwilligen Kirchensteuer beobachtbar ist («revealed preferences»), entdecken wir beträchtliche Unterschiede: Die evangelisch-reformierten Personen im Kanton Neuenburg bezahlen durchschnittlich rund 85 CHF an Kirchensteuern pro Jahr ein. Diese Werte liegen mehrfach unterhalb der erfragten Zahlungsbereitschaft im Kanton Bern, wo der durchschnittliche Wert der Befragten bei 606 CHF und der Medianwert bei 400 CHF liegen. Der durchschnittliche bezahlte Betrag an Kirchensteuern durch die römischkatholische Bevölkerung im Kanton Neuenburg ist nochmals tiefer (bei rund 32 CHF). Wie erklären sich diese Unterschiede? Nachfolgend sind Gründe aufgeführt, welche den Unterschied erläutern und teilweise relativieren: • Die Angehörigen der Landeskirchen im Kanton Bern zahlen für ein anderes Angebot als die Neuenburger. Es gibt mehr kirchliche Angebote im Kanton Bern, und die Kirche ist in der öffentlichen Diskussion stärker vertreten. Daher ist es naheliegend, dass unterschiedliche Zahlungsbereitschaften in den beiden Kantonen existieren. • Rund die Hälfte der befragten Personen im Kanton Bern versteht die Angabe der Zahlungsbereitschaft im Verhältnis zum Einkommen aller Personen des Haushalts (Haushaltseinkommen), d. h. der Wert widerspiegelt die Zahlungsbereitschaft des gesamten Haushalts. • Weiter ist zu berücksichtigen, dass die durchschnittliche Bindung der Bevölkerung an die Landeskirche im Kanton Bern ausgeprägter ist als im Kanton Neuenburg. Diese Bindung wird dadurch unterstützt, dass sie institutionell verankert ist: Ist eine reformierte Person nicht mehr bereit, Kirchensteuern zu bezahlen, verliert sie im Kanton Bern ihre Mitgliedschaft. Dies gilt nicht für Neuenburg. Die Mitgliedschaft bleibt bestehen, unabhängig davon, ob die Person freiwillig Kirchensteuern bezahlt oder nicht. • Die erfragte Zahlungsbereitschaft im Kanton Bern drückt die heutige Situation aus. Im Fall eines Systemwechsels hin zu freiwilligen Kirchensteuern stellt sich die Frage, ob eine anfänglich hohe freiwillige Zahlungsbereitschaft nicht allmählich sinken würde. Weiter ist anzumerken, dass bei der Anwendung einer Zahlungsbereitschaftsanalyse gewisse systematische Fehler auftreten können, welche zur Überschätzung des Nutzens führen können (vgl. Arbeitspapier 4): • Eine mögliche potenzielle Verzerrung in der vorliegenden Analyse liegt darin, dass die geäusserte Zahlungsbereitschaft hypothetischer Natur ist und keine Kostenfolge hat. Dies ermöglicht die Nennung von finanziellen Beträgen, welche die Individuen in einer realen Entscheidungssituation allenfalls nicht zu zahlen bereit wären. • Eine weitere potenzielle Verzerrung betrifft den Selektionseffekt aufgrund der freiwilligen Teilnahme. Personen, die nicht an Religionsfragen interessiert sind, sind vermutlich weniger bereit, an der Befragung teilzunehmen. Daraus ergibt sich, dass die Befragten im Durchschnitt wohl ein stärkeres Interesse an Dienstleistungen von Religionsgemeinschaften haben. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 57 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen 57 Welche Faktoren beeinflussen die Zahlungsbereitschaft? In einem multivariaten ökonometrischen Modell zeigt sich, welche Faktoren die Zahlungsbereitschaft signifikant beeinflussen. Die geäusserte Zahlungsbereitschaft der befragten Personen ist – bei Konstanz aller übrigen Einflussfaktoren – signifikant höher, – je wichtiger sie die Angebote einstufen, – je breiter sie das Angebot an kirchlichen Dienstleistungen nutzen, – wenn sie regelmässig (d. h. mindestens einmal im Monat) eine Veranstaltung einer christlichen Kirche, Gemeinde oder Pfarrei besuchen, – wenn die Dienstleistungen der Kirche für Angehörige der befragten Person wichtig sind, – über je mehr Einkommen ihr Haushalt verfügt, – je älter die befragte Person ist. Die Schätzmodelle weisen einen Erklärungsgehalt zwischen 34 und 42% auf, d. h. die erwähnten Erklärungsfaktoren können einen bedeutenden Teil der Unterschiede in der Zahlungsbereitschaft erklären, während der Rest der Unterschiede auf persönliche Präferenzen zurückzuführen ist, die sich nicht aus den erwähnten Erklärungsfaktoren ergeben. Um zu prüfen, wie robust die Ergebnisse sind, wurden sowohl loglineare wie auch Box-Cox-Modelle angewendet. Beide Schätzvarianten sind stabil und bestätigen somit die Validität der Zahlungsbereitschaftsschätzung. Den grössten Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft hat das Einkommen. So führt ein um 10% erhöhtes Einkommen zu einer um 6.8% höheren Zahlungsbereitschaft. Wer das Angebot umfassender nutzt, ist auch bereit, mehr zu bezahlen: 10% breitere Nutzung erhöht die Zahlungsbereitschaft um 3 bis 4%. • Keinen signifikanten Einfluss auf die geäusserte Zahlungsbereitschaft haben das Geschlecht, die Anzahl der Personen im Haushalt, die Anzahl Kinder, die politische Einstellung sowie die städtische bzw. ländliche Herkunft. • Ebenfalls keinen signifikanten Einfluss hat die generelle Einstellung zur Kirche auf die geäusserte Zahlungsbereitschaft. Allerdings wird diese Variable überstrahlt von anderen signifikanten Variablen (regelmässige Kirchenbesuche, breite Nutzung des Angebots, Bereitschaft für ein breites Angebot zu bezahlen). NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 58 58 Teil II: Dienstleistungen und Nutzen • Ebenfalls keinen signifikanten Einfluss hat im Hauptmodell die Variable «Zugehörigkeit zu einer Landeskirche». Andere Variablen vermögen die Zahlungsbereitschaft besser abzubilden, wie z. B. die Variable «Regelmässiger Kirchenbesuch». In einer bivariaten Analyse ist diese Variable jedoch signifikant. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Ergebnisse plausibel sind: Grundsätzlich steigt die Zahlungsbereitschaft bei Nutzung und Wichtigkeit eines breiteren Angebots. Allerdings ist aus den erwähnten Gründen eher damit zu rechnen, dass die effektive Zahlungsbereitschaft überschätzt wurde. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 59 59 4 Teil III: Nutzen und Kosten im Vergleich Welcher Wert an sozialen Dienstleistungen steht den Kosten für die Öffentlichkeit gegenüber? Der folgende Vergleich wird nur für die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche in den Kantonen Bern und St. Gallen vorgenommen, da die Kirchgemeinden im Kanton Neuenburg und die Freikirchen keine Kosten für die Öffentlichkeit verursachen. Abbildung 4-1 illustriert die Vergleichsebene. Abbildung 4-1: Vergleich des Werts der sozialen Dienstleistungen der evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden mit den Kosten für die Öffentlichkeit Kosten Gesamte Finanzierung Dienstleistungen Dienstleistungsangebot Kultische Dienstleistungen Mitglieder Eigenfinanzierung Soziale Dienstleistungen Unterstützende Dienstleistungen Nutzen Gesamtgesellschaft Private Finanzierung Öffentliche Finanzierung Nichtmitglieder a) Kanton Bern Im Kanton Bern kosten die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche die Öffentlichkeit 105.8 Mio. CHF (2007, vgl. Abbildung 4-2). Darin inbegriffen sind, wie weiter oben ausgeführt wurde, die Übernahme der Pfarrsaläre aus dem ordentlichen Staatshaushalt des Kantons sowie die Kirchensteuern juristischer Personen. Um diesen Ausgaben der Öffentlichkeit den Wert der sozialen Dienstleistungen der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche im Kanton Bern gegenüberzustellen, wird das Total der Stellenprozente und der Stunden unbezahlter Arbeit geschätzt, die in allen evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden des Kantons Bern direkt für soziale Dienste und Angebote eingesetzt werden und gemäss dem Marktkostenansatz bewertet. Der Marktkostenansatz ist NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 60 60 Teil III: Nutzen und Kosten im Vergleich strenggenommen eine Methode zur Bewertung von unbezahlter Arbeit, welcher hier jedoch auch für die Bewertung der bezahlten Arbeit verwendet wird. Gemäss diesem Ansatz wird bewertet, wie viel die Erbringung bestimmter Leistungen auf dem Markt kosten würde, z. B. durch Sozialarbeitende beim Staat oder Drittorganisationen. Zu den sozialen Leistungen werden im Weiteren auch die finanziellen Beiträge gezählt, welche die Kirchgemeinden und die Kantonalkirchen an gemeinnützige und kulturelle Institutionen im In- und Ausland spenden. Auf diese Art berechnet entspricht das Total der sozialen Leistungen der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche mit 103.1 Mio. CHF näherungsweise den Kosten der Öffentlichkeit (vgl. Abbildung 4-2). In diesem Betrag noch nicht berücksichtigt sind: • Leistungen der Kirchgemeinden für den Unterhalt wichtiger Kulturdenkmäler (30 bis 35 Mio. CHF gemäss einer Motionsantwort des Regierungsrates des Kantons Bern an den Grossen Rat aus dem Jahre 2007) sowie die (direkt weitergeleiteten) Beträge aus den erhobenen Kollekten30 • Leistungen der gesamtkirchlichen Dienste der Kantonalkirchen, welche wichtige Grundlagen für die Erbringung sozialer Dienstleistungen in den Kirchgemeinden erarbeiten • Leistungen von regionalen kirchlichen Stellen, welche ebenfalls wichtige soziale Angebote wie bspw. Eheberatungsstellen umfassen • Leistungen im Rahmen der Spezialseelsorge (Gefängnis, Spital, Notfall, etc.)31 • Leistungen von Regionalstellen kirchlicher Hilfswerke 30 Landert (2000) beziffert die Kollekten auf 6 Mio. CHF. 31 Für die Spezialseelsorge bestehen aber grösstenteils Leistungsvereinbarungen mit separater Finanzierung. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 61 Teil III: Nutzen und Kosten im Vergleich 61 Abbildung 4-2: Hochrechnung der von den evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden und Kantonalkirchen im Kanton Bern erbrachten sozialen Dienstleistungen und Gegenüberstellung mit den Kosten für die Öffentlichkeit Soziale Dienstleistungen evang.-ref. röm.-kath. Marktkosten Wert in Mio. CHF evang.ref. 20.5 12.6 6.2 röm. kath. Total 3.8 2.7 0.9 24.3 15.3 7.1 VZ-Stellen davon für VZ-Stellen davon für pro VZ-Stelle Total soz. DL Total soz. DL und Jahr in CHF Pfarrpersonen Sozialdiak. Mitarbeitende Kirchenmusiker 397 115 62 128 105 62 78 25 9 24 23 9 160’000 120’000 100’000 pro Stunde in CHF 47 Stunden davon für Total soz. DL Unbezahlte Arbeit Beiträge an gemeinnützige Institutionen – von den Kirchgemeinden – von der Kantonalkirche Total Wert soz. DL Kosten der Öffentlichkeit 941’433 555’780 Stunden davon für Total soz DL 240’034 183’752 25.9 8.6 34.4 13.6 Mio. CHF 5.0 Mio. CHF 2.4 Mio. CHF 0.9 Mio. CHF 13.6 5.0 83.8 2.4 0.9 16.0 5.9 19.3 103.1 Kosten in Mio. CHF evang.ref. röm.kath. 11.2 12.1 Total 37.8 68.0 KS Jur. Personen Pfarrsaläre Total Kosten der Öffentlichkeit 26.6 55.9 82.5 23.3 105.8 Quellen: Eigene Erhebungen; Kosten: Basis 2007, Dienstleistungen: Basis 2008; Für die Marktkosten der unbezahlten Arbeit werden die durchschnittlichen Arbeitskosten pro geleistete Arbeitsstunde für institutionelle Freiwilligenarbeit (ausführende Tätigkeiten) verwendet, die das BFS für das Satellitenkonto Haushaltsproduktion anwendet, vgl. BFS (2007), Äquivalenzgruppen nach NOGA. Legende: VZ: Vollzeit; DL: Dienstleistung Vergleich mit der Studie Landert (2000) Landert (2000) beziffert den Umfang der gesellschaftlichen Leistungen der Reformierten Kirche Bern auf 190 Mio. CHF. Sein Ansatz ist jedoch methodisch ein ganz anderer: er summiert den gesamten Rechnungsaufwand der Kirchgemeinden in den Bereichen Diakonie, Beratung, Bildung und Kultur (dazu gehört bspw. auch der Kapitaldienst für Gebäude, welcher 28 Mio. CHF beträgt). In seiner Bewertung der unbezahlten Arbeit verwendet er zwar einen tieferen Kostensatz, er geht jedoch von einer um rund 20% höheren Stundenzahl aus. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 62 62 Teil III: Nutzen und Kosten im Vergleich b) Kanton St. Gallen Für den Kanton St. Gallen wurde, gestützt auf die oben beschriebene Methodik, ebenfalls eine Hochrechnung erstellt (vgl. Abbildung 4-3). Der Kanton St. Gallen kennt keine Kirchensteuern von juristischen Personen, er stellt den Kirchen jedoch einen Anteil der Gewinn- und Kapitalsteuern der Unternehmen für den innerkirchlichen Finanzausgleich zur Verfügung. Zudem unterstützt der Kanton ausgewählte Leistungen mit Subventionsbeiträgen. Die öffentliche Finanzierung beträgt im Kanton St. Gallen insgesamt 37.9 Mio. CHF. Demgegenüber steht ein Wert von sozialen Dienstleistungen von 57.4 Mio. CHF. Der positive «Saldo» für den Kanton St. Gallen ergibt sich aufgrund der grossen finanziellen Beteiligung der Mitglieder, welche im schweizweiten Vergleich eher hohe Kirchensteuern bezahlen und damit auch ein hohes Ausmass an sozialen Dienstleistungen ermöglichen. Abbildung 4-3: Hochrechnung der von den evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden und Kantonalkirchen im Kanton St.Gallen erbrachten sozialen Dienstleistungen und Gegenüberstellung mit den Kosten für die Öffentlichkeit Soziale Dienstleistungen evang.-ref. röm.-kath. Marktkosten Wert in Mio. CHF evang.ref. 4.9 2.9 2.5 röm. kath. Total 6.4 3.8 3.1 11.3 6.7 5.6 VZ-Stellen davon für VZ-Stellen davon für pro VZ-Stelle Total soz. DL Total soz. DL und Jahr in CHF Pfarrpersonen Sozialdiak. Mitarbeitende Kirchenmusiker 80 30 25 30 24 25 151 35 31 40 31 31 160000 120’000 100’000 pro Stunde in CHF 47 Stunden davon für Total soz. DL Unbezahlte Arbeit Beiträge an gemeinnützige Institutionen – von den Kirchgemeinden – von der Kantonalkirche Total Wert soz. DL Kosten der Öffentlichkeit 181’299 118’976 Stunden davon für Total soz DL 309’311 229’834 5.5 10.7 16.2 2.4 Mio. CHF 1.9 Mio. CHF 4.0 Mio. CHF 9.2 Mio. CHF 2.4 1.9 4.0 9.2 20.2 6.4 11.2 37.2 57.4 Kosten in Mio. CHF evang.ref. röm.kath. 20.6 6.5 27.2 Total 30.2 7.7 37.9 Anteil an Gewinn- und Kapitalsteuern von juristischen Personen Weitere Subventionsbeiträge Total Kosten der Öffentlichkeit 9.6 1.1 10.7 Quellen: Eigene Erhebungen; Kosten: Basis 2007, Dienstleistungen: Basis 2008; Marktkosten Unbezahlte Arbeit: BFS (2007), Äquivalenzgruppen nach NOGA. Legende: VZ: Vollzeit; DL: Dienstleistung NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 63 Teil III: Nutzen und Kosten im Vergleich 63 Wie verhalten sich Nutzen und Kosten des Dienstleistungsangebots der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche im Kanton Bern? a) Gesamtgesellschaftliche Betrachtung Wie Abbildung 4-4 illustriert, wird als nächster Vergleich der Nutzen aus dem gesamten Dienstleistungsangebot der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche – bewertet als aggregierte Zahlungsbereitschaften – den gesamten Kosten gegenübergestellt. Da die Zahlungsbereitschaftsbefragung nur für den Kanton Bern repräsentativ ist, kann diese Auswertung auch nur für den Kanton Bern vorgenommen werden. Abbildung 4-4: Vergleich des Nutzens aus dem Dienstleistungsangebot der evang.ref. und der röm.-kath. Kirche im Kanton Bern mit den gesamten Kosten Kosten Gesamte Finanzierung Dienstleistungen Dienstleistungangebot Nutzen Gesamtgesellschaft Private Finanzierung Mitglieder Eigenfinanzierung Öffentliche Finanzierung Nichtmitglieder Eine Hochrechnung der in der Stichprobe aus der Bevölkerung geäusserten Zahlungsbereitschaften ergibt eine Bandbreite des Gesamtnutzens des kirchlichen Dienstleistungsangebots von 196 Mio. CHF (Medianbetrachtung) bis 315 Mio. CHF (Mittelwertberechnung, vgl. Abbildung 4-6).32 Die Hochrechnung bezieht mit ein, ob die Befragten bei der Bestimmung der Zahlungsbereitschaft nur das eigene oder das Haushaltseinkommen berücksichtigt haben. Diesen Nutzen stehen die Gesamtkosten gegenüber, die näherungsweise den Gesamteinnahmen von insgesamt 325 Mio. CHF entsprechen. Die Gesamteinnahmen berechnen sich aus dem Total an Kirchensteuern natürli32 Aus der Sicht einer strikten Kosten-Nutzen-Analyse steht eine Mittelwertbetrachtung im Vordergrund. Jedoch wird in der Anwendung von Zahlungsbereitschaftsstudien häufiger die Medianbetrachtung gewählt, weil sie einerseits dem politökonomischen Medianwählerkonzept entspricht und andererseits generell eine vorsichtigere Einschätzung der Zahlungsbereitschaft wiedergibt. Häufig werden die beiden Betrachtungen als obere bzw. untere Bandbreite der Zahlungsbereitschaft verstanden. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 64 64 Teil III: Nutzen und Kosten im Vergleich cher Personen (private Finanzierung) und Kirchensteuern juristischer Personen (öffentliche Finanzierung), den Ausgaben des Kantons für die Übernahme der Pfarrsaläre (öffentliche Finanzierung) sowie einer Hochrechnung der übrigen Privat- und Eigenfinanzierung. Die Nutzen sind somit geringer als die Kosten, im Vergleich mit dem oberen Nutzenwert (Mittelwertbetrachtung) allerdings nur unwesentlich. Die Kirchen sind jedoch weit mehr als Dienstleistungsproduzenten. Zwar lässt sich dieses «mehr» nicht beziffern, der Mehrwert wird aber indirekt auch von der Bevölkerung anerkannt: Wie die Zahlungsbereitschaftsbefragung gezeigt hat, erachten rund 85% der Bevölkerung die Kirchen – sei es aus persönlichen oder gesellschaftlichen Gründen – als wichtig. b) Differenzierte Betrachtung nach Mitgliedern und Nichtmitgliedern Die Gesellschaft als Nutzniesserin unterteilt sich in Mitglieder und Nichtmitglieder der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche. Im Kanton Bern sind gemäss der Volkszählung 2000 rund 83% der Bevölkerung Mitglied der evang.ref. oder der röm.-kath. Kirche und demzufolge 17% Nichtmitglieder. Diese beiden Gruppen kommen für einen unterschiedlichen Anteil der Kosten auf: während beide entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil für die öffentliche Finanzierung in Form von Kirchensteuern juristischer Personen und den Ausgaben für die Übernahme der Pfarrsaläre aufkommen, tragen die Mitglieder zusätzlich die Kirchensteuern nat. Personen von insgesamt 187.5 Mio. CHF und die restliche Privat- bzw. Eigenfinanzierung (vgl. Abbildung 4-5). Abbildung 4-5: Vergleich des Nutzens aus dem Dienstleistungsangebot der evang.ref. und der röm.-kath. Kirche im Kanton Bern mit den gesamten Kosten, differenziert nach Mitgliedern und Nichtmitgliedern Kosten Gesamte Finanzierung Dienstleistungen Dienstleistungangebot Nutzen Gesamtgesellschaft Private Finanzierung Eigenfinanzierung } } Mitglieder Öffentliche Finanzierung Nichtmitglieder NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 65 Teil III: Nutzen und Kosten im Vergleich 65 Wie bereits erwähnt wurde, haben die Nichtmitglieder der evang.-ref. oder röm.-kath. Kirche in der Befragung eine ziemlich hohe Zahlungsbereitschaft ausgewiesen. Die aggregierte Zahlungsbereitschaft aller im Kanton Bern lebenden Nichtmitglieder liegt in einer Bandbreite von 14 bis 43 Mio. CHF (Median- bzw. Mittelwertberechnung). Diesen beträchtlichen Nutzen stehen Kosten von 17.8 Mio. CHF gegenüber. Für die Nichtmitglieder ist – auf der Basis einer fiktiv geäusserten Zahlungsbereitschaft – die Bilanz also tendenziell positiv. Die Mitglieder der beiden Landeskirchen andererseits beziffern ihre Nutzen aus dem Dienstleistungsangebot auf insgesamt 271.5 Mio. CHF (Mittelwertberechnung). Ihr Anteil an den Kosten liegt mit 306.8 Mio. CHF aber deutlich über diesem Betrag. Aus Sicht der Mitglieder sieht also die Bilanz auf den ersten Blick negativ aus. Gerade für die Mitglieder haben die Kirchen aber eine Bedeutung, die sich nicht mit dem Dienstleistungsangebot erschöpft, sondern darüber hinausgeht. Abbildung 4-6: Hochrechnung des Nutzens aus dem kirchlichen Dienstleistungsangebot und den Kosten für den Kanton Bern, in Mio. CHF/a (2008) Nutzen Basis: Median Mio. CHF Mitglieder evang.-ref. Kirche Mitglieder röm.-kath. Kirche Nichtmitglieder Total Kanton Bern Quellen: Nutzen Basis: Mittelwert Mio. CHF 222.9 48.6 43.2 314.7 Kosten Mio. CHF 245.0 61.8 17.8 324.7 147.1 35.1 13.9 196.1 Eigene Berechnungen und Erhebungen; BFS, Volkszählung 2000 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 66 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 67 67 5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Das Projekt FAKIR – es sei wiederholt und betont – hat nicht den Nutzen der Religion oder des Glaubens bewertet und auch nicht die Bedeutung der Religionsgemeinschaften als gesellschaftliche (u. a. wertestiftende) Institutionen beurteilt. FAKIR hat aber Bausteine zu einer ökonomischen Analyse der Finanzierung, des Dienstleistungsangebots sowie der damit verbundenen Nutzen für ausgewählte Religionsgemeinschaften in der Schweiz geliefert. Dabei wurden finanzwissenschaftliche und wohlfahrtsökonomische Konzepte beigezogen. Hervorzuheben sind folgende Beiträge: • Das Projekt FAKIR hat erstmals die Einnahmen der beiden grossen Landeskirchen in der ganzen Schweiz aus Kirchensteuern erhoben. • Mit der Zahlungsbereitschaftsstudie wurde die Contingent Valuation Methode erstmals zur Bewertung des Nutzens kirchlicher Dienstleistungen angewendet. Untersucht wurden die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche, Freikirchen VFG sowie Fallbeispiele für islamische und jüdische Gemeinschaften. Zur Finanzierung können für die beiden grossen Landeskirchen einige Resultate für die gesamte Schweiz vorgelegt werden, die übrigen Ergebnisse resultieren aus einer Befragung der Kirchgemeinden in den Kantonen Bern, St. Gallen und Neuenburg und der analysierten islamischen und jüdischen Fallbeispiele sowie aus einer Befragung im Kanton Bern. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassend wiedergegeben und gewürdigt. a) Finanzierung Die öffentliche Finanzierung der Kirchen in der Schweiz ist gesamthaft bedeutend, aber kantonal sehr unterschiedlich: Die öffentliche Finanzierung der evang.-ref. und der röm.-kath. Kirche durch die Kantone und Gemeinden über direkte Mittel der öffentlichen Hand und über öffentlich angeordnete Finanzierung beträgt insgesamt mindestens 556 Mio. CHF. Mit 264 Mio. CHF stammt etwas weniger als die Hälfte davon aus den Kirchensteuern juristischer Personen. Der Totalbetrag entspricht ungefähr 1.0% der Gesamtausgaben der Kantone. Im Vergleich dazu werden von den Kantonen z.B. für Kultur rund 2.6% und für Soziale Wohlfahrt 17.0% ausgegeben (Basis: 2007).33 33 BFS, Finanzstatistik 2007 NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 68 68 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Für die Kantone ist die Finanzierung der Kirchen ein relativ geringer Betrag, für die Kirchen ist die öffentliche Finanzierung insgesamt aber bedeutend. Die evang.-ref. Kirche profitiert von der öffentlichen Finanzierung in der Summe und pro Mitglied stärker als die röm.-kath. Kirche, da historisch reformierte Kantone mehr öffentliche Mittel zur Verfügung stellen (BE, ZH, VD). Die Mitglieder der beiden grossen Landeskirchen zahlen schweizweit Kirchensteuern von über einer Milliarde Franken: Die evang.-ref. und die röm.-kath. Kirche in der Schweiz haben im Jahr 2007 von ihren Mitgliedern knapp 1.3 Mrd. CHF Kirchensteuern natürlicher Personen erhoben. Die Unterschiede in den Kantonen sind dabei beträchtlich und lassen sich nur beschränkt mit der Finanzstärke dieser Kantone erklären, vielmehr scheinen unterschiedliche Traditionen bestimmend zu sein. So werden beispielsweise im Kanton St. Gallen, der im Ressourcenindex des Bundes im hinteren Mittelfeld liegt, in beiden Konfessionen verhältnismässig viel an Kirchensteuern bezahlt. Die private Finanzierung ist die hauptsächliche Finanzquelle in allen untersuchten Religionsgemeinschaften: Die Gemeinden aller untersuchten Konfessionen werden zur Hauptsache von ihren Mitgliedern finanziert.34 Während die private Finanzierung in den evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden und in der Israelitischen Gemeinde Basel über die Kirchensteuern natürlicher Personen erfolgt, handelt es sich bei den Freikirchen und den zwei untersuchten islamischen Gemeinschaften um Spenden und Mitgliederbeiträge. Der institutionelle Rahmen ist entscheidend für die Finanzsituation und die Zusammensetzung der Finanzierung: • Die finanzielle Situation der beiden grossen Landeskirchen ist stark vom geltenden institutionellen Rahmen abhängig. Wenn die Kirchensteuern natürlicher Personen nicht obligatorisch, sondern freiwillig sind, bezahlen die Mitglieder (zumindest in der langfristigen Entwicklung) deutlich weniger, wie sich in den Kantonen GE und NE zeigt. Insofern profitieren die Landeskirchen in den meisten Kantonen vom institutionellen Rahmen. • Je institutionalisierter eine Religionsgemeinschaft ist, desto stärker sind die Beiträge der Mitglieder formalisiert und desto geringer die Bedeutung von individuellen Spenden. 34 Diese Aussage würde nicht zutreffen für die evang.-ref. und röm.-kath. Kirchgemeinden in den Kantonen VD, VS und TI, wo keine bzw. nur in wenigen Gemeinden Kirchensteuern erhoben werden. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 69 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 69 Die unbezahlte Arbeit ist eine sehr wichtige Ressource: Die unbezahlte Arbeit stellt für alle Religionsgemeinschaften eine relevante Ressource dar. Die Landeskirchen als sogenannte Volkskirchen können zwar auf eine breite Mitgliederbasis zurückgreifen, diese umfasst aber auch viele wenig aktive Mitglieder. In den kleineren Religionsgemeinschaften ist deshalb das Engagement der Mitglieder im Durchschnitt über alle – aktiven und nichtaktiven – Mitglieder höher. So wird in den Freikirchen doppelt so viel an unbezahlter Arbeit geleistet wie an bezahlter Arbeit, während in den Kirchgemeinden das Volumen an unbezahlter Arbeit rund ein Viertel bis die Hälfte der bezahlten Arbeit ausmacht.35 b) Dienstleistungsangebot Soziale Dienstleistungen sind ein fester Bestandteil des Angebots von allen Religionsgemeinschaften: Soziale Dienstleistungen machen in allen untersuchten Religionsgemeinschaften – unabhängig von der Finanzlage – einen wesentlichen Bestandteil des Angebots aus. Dies entspricht auch dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften: Rund ein Viertel bis ein Drittel der Arbeitsleistung fliesst in die sozialen Dienstleistungen. Die Institutionalisierung fördert eine Professionalisierung: Die stärkere Institutionalisierung geht mit einer stärkeren Professionalisierung einher. In den Landeskirchen sind verschiedene Berufsgruppen tätig, die Mitarbeitenden sind deutlich spezialisierter als in den Freikirchen. Die Institutionalisierung ist kostspielig. Die stärkere Institutionalisierung der Landeskirchen ist auch mit höheren Kosten verbunden. • Sie verwenden einen deutlich grösseren Anteil ihres Stellenetats als die Freikirchen für administrative und unterstützende Tätigkeiten wie Sekretariat, Finanzverwaltung und Sigristdienst. Das dürfte zumindest teilweise mit den Anforderungen an eine öffentlich-rechtliche Institution zusammenhängen (bspw. im Bereich der Rechnungslegung). • Die ehrenamtlichen Tätigkeiten (Behörden) beanspruchen einen wesentlichen Anteil der geleisteten unbezahlten Arbeit – in der evang.-ref. Kirche mit ihrer ausgeprägt demokratischen Struktur rund ein Drittel der unbezahlt geleisteten Stunden. 35 Landert (2000) weist für die evang.-ref. Kirche des Kantons BE ein Verhältnis zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit von 1:1 aus. Dieses Ergebnis kommt deshalb zustande, weil Landert die staatlich entlöhnten Pfarrpersonen nicht berücksichtigt in seiner Berechnung. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 70 70 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen c) Nutzen Die Bevölkerungsbefragung zum Nutzen wurde nur im Kanton Bern durchgeführt und bezieht sich ausschliesslich auf das Angebot der christlichen Kirchen. Die folgenden Aussagen können somit nur für den Kanton Bern Geltung beanspruchen. Die Kirche ist für die Mehrheit der Befragten wichtig: Rund 60% der befragten Personen aus der Bevölkerung erachten die Kirche als «persönlich und gesellschaftlich wichtig», ein weiterer knapper Viertel der Befragten schätzt die Kirche als «nur gesellschaftlich wichtig» ein. Kultische Angebote sind wichtiger als soziale Dienstleitungen: Von der Bevölkerung werden die kultischen Angebote im Durchschnitt als wichtiger eingestuft als die sozialen Dienstleistungen der Kirche. Auch Nichtmitglieder deklarieren einen Nutzen aus dem kirchlichen Angebot: Die Nichtmitglieder der Landeskirchen (Konfessionslose, andere Religionszugehörigkeit, ohne Freikirchen) haben für das Dienstleistungsangebot der Kirchen eine nicht unerhebliche Zahlungsbereitschaft geäussert. Gottesdienstbesucher schöpfen einen grösseren Nutzen aus dem kirchlichen Angebot: Die Gottesdienstbesucher beider landeskirchlicher Konfessionen haben eine grössere Zahlungsbereitschaft als durchschnittliche Kirchenmitglieder aus der Bevölkerung. d) Nutzen und Kosten im Vergleich Zur Gegenüberstellung von Nutzen und Kosten wurden zwei Hochrechnungen vorgenommen. Die Zahlen lassen begrenzt Schlussfolgerungen zu und sind nicht für die gesamte Schweiz verallgemeinerbar: Der Wert der sozialen Dienstleistungen entspricht für die untersuchten Kantone ungefähr der öffentlichen Finanzierung der Landeskirchen: Der Wert der sozialen Dienstleistungen der beiden Landeskirchen erreicht selbst in einer konservativen Schätzung ungefähr die Grössenordnung der Kosten für die Öffentlichkeit, wie die Hochrechnungen für die Kantone Bern und St. Gallen zeigen. Für den Kanton Neuenburg, der mit Ausnahme geringfügiger Zahlungen im Rahmen von Leistungsverträgen den Kirchen keine Finanzmittel zur Verfügung stellt, ist die Bilanz auf jeden Fall positiv. Da die öffentliche Finanzierung im Kanton Bern vergleichsweise hoch ist, könnte die Hypothese gewagt werden, dass in den meisten Kantonen der Wert der sozialen Angebote höher liegt als der öffentliche Finanzierungsbeitrag – oder NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 71 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 71 anders gesagt: Es gibt keine Hinweise auf ein Ungleichgewicht von sozialer Leistung und öffentlichem Finanzierungsbeitrag, es lässt sich aber aufgrund unserer Fallbeispiele auch nicht sagen, die sozialen Dienstleistungen seien durchwegs wesentlich höher als die öffentlichen Beiträge. Die Nutzen aus dem Dienstleistungsangebot der Kirchen sind im Kanton Bern etwas geringer als ihre gesamten Kosten: Die aggregierte Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für das Dienstleistungsangebot der Kirchen (kultische und soziale Angebote) ist mit einer Bandbreite von 196 bis 315 Mio. CHF geringer als die Gesamtkosten von näherungsweise 325 Mio. CHF. Kirchen sind aber weit mehr als Dienstleistungsproduzenten. Da sich dieses «mehr» nicht beziffern lässt, kann der Gesamtnutzen der Kirchen als Institutionen nicht ermittelt werden. Der Mehrwert wird aber indirekt auch von der Bevölkerung anerkannt: Wie die Zahlungsbereitschaftsbefragung gezeigt hat, erachten rund 85% der Bevölkerung die Kirchen – sei es aus persönlichen oder gesellschaftlichen Gründen – als wichtig. Der Nutzen, den die Nichtmitglieder der Landeskirchen deklarieren, ist im Kanton Bern tendenziell höher als ihr Anteil an der öffentlichen Finanzierung. Die Nichtmitglieder, welche im Kanton Bern 17% der Bevölkerung ausmachen, schöpfen aus dem kirchlichen Dienstleistungsangebot einen Nutzen in der Bandbreite von 14 bis 43 Mio. CHF. Demgegenüber stehen Kosten von 18 Mio. CHF (17% an den Kirchensteuern juristischer Personen und den Ausgaben für die Übernahme der Pfarrgehälter aus dem Etat des Kantons). Es ist davon auszugehen, dass die Nichtmitglieder dem Dienstleistungsangebot nicht primär aufgrund ihres direkten Gebrauchsnutzens einen Wert beimessen – vielmehr dürften indirekte Nutzen von Bedeutung sein, so etwa die Bedeutung für Angehörige oder die Gesamtgesellschaft. e) Ökonomisch-finanzwissenschaftliche Beurteilung und weiterführende Fragen Aus einer ökonomischen Perspektive interessiert im Rahmen des Projekts FAKIR vor allem die Frage, ob die öffentliche Mitfinanzierung von Religionsgemeinschaften gerechtfertigt ist und nach anerkannten finanzwissenschaftlichen Prinzipien abläuft. Sind die drei soeben genannten Hauptergebnisse für diese Frage nützlich? NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 72 72 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 1. Die Nutzen aus dem Dienstleistungsangebot der Kirchen sind im Kanton Bern geringer als ihre gesamten Kosten. Aus diesem Befund allein lässt sich finanzwissenschaftlich nichts ableiten, denn der Vergleich mit den Gesamtkosten ist aus Sicht der Öffentlichkeit nicht direkt relevant, da diese überwiegend von den Mitgliedern finanziert werden.36 Im Weiteren «produzieren» die Kirchen wie erwähnt nicht nur Dienstleistungen, sie vermitteln auch Werte. Kirchen könnten aufgrund dieser Funktion gefördert werden, da auch die Wertestiftung als öffentliches Gut im weitesten Sinn verstanden werden kann, insbesondere gleichsam als Grundlage für ein freiheitlich-marktwirtschaftliches System.37 In der heutigen politischen Argumentation wird die öffentliche Finanzierung der Kirchen jedoch primär mit dem Leistungsangebot in den Bereichen Soziales, Bildung und Kultur begründet. 2. Der Nutzen, den die Nichtmitglieder der Landeskirchen deklarieren, ist im Kanton Bern tendenziell höher als ihr Anteil an der öffentlichen Finanzierung zugunsten der Landeskirchen. Dies kann als eine Art «Test des Äquivalenzprinzips» gesehen werden (hier stark vereinfacht im Sinn von: «nur wer profitiert, zahlt»). Wenn die Nichtmitglieder deutlich mehr zahlen müssten, als sie an Nutzen bekommen, wäre dies problematisch. Die ermittelte Bandbreite des Nutzens der Nicht-Mitglieder weist jedoch darauf hin, dass dies nicht der Fall ist. Der relativ grosse Nutzen der Nichtmitglieder ist ein Hinweis auf mögliche externe Effekte des Dienstleistungsangebots der Kirchen, was aus ökonomischer Sicht eine staatliche Mitfinanzierung rechtfertigen würde. 3. Die Bilanz von öffentlicher Finanzierung der Landeskirchen und dem Wert ihres sozialen Dienstleistungsangebots ist für die untersuchten Kantone ungefähr ausgeglichen. Die tendenziell positive Bilanz zeigt, dass die öffentliche Finanzierung durchaus als Entgelt für erbrachte Leistungen gerechtfertigt werden kann. Wenn das Angebot der Kirchen also politisch gewünscht ist, steht Leis36 Für eine Kosten-Nutzen-Analyse der öffentlichen Finanzierung müsste man Grenzkosten und Grenznutzen als Zusatzkosten und -nutzen eines schrittweisen Ausbaus resp. Abbaus untersuchen. 37 Diese Forderung wird oft mit dem Böckenförde-Diktum unterlegt: «Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.» Böckenförde (1976), Staat, Gesellschaft, Freiheit. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 73 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 73 tungsvereinbarungen aus ökonomischer Sicht nichts im Weg. In vielen Kantonen erhalten die Kirchen bereits heute staatliche Unterstützung aufgrund ihrer Dienstleistungen für die Gesamtgesellschaft (wie bspw. mit dem neuen Kirchengesetz in Zürich, Leistungsvereinbarung Kanton VD). Bei einer negativen Bilanz müsste man hingegen zum Schluss kommen, dass die öffentliche Finanzierung volkswirtschaftlich nicht sinnvoll ist (es sei denn, sie versteht sich wie oben erwähnt als Abgeltung für die Wertestiftung). In der öffentlichen Debatte werden die Ergebnisse 2 und 3 oft im Sinne der «gemeinnützigen Ausrichtung» der Kirchen verstanden, eines der in der Literatur erwähnten rechtlichen Anerkennungskriterien für Religionsgemeinschaften.38 Aus Sicht der meisten Religionsgemeinschaften steht ihr Angebot auch den Nichtmitgliedern resp. der Allgemeinheit zur Verfügung. Inwiefern die Angebote jedoch tatsächlich über die eigene Mitgliederbasis hinaus genutzt werden, kann heute nicht beantwortet werden. Hier könnten vertiefende Untersuchungen einen Beitrag leisten, sei es durch eine genauere Analyse der Nutzung (wer nutzt die Dienstleistungen?), sei es durch eine Zahlungsbereitschaftsbefragung für Leistungen anderer Religionsgemeinschaften. Nicht ausreichend für die Klärung der Gemeinnützigkeit erscheinen Sozialbilanzen, bei denen die Leistungen der Kirchen ausschliesslich an den Kosten gemessen werden. Die Anschlussfrage aus Sicht der Ökonomie zu den vorliegenden Ergebnissen lautet: Reicht es, wenn diese Bilanzen (2 und 3) nicht negativ ausfallen? Selbst wenn man die Fragen 2 und 3 positiv beurteilen kann, stellen sich aus Sicht einer effizienten Ausrichtung der Beiträge und der Einhaltung finanzwissenschaftlicher Prinzipien weitere Fragen, die FAKIR nicht näher untersucht hat, die aber als weiterführende Fragen aus der Sicht der Ökonomie kurz aufgeführt seien: • Alternativen: Könnten die öffentlichen Mittel bei einer anderen Verwendung allenfalls einen noch höheren Nutzen stiften, auch wenn die oben erwähnte Bilanz ausgeglichen oder leicht positiv ausfällt? Die Kirchenmitfinanzierung müsste im Sinne einer effizienten Allokation öffentlicher Mittel grundsätzlich dem Wettstreit um knappe öffentliche Ressourcen ausgesetzt werden. Es müsste somit hinterfragt werden, ob die fixe Zweckbindung von Einnahmen aus Kirchensteuern juristischer Personen, die 38 Cattacin et al. (2003), Staat und Religion in der Schweiz. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 74 74 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen damit auch weitgehend dem Budgetprozess der öffentlichen Hand entzogen werden, sinnvoll ist. • Wieso sollen gerade Religionsgemeinschaften für diese Aufgaben subventioniert werden und nicht auch andere mögliche Anbieter von sozialen Dienstleistungen? Und wenn Religionsgemeinschaften: wieso nur die Landeskirchen? Aus ökonomischer Sicht ist die privilegierte Stellung der Landeskirche nicht begründbar. Marktwirtschaftliche Konzepte würden einen offenen Wettbewerb nahelegen. • Sind die heutigen Finanzierungsinstrumente der öffentlichen Hand effizient? Die öffentliche Finanzierung, die in den meisten Fällen hauptsächlich über Kirchensteuern juristischer Personen erfolgt, müsste nach den Prinzipien der «optimalen Besteuerung» hinterfragt werden (z. B. bezüglich gesamtwirtschaftlichen Verzerrungen, Erhebungsaufwand, Verteilungsgerechtigkeit usw.). • Sind die heutigen Abgeltungsinstrumente richtig (teilweise pauschale Zahlungen, teilweise Zahlung, die mit wenig detaillierten Leistungsaufträgen verknüpft sind)? Hier sind in jüngster Zeit z. B. im Rahmen der Neuen Finanzausgleichsordnung (NFA) moderne Instrumente wie Leistungsvereinbarungen mit Globalbeiträgen, output- und wirkungsorientierte Abgeltungen oder wettbewerbliche Ausschreibungen von gewünschten Leistungen entwickelt worden, die auch für die Abgeltung der sozialen Leistungen der Religionsgemeinschaften in Betracht kämen. Es gibt verschiedene Pro- und Contra-Argumente zur heutigen Lösung: NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 75 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 75 PRO Wieso Zweckbindung, und nicht Wettbewerb von Alternativen? – Religionsgemeinschaften brauchen Kontinuität, um ihre Aufgabe erfüllen zu können. – Der Nutzen lässt sich nicht mit dem Nutzen anderer Staatsaufgaben vergleichen. CONTRA – Mit einer Zweckbindung wird eine effiziente Mittelzuordnung behindert und der Nutzen kann nicht optimiert werden. – Auch andere Aufgaben mit schwer bezifferbarem Nutzen müssen sich dem politischen Verteilkampf stellen. – Könnten andere Non-Profit-Organisationen das Finanzvolumen allenfalls effizienter einsetzen? – Die exklusive Zuweisung (und Abgeltung) dieser Aufgaben an die Kirchen bzw. an Religionsgemeinschaften steht im Widerspruch zum säkularen Staat. – Alle Religionsgemeinschaften erbringen soziale Dienstleistungen – eine finanzielle Bevorzugung der Landeskirchen ist nicht schlüssig. Wieso Religionsgemeinschaften? – Religionsgemeinschaften schaffen es, viele Freiwillige zu rekrutieren, welche als Multiplikator für die investierten Ressourcen wirken. – Religionsgemeinschaften produzieren nicht nur Dienstleistungen, sie vermitteln zusätzlich Werte. – Die Landeskirchen sind aufgrund ihrer flächendeckenden Strukturen und ihrer breiten Mitgliederbasis («Volkskirchen») besonders geeignet, diese Aufgaben (Wertevermittlung, Angebot von soz. Dienstleistungen) wahrzunehmen. – Die Kirchensteuern juristischer Personen sind leicht zu erheben und dank ihrer breiten Basis relativ gering und daher kaum marktverzerrend. – Die öffentlichen Mittel werden bereits zunehmend mit Leistungsaufträgen verknüpft. Wieso nur Landeskirchen? Ist die Finanzierung der öffentlichen Hand über Kirchensteuern juristischer Personen effizient? – Es werden nur juristische Personen getroffen, nicht aber andere Wirtschaftssubjekte (wie z.B. Personengesellschaften). – Pauschale Zahlungen ohne klaren Leistungsbezug (z.B. Defizitdeckung durch politische Gemeinden) sind ineffizient. Sind die heutigen Abgeltungsinstrumente aus ökonomischer Sicht effizient? NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 76 76 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die Liste der Argumente liesse sich bestimmt erweitern. Um die Beantwortung dieser Fragen muss letztlich in der Politik gerungen werden. Sie werden sich immer wieder stellen – sei es im Zusammenhang mit der Revision von Kirchengesetzgebungen oder aufgrund der Kirchensteuer juristischer Personen. Grundsätzlich ist für diese Debatten im Sinne einer faktenbasierten Politik – angesichts der komplexen kirchlichen und föderalen Strukturen – eine Transparenz über die Finanzströme und die Kosten und Nutzen in den verschiedenen Kantonen wünschenswert. Diese ist im Vergleich zu anderen Politikbereichen (z. B. Strassenrechnung, Finanzstatistik) nicht vorhanden, insbesondere weil nicht der Bund, sondern die Kantone für Fragen und Regelungen betreffend die Religionsgemeinschaften zuständig sind. Das Projekt FAKIR hat aber u.E. zur Strukturierung der Debatte und zu einer verbesserten Transparenz einen Beitrag geleistet – ebenso wie die Religionsgemeinschaften, die uns Datenmaterial zur Verfügung gestellt haben und die Befragten, welche die Nutzenbefragung ermöglicht haben. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 77 77 6 Anhang Abbildung 6-1: Zahlenmaterial zur evang.-ref. Kirche, nach Kantonen Kantone KS nat. Pers. KS jur. Pers. Übrige öff. Finanz. Total öff. Finanz. Mitglieder KS nat. Pers. pro Kopf [CHF] Total öff. Finanz. pro Kopf [CHF] [Mio. CHF] [Mio. CHF] [Mio. CHF] [Mio. CHF] [Anzahl] AG AI AR BE BL BS FR GE GL GR JU LU NE NW OW SG SH SO SZ TG TI UR VD VS ZG ZH Ø1 Ø2 Hinweis: 81.0 – – – 187’382 siehe AR 10.2 – 0.2 0.2 26’436 147.9 26.6 55.9 82.5 655’306 31.0 5.6 6.6 12.2 104’887 20.0 – 0.5 0.5 35’200 11.0 1.0 0.3 1.3 34’000 12.5 0.6 – 0.6 83’950 4.9 0.5 – 0.5 15’597 28.6 7.0 0.4 7.4 74’031 1.6 0.3 0.7 1.0 7’263 17.6 3.1 0.3 3.4 39’426 5.0 1.5 0.8 2.3 58’996 2.0 0.2 – 0.2 4’435 0.7 0.1 0.1 0.1 2’415 55.6 – 10.7 10.7 119’055 9.6 – 3.0 3.0 33’581 11.0 – 2.4 2.4 30’816 6.3 1.2 – 1.2 18’389 34.3 4.2 1.2 5.4 100’752 k. A. k. A. 0.2 0.2 17’730 0.6 0.1 0.2 0.3 1’768 – – 50.0 50.0 256’507 0.2 – 2.1 2.1 15’500 8.6 6.1 0.1 6.2 17’801 146.6 62.8 44.9 107.7 487’000 Basis: alle Kantone, die diese Finanzierungsart kennen Basis: alle Kantone (ausser TI) 432 385 226 296 567 324 149 311 387 221 447 85 448 308 467 287 356 341 341 360 – 11 484 301 300 268 – 6 126 116 14 38 7 35 99 140 86 40 45 48 90 91 76 67 53 12 175 195 134 345 221 134 125 Unter übriger öffentlicher Finanzierung wird im Kanton BE die Entlöhnung der Pfarrpersonen aufgeführt. Dabei handelt es sich um eine rechtliche Verpflichtung aufgrund der historischen Verstaatlichung von Kirchengut. Dasselbe traf 2007 noch für den Kanton ZH zu. Seit dem 1.1.2010 werden die staatlichen Leistungen an die Kirchen jedoch nicht mehr auf der Basis historischer Rechtstitel bezahlt, sondern als Kostenbeiträge für gesamtgesellschaftlich relevante Tätigkeiten in den Bereichen Soziales, Bildung und Kultur. Im Kanton VD beruht die öffentliche Finanzierung auf einer Leistungsvereinbarung. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 78 78 Anhang Abbildung 6-2: Zahlenmaterial zur röm.-kath. Kirche, nach Kantonen Kantone KS nat. Pers. KS jur. Pers. Übrige öff. Finanz. Total öff. Finanz. Mitglieder KS nat. Pers. pro Kopf [CHF] Total öff. Finanz. pro Kopf [CHF] [Mio. CHF] [Mio. CHF] [Mio. CHF] [Mio. CHF] [Anzahl] AG AI AR BE BL BS FR GE GL GR JU LU NE NW OW SG SH SO SZ TG TI UR VD VS ZG ZH Ø1 Ø2 Hinweis: 89.3 – – – 224’422 3.6 – – – 12’331 5.0 – 0.0 0.0 15’500 39.7 11.2 12.1 23.3 153’190 20.8 4.5 4.6 9.0 80’071 11.8 – 0.4 0.4 31’106 39.4 5.9 0.4 6.4 182’488 7.0 – – – 188’699 3.6 0.6 – 0.6 14’246 20.9 8.2 0.2 8.4 87’245 10.6 2.6 3.0 5.6 51’145 98.4 13.0 0.0 13.0 250’000 2.0 1.6 0.7 2.3 62’386 9.3 1.4 0.0 1.4 29’738 8.2 1.0 0.5 1.5 26’524 104.0 – 27.2 27.2 237’000 5.3 – 0.8 0.8 17’790 37.9 – 2.6 2.6 100’407 24.5 7.3 – 7.3 97’449 26.0 3.9 0.0 3.9 84’909 k. A. k. A. k. A. 7.3 1.3 0.0 1.3 30’200 – – 23.3 23.3 255’490 2.7 – 24.9 24.9 225’000 18.3 18.9 0.0 18.9 62’000 107.6 62.8 10.6 73.4 381’639 Basis: alle Kantone, die diese Finanzierungsart kennen Basis: alle Kantone (ausser TI) 398 292 323 259 260 381 216 37 254 240 207 393 32 313 307 439 300 377 252 306 243 – 12 295 282 266 242 – – 3 152 113 11 35 – 40 96 109 52 37 47 55 115 44 25 75 46 43 91 111 306 192 103 88 Unter übriger öffentlicher Finanzierung wird im Kanton BE die Entlöhnung der Pfarrpersonen aufgeführt. Dabei handelt es sich um eine rechtliche Verpflichtung aufgrund der historischen Verstaatlichung von Kirchengut. Im Kanton VD beruht die öffentliche Finanzierung auf einer Leistungsvereinbarung. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 79 79 7 7.1 Literatur Literaturverzeichnis Baumann Martin, Stolz Jürg (2007) Eine Schweiz – viele Religionen. Risiken und Chancen des Zusammenlebens. Bielefeld. Bruhn Manfred (Hrsg.) (1999) Ökumenische Basler Kirchenstudie. Basel. Cattacin Sandro, Famos Cla Reto, Duttwiler Michael, Mahnig Hans (2003) Staat und Religion in der Schweiz. Anerkennungskämpfe, Anerkennungsformen. Studie im Auftrag der Eidg. Kommission gegen Rassismus. Bern. Cavelti Urs Josef (1997) Kirchenfinanzierung im Widerstreit der Erwartungen und Interessen, in: A. Dubach / W. Lienemann (Hg.), Aussicht auf Zukunft. Auf der Suche nach der sozialen Gestalt der Kirche von morgen, 253–268. Zürich. Fachhochschule Nordwestschweiz (2007) Die freiwilligen sozialen Leistungen der Kirchen im Kanton Solothurn. Ergebnisse einer Befragung der Kirchgemeinden und kirchlichen Dienststellen im Kanton Solothurn. Studie im Auftrag der Solothurnischen Interkonfessionellen Konferenz (SIKO). Olten. Famos Cla Reto (1999) Die öffentlichrechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften im Lichte des Rechtsgleichheitsprinzips. Dissertation der Universität St. Gallen. Hafner Felix, Gremmelspacher Georg (2005) Beziehungen zwischen Staaten und Religionsgemeinschaften in der Schweiz. In: Buser Denise, Berger Natalie, Hafner Felix, Mund Claudia, Speiser Béatrice (Hrsg.), Menschenrechte konkret – Integration im Alltag. Basel, S. 67ff. Landert Charles (1995) Die sozialen und kulturellen Leistungen der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. Studie im Auftrag des Kirchenrates der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 80 80 Literaturverzeichnis Landert Charles (2000) Die Leistungen der Reformierten Kirchen Bern-Jura in Diakonie und Beratung, Bildung und Kultur. Pahud de Mortanges René (2002) Zur Anerkennung und Gleichbehandlung von Religionsgemeinschaften. In: Friederich Ueli, Pahud de Mortanges René, Winzeler Christoph, Campiche Roland J., Bericht der Expertengruppe «Religionsartikel», Bern, S. 31–46. Pahud de Mortanges René (2003) De la reconnaissance et de l’égalité de traitement des communautés religieuses in Cahier n° 4 de l’annuaire suisse de droit ecclésial, Peter Lang, Bern, 2003, S. 151–169. Schweizerisches Pastoralsoziologisches Institut (2007) Katholische Kirche in der Schweiz. Zahlen – Fakten – Entwicklungen 1996–2005. St.Gallen. SIG Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (2009) SIG Factsheet «Jüdische Friedhöfe in der Schweiz». SIG Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (2009) SIG Factsheet «Jüdische Gemeinde La Chaux-de-Fonds». SIG Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (2009) SIG Factsheet «Schule und jüdische Religion». Stolz Jürg (2006) Kirchen im Wettbewerb. Religiöse und säkulare Konkurrenz in der modernen Gesellschaft. In: Famos Cla Reto, Kunz Ralph (Hrsg.): Kirche und Marketing. Beiträge zu einer Verhältnisbestimmung. Zürich. 7.2 Weiterführende Literatur Ahearn Mary Clare, Boyle Kevin J., Hellerstein Daniel R. (2006) Designing a contingent valuation study to estimate the benefits of the conservation reserve program on grassland bird populations. In: Alberini Anna, Kahn James R. (Hrsg.). Handbook on Contingent Valuation, S. 204–231. Cheltenham. Arrow Kenneth et al. (1993) Report of the NOAA Panel on Contingent Valuation. Washington DC. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 81 Literaturverzeichnis 81 Bateman Ian et al. (2002) Economic Valuation with Stated Preference Techniques. A Manual. Cheltenham. Bentham Jeremy (1789) An introduction to the principles of morals and legislation. In: Burns J. H., Hart H. L. A. (Hrsg.), Oxford. Berrens Robert P., Bohara Alok K., Kerkvliet Joe (1997) A Randomized Response Approach to Dichotomous Choice Contingent Valuation. In: American Journal of Agricultural Economics, Vol. 79, No. 1, S. 252–266. Blankart Charles (2001) Öffentliche Finanzen in der Demokratie. Eine Einführung in die Finanzwissenschaft. München. Bowen Kurt (1999) Religion, Participatin and Charitable Giving: A Report. Studie im Auftrag von: Volunteer Canada and The Canadian Centre for Philanthropy. Canada. Boyle Kevin J. et al. (1996) Valuing Public Goods. Discrete Versus Continuous Contingent-Valuation Responses. In: Land Economics, Vol. 72, No. 3, S. 381–396. Boyle Kevin. J., Bishop Richard C., Welsh Michael P. (1985) Starting Point Bias in Contingent Valuation Bidding Games. In: Land Economics, Vol. 61, No. 2, S. 188–194. Brinitzer Ron (2003) Religion – eine institutionenökonomische Analyse. Würzburg. Brown Thomas, Champ Patricia, Bishop Richard, McCollum Daniel (1996) Which Response Format Reveals the Truth About Donations to a Public Good. In: Land Economics, Vol. 72, No. 2, S. 152–166. Bundesamt für Statistik BFS (1999) Unbezahlt – aber trotzdem Arbeit. Zeitaufwand für Haus- und Familienarbeit, Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und Nachbarschaftshilfe. Neuchâtel. Bundesamt für Statistik BFS (2002) Monetäre Bewertung der unbezahlten Arbeit. Eine empirische Analyse für die Schweiz anhand der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung. Neuchâtel. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 82 82 Literaturverzeichnis Carson Richard T. (1999) Contingent Valuation: A User’s Guide. University of California, Discussion Paper 99–26. San Diego. Carson Richard T. et al. (2003) Contingent Valuation and Lost Passive Use: Damages from the Exxon Valdez Oil Spill. In: Environmental and Resource Economics, Vol. 25, S. 257–286. Carson Richard T., Flores Nicholas E., Meade Norman F. (2001) Contingent Valuation: Controversies and Evidence. In: Environmental and Resource Economics, Vol. 19, S. 173–210. Cavelti Urs Josef (1954) Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften im schweizerischen Staatskirchenrecht, Freiburg. Cawley John (2006) Contingent Valuation Analysis of Willingness to Pay to Reduce Childhood Obesity. NBER Working Paper No. 12510. Cambridge. Ciriacy-Wandtrup Siegfried V. (1947) Capital returns from soil conservation practices. In: Journal of Farm Economics, Vol. 29, S. 1181–1196. Cooper Gregory (2006) Hypothetical preferences and environmental policy. In: Alberini Anna, Kahn James R. (Hrsg.). Handbook on Contingent Valuation, S. 116– 132. Cheltenham. Cummings Ronald G., Taylor Laura O. (1999) Unbiased Value Estimates for Environmental Goods: A Cheap Talk Design for the Contingent Valuation Method, In: The American Economic Review, Vol. 89, No. 3, S. 649–665. Evangelisch Reformierte Landeskirche des Kantons Zürich (2007) Kirchliche Dienste für Nichtmitglieder. Handreichung für kirchliche Behörden und Pfarrerinnen und Pfarrer. Famos Cla Reto (2005) Kirche zwischen Auftrag und Bedürfnis. Ein Beitrag zur ökonomischen Reflexionsperspektive in der Praktischen Theologie. Münster. Friedrich Ulrich (1994) Kirchengut und staatliche Pfarrbesoldungen. Gutachten zu historischen NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 83 Literaturverzeichnis 83 Rechtstiteln der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Bern. Bern, Stuttgart, Wien. Furseth Inger, Repstad Pal (2006) An Introduction to the Sociology of Religion. Classical and Contemporary Perspectives. Hants, Burlington. Gossen Hermann H. (1927) Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fliessenden Regeln für menschliches Handeln. Berlin. Güssow Caroline (2007) Die Ökonomie der Spende. Dissertation Nr. 3340 der Universität St. Gallen. Bamberg. Hackl Franz, Pruckner Gerald (2004) Wertschätzung der Ersten Hilfe: Eine ökonomische Analyse des Roten Kreuzes. Journal of Public Health, Vol 12(1), S. 50–60. Haddad Brent, Howarth Richard (2006) Protest bids, commensurability, and substitution: contingent valuation and ecological economics. In: Alberini Anna, Kahn James R. (Hrsg.). Handbook on Contingent Valuation, S. 133–152. Cheltenham. Hanemann W. Michael (1991) Willingness to Pay and Willingness to Accept: How Much Can They Differ? In: The American Economic Review, Vol. 81, No. 3, S. 635–647. Hansen Trine Bille (1997) The willingness-to pay for the Royal Theatre in Copenhagen as a public good. In: Journal of Cultural Economics, Vol. 21, S. 1–28. Helle Horst Jürgen (1997) Religionssoziologie. Entwicklung der Vorstellungen vom Heiligen. München. Hicks John (1939) Value and Capital. Oxford. Iannaccone Laurence R. (1998) Introduction to the Economics of Religion. In: Journal of Economic Literature, Vol. 36, S. 1465–1495. Johnson Rebecca L., Bregenzer Stewart N., Shelby Bo (1990) Contingent Valuation Question Formats. Dichotomous Choice Versus NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 84 84 Literaturverzeichnis Open-Ended Responses. In: Johnson R. L., Johnson G. V., (Hrsg.). Economic Valuation of Natural Resources. Issues, Theory, and Applications. Colorado/Oxford, S. 193–203. Kahnemann Daniel, Wakker Peter P., Sarin Rakesh (1997) Back to Bentham? Explorations of Experienced Utility. In: The Quarterly Journal of Economics, Vol. 112, No. 2, S. 375–405. Kealy Mary J., Turner Robert W. (1993) A Test of the Equality of Close-Ended and Open-Ended Contingent Valuations. In: American Journal of Agricultural Economics, Vol. 75, No. 2, S. 321–331. Kopp Raymond J. (1992) Why Existence Value «Should» Be Used in Cost-Benefit Analysis. In: Journal of Policy Analysis and Management, Vol. 11, No. 1, S.123–130. Kosch Daniel (2007) Demokratisch – solidarisch – unternehmerisch. Organisation, Finanzierung und Management in der katholischen Kirche in der Schweiz. Zürich, Basel, Genf. Kosch Daniel (2008) Kirchliche Gebühren für «Nichtmitglieder»? Praxisbezogene Überlegungen. In: Kraus Dieter et al. (Hrsg.): Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 2007. Band 12. Bern u. a. Kraus Dieter (1993) Schweizerisches Staatskirchenrecht. Hauptlinien des Verhältnisses von Staat und Kirche auf eidgenössischer und kantonaler Ebene. Tübingen. Krutilla John V. (1967) Conservation Reconsidered. In: American Economic Review, Vol. 57, S. 777–786. Kunz Ralph (2006) Grenzen der Vermarktung – Marketing zwischen Ökonomisierung und Gemeindeaufbau. In: Famos Cla Reto, Kunz Ralph (Hrsg.): Kirche und Marketing. Beiträge zu einer Verhältnisbestimmung. Zürich. Landert Charles (2001) Kasualhandlungen im Lichte der Statistik. Eine Analyse der Nutzung von Kasualhandlungen in den reformierten Kirchen der Schweiz. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 85 Literaturverzeichnis 85 Levin Jeffrey (1994) Religion and Health: is there an association, is it valid, and is it causal? In: Social Science and Medicine, Vol. 38, No. 11, S.1475–1482. Lienemann Wolfgang (1989) Die Finanzen der Kirche. Studien zu Struktur, Geschichte und Legitimation kirchlicher Ökonomie. München. Lübbe Hermann (2004) Religion nach der Aufklärung. München. Martin Fernand (1994) Determining the Size of Museum Subsidies. In: Journal of Cultural Economics, Vol. 18, S. 255–270. Meier Stephan (2004) An Economic Analysis of Pro-Social Behaviour. Decisions to Contribute Money and Time to Public Goods. Dissertation der Universität Zürich. Zürich. Mitchell Robert C., Carson Richard T. (1989) Using Surveys to Value Public Goods: The Contingent Valuation Method. Washington, DC. Mühlenkamp Holger (1994) Kosten-Nutzen-Analyse. München. Münzel Guido (2004) Sozialberichterstattung Schweiz – Bericht zur Freiwilligenarbeit in der Schweiz. Herausgeber: Bundesamt für Statistik. Neuchâtel. Nagin Daniel S., Piquero Alex R., Scott Elizabeth S., Steinberg Laurence (2006) Public Preferences for Rehabilitation versus Incarceration of Juvenile Offenders: Evidence from a Contingent Valuation Survey. In: Criminology & Public Policy Vol. 5, No.4, S. 627–651. Noonan Douglas S. (2003) Contingent Valuation and Cultural Resources: A Meta-Analytic Review of the Literature. In: Journal of Cultural Economics, Vol. 27, S.159–176. Pahud de Mortanges René (2003) Kantonale Verfassungsrevision und Religionsrecht in der Westschweiz. In: P. Hänni (Hrsg.), Mensch und Staat – L’homme et l’Etat, Freiburg, S. 147–160. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 86 86 Literaturverzeichnis Pareto Vilfredo (1909) Manuel d'Économie Politique. Paris. Petersen Thomas (1996) Individuelle Freiheit und allgemeiner Wille: Buchanans politische Ökonomie und politische Philosophie. Tübingen. Priller Eckhard, Sommerfeld Jana (2005) Wer spendet in Deutschland? Eine sozialstrukturelle Analyse. Berlin. Prouteau Lionel, Wolff François-Charles (2008) On the relational motive for volunteer work. In: Journal of Economic Psychology, Vol. 29, S. 314–335. Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn (2005) Richtlinien für die Gebühren bei kirchlichen Trauungen und Bestattungen von Personen, die den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn nicht angehören oder nicht angehört haben. Reformierte Landeskirche Aargau (2007) Kirchliche Angebote und Handlungen für Nichtmitglieder. Leitlinien und Empfehlungen des Kirchenrates. Regierungsrat des Kantons Schwyz (2004) Abgeltungen von Leistungen staatskirchenrechtlicher Einrichtungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bericht an den Kantonsrat. Robbins Lionel (1932) An Essay on the Nature and Significance of Economic Science. London. Römisch-katholischer Kirchenrat des Kantons Aargau (2007) Kirchliche Dienste für Nichtmitglieder. In: Handbuch der Kirchenpflege. Rosenthal Donald H., Nelson R. (1992) Why Existence Value Should «Not» Be Used in Cost-Benefit Analysis. In: Journal of Policy Analysis and Management, Vol. 11, No. 1, S. 116–122. Samuelson Paul A., Nordhaus William D. (1998) Volkswirtschaftslehre. Wien. Santagata Walter, Signorello Giovanni (2000) Contingent Valuation of a Cultural Public Good and Policy Design: The Case of «Napoli Musei Aperti». In: Journal of Cultural Economics, Vol. 24, No. 3, S. 181–204. NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 87 Literaturverzeichnis 87 Schläpfer Felix, Zweifel Peter (2008) Nutzenmessung bei öffentlichen Gütern: Konzeptionelle und empirische Probleme in der Praxis. In: Wirtschaftsdienst, Vol. 88, Nr. 3, S. 210–216. Schlicht Ekkehart (1995) Economic Analysis and Organized Religion. In: Jones Eric, Reynolds Vernon (Hrsg.): Survival and Religion. Chichester, New York, Brisbane, S. 111–162. Schmid Hans (2007) Kirchen im Wettbewerb – Kirchen mit Zukunft. Praktische Überlegungen eines Aussenseiters. Wien. Schmidtchen Dieter (2000) Ökonomik der Religion. Economic Series No. 0003. Saarbrücken. Schwab Christe Nathalie G., Soguel Nils (Hrsg.) (1995) Contingent Valuation, Transport Safety and the Value of Life. Studies in Risk and Uncertainty. Dordrecht. Schwab Christe Nathalie G., Soguel Nils C. (1996) The Pain of Road-Accident Victims and the Bereavement of Their Relatives: A Contingent-Valuation Experiment. In: Journal of Risk and Uncertainty, Vol. 13, No. 3, S. 277–291. Soguel Nils (1996) Contingent Valuation of Traffic Noise Reduction Benefits. Swiss Journal of Economics and Statistics, Vol. 127, S. 109–123. Soguel Nils, van Griethuysen Pascal (2003) Cost of Illnes and Contingent Valuation: Controlling for the Motivations of Expressed Preferences in an Attempt to Avoid Double-Counting. In: Economie publique: études et recherches, No. 12, 2003/1. Söllner Fritz (1999) Die Geschichte des ökonomischen Denkens. Berlin, Heidelberg. Streiff Stefan (2008) Kirchenfinanzen in der pluralistischen Gesellschaft. Die Einnahmen reformierter Kirchen in der Schweiz aus theologischer Perspektive. Zürich. Stückelberger Christoph (2006) Ethische, ekklesiologische und ökonomische Herausforderungen der diakonischen Arbeit in der Schweiz. In: Sigrist Christoph (Hrsg.): Diakonie NFP_58_FAKIR_Inh 8.11.2010 9:03 Uhr Seite 88 88 Literaturverzeichnis und Ökonomie. Orientierungen im Europa des Wandels, Beiträge zu Theologie, Ethik und Kirche, Bd. 1. Zürch, S. 185–302. Taylor Laura O. (2006) Experimental methods for the testing and design of contingent valuation. In: Alberini Anna, Kahn James R. (Hrsg.). Handbook on Contingent Valuation, S. 177–203. Cheltenham. Thompson Eric, Berger Mark, Blomquist Glenn, Allen Steven (2002) Valuing the arts: a contingent valuation approach. In: Journal of Cultural Economics, Vol. 26, S. 87–113. Venkatachalam L. (2004) The contingent valuation method: a review. In: Environmental Impact Assessment Review, Vol. 24, S. 89–124. Wallis Joe L. (1991) Church Ministry and the Free Rider Problem. In: American Journal of Economics and Sociology, Vol. 50, No. 2, S. 183–196 Whitehead John C. (2006) A practitioner’s primer on the contingent valuation method. In: Alberini Anna, Kahn James R. (Hrsg.). Handbook on Contingent Valuation, S. 66–91. Cheltenham. Zaleski Peter, Zech Charles (1995) The Optimal Size of a Religious Congregation: An Economic Theory of Clubs Analysis. In: American Journal of Economics and Sociology, Vol. 54, No. 4, S. 439–453.