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(file: @@FD-2-2011.pdf@@)Freidenker-Vereinigung der Schweiz 2 I 2011 „Epikur ist mir lieber. Die Seele, was immer das ist, ist nicht unkörperlich. Und daher zerfällt sie bei unserem Tod – ebenso wie unser Körper – in jene unteilbaren Partikel, die Atome. Es gibt da kein Fortleben unserer Ich-Seelen und mit dem Tod ist unser Leben eben zu Ende.” Max Frisch (1911–1991) Seite 6 Endlich herrenlos? Seite 3 Was schuldet der Staat der Seele? Seite 4 EGMR: Kruzifix ist wirkungslos! Seite 5 Weder Kirchen- noch Mandatssteuer Seite 7 Pränataldiagnostik aus ethischer Sicht Seite 10 Wissen und praktische Klugheit Seite 11 denkfest Festival der Wissenschaft Seite 13 FWeiterbildung RitualbegleitungD 2 I Inhalt Weiterbildung Ritualbegleitung ........................ 2 Delegiertenversammlung 2011 .......................... 3 Reta Caspar Ni dieu ni maître! ............................................... 3 Seelsorge für alle – auf Kosten der Allgemeinheit? ........................ 4 Weiterbildung Ritualbegleitung Samstag, 28. Mai 2011 Hotel Amaris, beim Bahnhof Olten 10–13 Uhr „Trennung, Trauer und weltlicher Trost” Workshop mit EGMR: Kruzifix ist wirkungslos! ......................... 5 Valentin Abgottspon Walliser Kruzifixstreit ......................................... 5 Max Frisch Ohne Kirche – keine Hölle .................................. 6 Daniel Stricker Weder Kirchen- noch Mandatssteuer ................ 7 International Humanismus – eine gottlose Konfession? ........ 8 Michael Schmidt-Salomon Sieg über Bischof Müller ..................................... 9 Ethik-Debatte GBS-Ethikkommission empfiehlt Zulassung der PID ............................................. 10 Benjamin R. Barber Wissen und praktische Klugheit ...................... 11 Frei gedacht Adriano Mannino über Tierethik .................... 12 In den Kantonen .............................................. 12 denkfest 2011 ................................................... 13 FVS-Arbeitsgruppen ........................................ 14 Aus den Sektionen ........................................... 15 Wir gratulieren ................................................. 15 Agenda ............................................................. 15 Adressen ........................................................... 16 Gudrun Orlet Sterbe- und Trauerbegleiterin Autorin von „Die Wurzeln beginnen zu blühen – Zeitgemäße Gedanken zum Tod“ 2. Auflage 2011 14–16 Uhr „Weltliche Hochzeit” Zwei Fallbesprechungen mit Reta Caspar Christian Grichting Kosten inkl. Mittagessen: CHF 130 Anmeldung durch Einzahlung auf Postkonto 84-4452-6 Freidenker-Vereinigung der Schweiz Vermerk: „Weiterbildung 2011” IBAN: CH7909000000840044526 Kontakt info@frei-denken.ch oder 031 371 65 67 Es hat 12 Plätze, Anmeldungen von aktiven RitualbegleiterInnen haben Vorrang. Impressum Herausgeberin: Freidenker-Vereinigung der Schweiz Geschäftsstelle Postfach 3001 Bern 031 371 65 67 www.frei-denken.ch Erscheinungsweise: vierteljährlich Redaktionsschluss: 10. des Vormonats Auflage: 2200 Redaktion: Reta Caspar redaktion@frei-denken.ch Jahresabonnement: Schweiz: Fr. 30.–, Ausland: Fr. 35.– (B-Post) Zweitabonnement für Mitglieder aus der Romandie und dem Tessin: Fr. 10.– Probeabonnement: 2 Nummern gratis Korrektorat: Petra Meyer www.korrektorium.ch Druck und Spedition: Printoset Flurstrasse 93 8047 Zürich www.printoset.ch ISSN 1662-9043 96. Jahrgang Namentlich gekennzeichnete Beiträge können, aber müssen nicht mit der Ansicht der Redaktion übereinstimmen. Gottlos glücklich – der Button zur Kampagne Die deutschen Kollegen haben in Fortsetzung der Buskampagne einen Button kreiert. Durchmesser: 2 cm, Farbe: Pink auf Weiss. Er kann mit frankiertem Retourcouvert und beigelegten CHF 5 in Briefmarken bestellt werden bei: Freidenkervereinigung der Schweiz Postfach 3001 Bern frei denken. 2 I 2011 Editorial I 3 ng ammlu envers telle. chäftss legiert VS-De29. Mai 2011pril 2011 an die Ges F ag, A Sonnt bitte bis 15. e Anträg „Ni dieu ni maître !” Die Ereignisse der letzten Woche in Nordafrika haben niemanden kalt gelassen. Wir waren beeindruckt von der Kraft des Aufstandes dieser vorwiegend jungen Menschen gegen die Herrschaft in ihren Ländern. Frauen waren überall zuvorderst mit dabei, mit und ohne Kopftuch. Aber auch wenn religiöse Symbole sichtbar waren und manche während der Demonstrationen auch öffentlich ihre Gebete verrichtet haben – sie haben nicht im Namen einer Religion gekämpft, sondern für die Freiheit, für einen Rechtsstaat und dafür, ihre eigene Zukunft und die ihres Landes gestalten zu können! Was für eine positive Überraschung, dass in Ägypten und Tunesien der „youth bulge”, der Jugendüberschuss, nicht – wie seit Jahren befürchtet – in Bürgerkrieg, Völkermord, Imperialismus und Terrorismus ausgeartet ist, sondern in den ernsthaften, friedlichen, politischen Umsturz der Landesdespoten – auch entgegen den Beschwörungen der mit den Regimes verbandelten Religionsführer. Doch diese Bewegungen werden sich bewähren müssen. Sie wurden namhaft von Frauen unterstützt, Frauen, die ebenfalls Freiheit und Selbstbestimmung wollen. Frauen haben in allen Revolutionen eine grosse Rolle gespielt – nur leider hat sich allzu oft nach der Überwindung der alten Herrschaft eine neue, oder vielmehr noch ältere wieder etabliert: die Herrschaft der Männer über die Frauen. Werden uns die arabischen Völker noch einmal überraschen, indem sie die Frauen nicht wieder zurückdrängen, sondern ihnen die Freiheit zugestehen und den gebührenden Platz in den Regierungen überlassen? Und dann auf der anderen Seite des Globus: Millionen von Menschen, die angesichts von Naturkatastrophen und technischen Supergaus nicht mit ihrem Schicksal hadern, sondern Ruhe bewahren und für ihre Familien sorgen. Kaum ein Bericht von europäischen JournalistInnen, der nicht erstaunt auf diese Gelassenheit hinweist. Sie ist Ausdruck einer Kultur, in der Menschen nicht auf einen Heiland hoffen, sondern auf ihre Kräfte vertrauen, einer Kultur, die weder göttliche Strafe noch Apokalypse kennt und deshalb keine Energie darauf verschwendet, nach einem übernatürlichen Grund zu fragen. Und wir erinnern uns an die Menschen von Haiti vor einem Jahr und an ihre religiöse Deutung und daraus resultierende Passivität. Diese Ereignisse zeigen, dass die Gottesfrage im praktischen Leben der Menschen in schwierigen Situationen keine bestimmende Rolle spielen muss, sondern im Gegenteil Kräfte binden kann, welche die Menschen zum Wiederaufbau benötigen. Reta Caspar Delegierte und Gäste: Willkommen an der Delegiertenversammlung 2011 Sonntag, 29. Mai 2011 9:30–16:00 Uhr Bahnhofbuffet, Perron 4 in Olten Nach den statutarischen Geschäften und dem Lunch (CHF 30) 14:00 Referat Andrea Rota Religionswissenschaftler Uni Bayreuth, vormals Uni Fribourg präsentiert Ergebnisse der NFP 58-Studie zum Thema „Religionsunterricht zwischen Staat und Religionsgemeinschaften” Religionsunterricht an der öffentlichen Schule steht zwischen den unterschiedlichen Interessen von Religionsgemeinschaften und Staat. Das Projekt untersucht verschiedene Modelle innerhalb und ausserhalb der öffentlichen Schule. Wie werden die Religionsgemeinschaften beteiligt und welche Regelungsmöglichkeiten hat der Staat? Anmeldung und Auskünfte Geschäftsstelle FVS 031 371 65 67 (zeitweise Beantworter) oder info@frei-denken.ch frei denken. 2 I 2011 4 Seelsorge für alle – auf Kosten der Allgemeinheit? In der Reihe „Freiburger Veröffentlichungen zum Religionsrecht” ist 2008 eine Masterarbeit zum Thema Spitalseelsorge erschienen, die eine Bestandesaufnahme 1 angesichts der religiösen Pluralisierung sein will. Status quo Der Autor unterscheidet vier Typen von Regelungen in den Kantonen: Individualrechtliche Regelungen: ZH, LU, OW, NW, SO, BS, SH, SG, AG, TG, TI, VS, GE Gesundheitsrechtliche Regelungen: BE, AR, AI Staatskirchenrechtliche Regelungen: GL, FR, BL Keine Regelung: NE,UR*, SZ, ZG, GR, VD, JU * finanziert aus allgemeinen Steuermitteln – ohne rechtliche Grundlage. Bewertung des Autors Aus grundrechtlicher Sicht überzeugen Kissling einzig Regelungen, die ein individuelles Recht auf Seelsorge anerkennen und solche, die den Spitälern einen Leistungsauftrag erteilen. In zehn Kantonen seien deshalb die Regelungen im Lichte der Religionsfreiheit bzw. des Diskriminierungsverbots mangelhaft. Fürsorgepflicht des Staates? Der Autor wendet einen nicht unbestrittenen Diskriminierungsbegriff an, wenn er davon ausgeht, dass der Staat gegenüber einer hospitalisierten Person eine besondere Schutzpflicht hinsichtlich ihrer seelsorgerischen Betreuung habe und eine faktische Diskriminierung von Minderheitsreligionen verhindern müsse, welche die Mittel nicht hätten, eine seelsorgerische Betreuung zu garantieren. Im Gegensatz zu einer Erziehungs-, Haft- oder Verwahrungsanstalt, wo die Person auf richterlichen Beschluss hin festgehalten wird und keine Möglichkeit hat, allfällige seelsorgerische Bedürfnisse zu befriedigen, sind Patienten aus eigenem Willen im Spital und können Seelsorger jederzeit im Rahmen des allgemeinen Besuchsrechts ihre Tätigkeit wahrnehmen. Eine jederzeitige Erreichbarkeit von Seelsorgern aller Religionen würde zu einem grotesken Ausbau der Spitalseelsorge führen. Finanzierung durch die Allgemeinheit? Gewagt erscheinen auch die Erwägungen des Autors zur Legitimität der Finanzierung seelsorgerischer Angebote durch die Krankenkasse resp. durch allgemeine Staatssteuern. Mit Verweis auf ein über 40 Jahre altes BGer-Urteil geht er davon aus, dass „die Freiheit von unzumutbaren Kultussteuern durchaus nicht zum Kernbereich der Religionsfreiheit gehört“. „Die Möglichkeit besteht, im Falle einer Kollision zwischen dem Verbot unzumutbarer Kultussteuern einerseits und dem Recht auf freie Religionsausübung und der staatlichen Schutz- und Fürsorgepflicht andererseits die verschiedenen Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen. Die positive Glaubensfreiheit und die Kultusfreiheit stellen zweifellos zentralere Aspekte der Religionsfreiheit dar als die individuelle Freiheit von Kultussteuern, die anderen Glaubensgemeinschaften zugutekommen“ (S. 90). Dass die Spitalseelsorge nicht über die Krankenkasse abgerechnet werden kann, könne sich rechtsungleich auswirken, indem Atheisten insofern bevorzugt würden, weil sie in Spitälern auf Kosten der Krankenkasse jederzeit psychologische Hilfe beanspruchen könnten. Deshalb schlägt er als mögliche Lösung vor, die Spitalseelsorge auf Bundesebene in den Kriterienkatalog für die Zulassung von Spitälern als Leistungserbringer aufzunehmen, damit alle Personen seelsorgerliche Betreuung im eigenen Glauben beanspruchen können. Dies müsse „ausdrücklich geschehen, denn die seelsorgerliche Betreuung wird wohl kaum den allgemeinen Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit medizinischer Leistungen (Art. 32 Abs. 1 KVG) genügen können“. Der Autor spricht sich denn auch gegen die Deregulierung aus und für die Legiferierung des Bundes, bevor die Parteipolitik sich des Themas annehme. Es gilt also aufmerksam zu sein in Zukunft, ob in gesundheitspolitischen Paketen nicht öffentlich finanzierte Seelsorge verpackt wird! Psychologischer Dienst statt Armeeseelsorge! Wie alle staatlichen Institutionen, in denen Menschen in besondere psychische Situationen kommen, braucht auch die Armee nicht in erster Linie Seelsorger, sondern einen psychologischen Dienst, der für die Dienstleistenden da ist, wenn sie bei persönlichen oder dienstlichen Problemen das Gespräch suchen. Das gilt für die Armee genauso wie für Gefängnisse oder Spitäler. Menschen brauchen ein offenes Ohr und fachliche Hilfe. Für spezifische religiöse Fragen sollten sie von den Verantwortlichen ihrer Religionsgemeinschaft betreut werden. Bildung statt Religion in den Gefängnissen! 2 In der Pressemitteilung des NFP 58 steht: „Die Häftlinge nähmen diese nicht in Anspruch, weil sie hier religiöse Kompetenz vorfänden, sondern weil dies der einzige Weg sei, der Zelle und dem oftmals angespannten und gewalttätigen Gefängnisalltag entkommen zu können.“ Es geht also auch hier nicht primär um religiöse Bedürfnisse, sondern um soziale, menschliche – die Antwort sollte also keine religiöse sein, sondern eine humanistische. Reta Caspar 1 Kissling Christian: Spitalseelsorge und Recht in der Schweiz. Eine Bestandesaufnahme angesichts der religiösen Pluralisierung. Schulthess Verlag; 2008 2 Religiöse Vielfalt in Schweizer Gefängnissen, www.nfp58.ch frei denken. 2 I 2011 † 5 Valentin Abgottspon Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Kruzifix ist wirkungslos! Walliser Kruzifixstreit Das Gericht hat am 18. März 2011 das einstimmige Urteil der kleinen Kammer von 2009 umgestossen und entschieden, dass sich nicht beweisen lasse, dass ein Kruzifix an der Wand eines Klassenzimmers einen Einfluss auf die Schüler habe, auch wenn es in erster Linie als religiöses Symbol zu betrachten sei. Ein lediglich an der Wand angebrachtes Kruzifix könne nicht mit einem didaktischen Vortrag oder mit der Teilnahme an religiösen Aktivitäten verglichen werden. Weiter kam das Gericht zum Schluss, dass sich die Entscheidung der italienischen Behörden, die Kruzifixe in den Klassenzimmern zu belassen, in den Grenzen jenes Beurteilungsspielraums bewege, der den europäischen Staaten in solchen Traditionsfragen zustehe. Ein Urteil zu Lasten der negativen Religionsfreiheit, zu Lasten der Nicht-Christen also und zugunsten der tradtionsverhafteten Regionen. Der Entschied fiel – unter beispiellosem politischem Druck katholisch dominierter Staaten – mit 15 zu 2 Stimmen; anderer Meinung waren nur der Richter aus der Schweiz und die Richterin aus Bulgarien. In der Schweiz hat das Bundesgericht 1990 entschieden, dass sich das Kruzifix im Schulzimmer nicht mit der gebotenen Neutralität des Staates verträgt. Gemäss Tobias Jaag, Professor für Staats- und Völkerrecht an der Universität Zürich, gilt das Strassburger Urteil nicht unmittelbar für die Schweiz, da sie das entsprechende Zusatzabkommen nicht ratifiziert habe. Er erwartet, dass das Bundesgericht bei seiner Rechtsprechung bleiben wird. rc FVS-Pressemitteilung vom 21.2.2011 In frei denken. 1/2011 haben wir eine Übersicht über den Fall Stalden publiziert. Im Folgenden berichtet Valentin Abgottspon über die Entwicklungen seit dem 20.12.2010. Auch im Dezember 2010 berichteten Medien vereinzelt weiter über meinen Fall. Positive Rückmeldungen wie auch wieder haufenweise Schmähbriefe erhielt ich aufgrund der Teilnahme im „Club“des Schweizer Fernsehens zum Thema „Glauben Sie an Gott?“, welcher am 28. Dezember 2010 ausgestrahlt wurde. Auf meinem persönlichen Blog (www.abgott.ch/misc) habe ich inzwischen viele der Briefe zugänglich gemacht. Sie reichen von gut gemeinten Ratschlägen über Beschimpfungen bis zu Aufforderungen, Suizid zu begehen. 23.1.2011 Gutachten ergibt: Entlassung unbegründet, Unterrichtsgesetz verfassungswidrig Seit 23. Januar 2011 liegt das Gutachten zum Fall Stalden vor. Prof. Schefer, Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel, legt darin klar und in einer auch für den juristischen Laien verständlichen Sprache dar, dass es für eine Entlassung im vorliegenden Fall keinen Grund gab, ja dass Teile des Walliser Unterrichtsgesetzes verfassungswidrig sind und einige Praktiken an den staatlichen Schulen im Wallis ebenso. Das Gutachten spricht sich nicht nur über den konkreten Fall aus, sondern beschäftigt sich auch grundsätzlich mit dem Thema „Religion und Kirche“ an öffentlichen Schulen sowie der Meinungsäusserungs-, und der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Laut Gutachten bestand meinerseits keine Verletzung der Sorgfaltspflicht oder Illoyalität. 3.2.2011 Kantonsgericht weist Beschwerde ab Am Kantonsgericht war es anschliessend, zu entscheiden, ob der Entzug der aufschiebenden Wirkung meiner Beschwerde rechtens war. Dafür nahm sich das Gericht fast drei Monate Zeit und kam dann zum Schluss, die aufschiebende Wirkung hätte eigentlich gar nicht erst entzogen werden müssen, da ohnehin nur ein Recht auf eine materielle Entschädigung bestehe. Mein Anwalt und ich entschieden daraufhin, diese Frage nicht gesondert vor das Bundesgericht zu tragen, weil die Erfolgsaussichten unklar sind und der eigentliche Entscheid weiter hinausgeschoben würde. 16.3.2011 Postulat „Hände weg von meinem Kruzifix!“ Im Februar haben Vertreter der SVP Wallis im Grossen Rat (Legislative des Kantons Wallis) ein Postulat eingebracht. Es wird darin unter anderem die Frage gestellt: „Haben wir in einem christlichen Land überhaupt noch das Recht, uns offen zu unserer christlichen Tradition zu bekennen?“ Zudem wird auf das Unterrichtsgesetz verwiesen, laut dem die Schule „den Schüler auf seine Aufgabe als Mensch und Christ“ vorzubereiten habe. Das Postulat stellt fest, dass es sich beim Kruzifix um ein Symbol „der Religion unserer Väter“ handle. (Anderswo wurde ja wiederholt versucht, das Kruzifix und Kreuz als kulturelles Symbol darzustellen, das für aufklärerische, demokratische Werte stehe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Fall Italien diese Darstellung abgelehnt.) Das Postulat schliesst: >> Seite 14 Keine Zwangsabgaben für nichtstaatliche Organisationen! Weder Kirchen- noch Mandatssteuer! Die FVS ist gegen jegliche Zwangsabgaben an nichtstaatliche Organisationen. Mandatssteuern bedeuten – gleich wie die Kirchensteuern – eine Privilegierung von einigen wenigen Organisationen. Religiöse Gemeinschaften sollen sich als privatrechtliche Vereine über Mitgliederbeiträge und Spenden finanzieren – wie alle anderen Gruppierungen der Zivilgesellschaft auch. Wo der Staat soziale Aufgaben zu erfüllen hat, soll er sie selber erbringen oder an Private auslagern. Dies kann er mittels Leistungsvereinbarungen und über das ordentliche Budget tun. Menschen tun Gutes – ohne Zwang! Die breite Palette von Vereinen und Stiftungen in der Schweiz ist der Beweis dafür, dass die Menschen soziales Bewusstsein haben, viele Stunden ehrenamtlich arbeiten, Mitgliederbeiträge zahlen und Projekte mit Spenden unterstützen. Sie müssen nicht dazu gezwungen werden. Mythos „Kirche = Gemeinnützigkeit” Dass die „Landeskirchen” als Einzige Gutes tun – und das für alle und erst noch gratis – ist ein Mythos. „Landeskirchen” finanzieren sich heute nicht nur über die Kirchensteuern ihrer Mitglieder, sondern in den meisten Kantonen auch über eine Kirchensteuer für juristische Personen sowie über allgemeine Staatsbeiträge an Pfarrerlöhne, soziale Projekte und den Unterhalt der Liegenschaften. In den letzten Jahren verlangen zudem immer mehr Kirchgemeinden von Nichtmitgliedern Gebühren für ihre Leistungen. Last but not least sind die „Landeskirchen” seit jeher durch die Steuerbefreiung privilegiert. frei denken. 2 I 2011 6 Fragen Max Frisch stellte in seinen Tagebüchern Fragebögen zusammen, einen davon zum Thema Tod: 1. Haben Sie Angst vor dem Tod, und seit welchem Lebensjahr? 2. Was tun Sie dagegen? 3. Haben Sie keine Angst vor dem Tod (weil Sie materialistisch denken, weil Sie nicht materialistisch denken), aber Angst vor dem Sterben? 4. Möchten Sie unsterblich sein? 5. Haben Sie schon einmal gemeint, dass Sie sterben, und was ist Ihnen dabei eingefallen: a. was Sie hinterlassen? b. die Weltlage? c. eine Landschaft? d. dass alles eitel war? e. was ohne Sie nie zustandekommen wird? f. die Unordnung in den Schubladen? 6. Wovor haben Sie mehr Angst: dass Sie auf dem Totenbett jemanden beschimpfen könnten, der es nicht verdient, oder dass Sie allen verzeihen, die es nicht verdienen? 7. Wenn wieder ein Bekannter gestorben ist: Überrascht es Sie, wie selbstverständlich es Ihnen ist, dass die andern sterben? Und wenn nicht: Haben Sie dann das Gefühl, dass er Ihnen etwas voraushat, oder fühlen Sie sich überlegen? 8. Möchten Sie wissen, wie Sterben ist? 9. Wenn Sie sich unter bestimmten Umständen schon einmal den Tod gewünscht haben und wenn es nicht dazu gekommen ist: Finden Sie dann, dass Sie sich geirrt haben, d. h. schätzen Sie infolgedessen die Umstände anders ein? 10. Wem gönnen Sie manchmal Ihren eigenen Tod? 11. Wenn Sie gerade keine Angst haben vor dem Sterben: weil Ihnen dieses Leben gerade lästig ist oder weil Sie gerade den Augenblick geniessen? 12. Was stört Sie an Begräbnissen? 13. Wenn Sie jemand bemitleidet oder gehasst haben und zur Kenntnis nehmen, dass er verstorben ist: Was machen Sie mit Ihrem bisherigen Hass auf seine Person beziehungsweise mit Ihrem Mitleid? 14. Haben Sie Freunde unter den Toten? 15. Wenn Sie einen toten Menschen sehen: Haben Sie dann den Eindruck, dass Sie diesen Menschen gekannt haben? 16. Haben Sie schon Tote geküsst? 17. Wenn Sie nicht allgemein an Tod denken, sondern an Ihren persönlichen Tod: Sind Sie jeweils erschüttert, d. h. tun Sie sich selbst leid oder denken Sie an Personen, die Ihnen nach Ihrem Hinschied leidtun? 18. Möchten Sie lieber mit Bewusstsein sterben oder überrascht werden von einem fallenden Ziegel, von einem Herzschlag, von einer Explosion usw.? 19. Wissen Sie, wo Sie begraben sein möchten? 20. Wenn der Atem aussetzt und der Arzt es bestätigt: Sind Sie sicher, dass man in diesem Augenblick keine Träume mehr hat? 21. Welche Qualen ziehen Sie dem Tod vor? 22. Wenn Sie an ein Reich der Toten (Hades) glauben: Beruhigt Sie die Vorstellung, dass wir uns alle wiedersehen auf Ewigkeit, oder haben Sie deshalb Angst vor dem Tod? 23. Können Sie sich ein leichtes Sterben denken? 24. Wenn Sie jemanden lieben: Warum möchten Sie nicht der überlebende Teil sein, sondern das Leid dem andern überlassen? 25. Wieso weinen die Sterbenden nie? Max Frisch (1911–1991) „Ohne Kirche – keine Hölle” 1 Die Trauerfeier für Max Frisch in der Pfarrkirche St. Peter zu Zürich kann man immer noch im Internet hören.2 Frisch starb 1991 kurz vor seinem 80. Geburtstag. Er hatte seine Trauerfeier selber bestimmt: Zu Beginn verlas Karin Pilliod, seine Lebensgefährtin, seine Erklärung vor. Darin heisst es unter anderem: „Das Wort lassen wir den Nächsten und ohne Amen. Ich danke den Pfarrherren von St. Peter in Zürich (...) für die Genehmigung, dass während unserer Trauerfeier der Sarg in der Kirche sich befindet. Die Asche wird verstreut irgendwo.“ Anschliessend sprachen seine Freunde Peter Bichsel und Michel Seigner. Keine grossen Worte, das hatte sich Frisch verbeten, sondern Eindrücke und Erinnerungen von Menschen, die ihm nahe gestanden sind. Frisch war Mitglied der reformierten Kirche gewesen, aber er hat dieser mit seinen Wünschen für die Trauerfeier Probleme bereitet. Er hat sie ausgeladen und mit dem Wunsch, der Sarg sollte in der Kirche aufgebahrt werden, ein Tabu bei den Reformierten gebrochen. Die Lösung: Die Reformierten vermieteten die Kirche an die Familien – es war also keine reformierte Trauerfeier. Religiöse wollen hinter dem Ort der Feier gerne ein letztes Stück Ehrfurcht vor dem Erhabenen sehen und 2007 schrieb Jürgen Habermas in einem Artikel in der NZZ: „Damals habe ich die Veranstaltung nicht für merkwürdig gehalten. Aber deren Form, Ort und Verlauf sind merkwürdig. Max Frisch – ein Agnostiker, der jedes Glaubensbekenntnis verweigerte – hat offenbar die Peinlichkeit nichtreligiöser Bestattungsformen empfunden und durch die Wahl des Ortes öffentlich die Tatsache dokumentiert, dass die aufgeklärte Moderne kein angemessenes Äquivalent für eine religiöse Bewältigung des letzten, eine Lebensgeschichte abschliessenden rite de passage gefunden hat. Man kann diese Geste als Ausdruck der Melancholie angesichts eines unwiederbringlich Verlorenen verstehen. Man kann die Veranstaltung aber auch als ein paradoxes Ereignis ansehen, das uns etwas über die säkulare Vernunft sagt: Diese ist über das Opake ihres nur scheinbar geklärten Verhältnisses zur Religion beunruhigt.“3 Naheliegender ist jedoch, dass Frisch ganz selbstverständlich davon ausging, dass die Kirchen unser aller Erbe sind. Wir können sie als architektonische Strukturen weiter nutzen, können sie aus ihren konfessionellen Fesseln lösen, sie als freie BürgerInnen selbstbestimmt mieten. Man kann also – im Gegensatz zu Habermas – die Trauerfeier für Max Frisch sehr wohl als gelungenes Beispiel für eine nichtreligiöse, humanistische Abschiedsfeier sehen – eine humanistische rite de passage! Reta Caspar 1 Wird Max Frisch zugeschrieben. Quelle nicht verifiziert. 2 www.drs1.ch/www/de/drs1/67877.abschied-von-max-frisch.html 3 www.nzz.ch/2007/02/10/li/articleEVB7X.html frei denken. 2 I 2011 7 Daniel Stricker Weder Kirchen- noch Mandatssteuer Generalvikar Martin Grichting hat dem Sonntagsblick mitgeteilt, dass er die Kirchensteuer abschaffen will. Das tönt im ersten Moment nach einer netten Idee. Doch Freidenker haben von den Trojanern gelernt und sind entsprechend skeptisch. Nicht erst seit dem Ablasshandel sind die Kirchen für ihre Innovationskraft in Sachen Mittelbeschaffung bekannt. Und genau diese milliardenschwere Institution will plötzlich freiwillig auf Geld verzichten? Schnell zeigt sich: Weder tut sie das freiwillig, noch verzichtet sie auf Geld. Im Gegenteil. Tatsache ist: Den „Landeskirchen“ laufen die Mitglieder davon. Immer mehr Menschen, die in eine „Landeskirche“ hineingeboren wurden, genügt es nicht mehr, dass ihre Kirche sich auf Gott beruft, sondern sie erwarten einen echten Gegenwert. Und diesen Gegenwert können immer weniger Menschen erkennen. Stattdessen sind die faulen Früchte unverkennbar: Kindsmissbrauch,Diskriminierung von Schwulen, Unterdrückung der Frauen, Rückwärtsgewandtheit. Das gipfelt in der Anmassung, immer alles besser zu wissen und den Menschen bis ins Schlafzimmer hinein Verbote aufzuerlegen. Der Mitgliederschwund dauert seit Jahrzehnten an und scheint unumkehrbar. Die Kirchen sind die Zigarettenindustrie von morgen.Und genau wie die Zigarettenindustrie agieren auch die Kirchen aggressiv, um ihre Einnahmen zu sichern. Doch die Kirchen beseitigen die ihr immanenten Missstände genauso wenig wie die Zigarettenindustrie angefangen hätte, gesunde Zigaretten zu produzieren. Nein, genau wie Tabakfirmen setzt die Kirche auf geschicktes Subtext-Marketing und offensives Lobbying. So verbreiten sie den Mythos, dass die „Landeskirchen“ quasi gratis Gutes tun. Doch unter dem Strich ist dies gleich doppelt falsch. Erstens lässt sich die Kirche ihre Taten königlich – oder sollte ich sagen päpstlich – vergüten, und zweitens sind diese kirchlichen Taten in der Summe von zumindest zweifelhafter Güte. Wussten Sie, dass die katholische Kirche nur zwei Prozent der Caritas finanziert? Der Rest kommt aus Staats- und Privatspenden. Natürlich braucht die Schweiz ein funktionierendes Allgemeinwesen. Wir brauchen die Sozialdienste, die Schulen, Altersheime und Spitäler. Doch dazu braucht es die Kirchen nicht. Der Schweizer Staat funktioniert auch ohne Kirche. Es ist nicht nur unnötig, sondern – nüchtern betrachtet – ist es einfach nur bizarr, dass die Schweiz das Inkasso macht für eine fremde Diktatur. Wären wir einverstanden, wenn die Schweiz für Weissrussland Steuern eintreiben würde? Natürlich nicht. Aber warum akzeptieren wir das bei der Kirche? An dieser Stelle wird oftmals argumentiert: „Weil die Kirche die christlichen Werte verteidigt!” Doch dieser Satz birgt ein tiefes und weitverbreitetes Missverständnis. Historisch betrachtet bestehen die sogenannt christlichen Werte zu weiten Teilen aus Diskriminierungen. Aus Kreuzzügen, Hexenverbrennungen, Wissenschaftsfeindlichkeit frei denken. 2 I 2011 und Vetternwirtschaft. Das alles ist definitiv nicht wert, verteidigt zu werden. Wer heute von christlichen Werten spricht, meint in Wahrheit die humanistischen Werte. Sklavenbefreiung, die Emanzipation der Frau, der noch immer anhaltende Kampf gegen die Diskriminierung von Schwulen, die Gewaltentrennung, die Menschenrechte, der Ausgleich der Startchancen: Das alles sind humanistische Errungenschaften, die in mühsamem Dauerstreit den christlichen Kirchen abgerungen wurden. Auch dass ich diese Sätze sagen kann, ohne Gefahr zu laufen, angezündet zu werden, verdanke ich nicht den Kirchen und den „christlichen“ Werten, die sie zu vertreten behaupten, sondern den mutigen Aufklärern, die sich lange vor mir für die heute selbstverständliche Rede- und Meinungsfreiheit einsetzten. Ja, sogar die Religionsfreiheit haben wir natürlich nicht den Kirchen, sondern den Aufklärern und Humanisten zu verdanken. Der Vatikan ist nebst Weissrussland der einzige europäische Staat, der die Menschenrechtskonvention bis heute nicht unterschrieben hat. Nein, die Schweiz braucht keine Kirchensteuer. Sie braucht auch keine Mandatssteuer. Die Schweiz braucht gesunde Sozialwerke. Die Schweiz hat die Kraft, von sich aus für das Wohl seiner Bürger und Gäste zu sorgen. Die Schweizer sind auch ohne Zwang grosszügig. Immer neue Spendenrekorde sind ein Beleg dafür. Die Behauptung, dass die Schweiz ohne Landeskirchen moralisch degenerieren würde, ist einfach nur eine oft wiederholte Behauptung. Die Zigarettenindustrie hat auch lange behauptet, rauchen schade nicht, sei sogar gesund. Und diese Strategie hat sogar recht lange funktioniert. Doch irgendwann hat die Vernunft Oberhand gewonnen und die wissenschaftlichen Fakten wurden nicht mehr ignoriert. Die „Landeskirchen“ stehen vor einer ähnlichen Herausforderung. Die geforderte Mandatssteuer ist ein geschickter Taschenspielertrick, um die eigentlichen Probleme nicht angehen zu müssen. Doch selbst nach einer Kirchensteuerabschaffung würden die Kirchen nicht einfach verschwinden. Ihre Basis ist stark genug, dass sie problemlos auch ohne das Bundesinkasso überleben werden. Und das ist auch gut so. Jeder soll selber entscheiden, nach welcher Façon er glücklich werden will. Denn, so finden wir Freidenker, Religion ist Privatsache. Und anders als viele religiöse Gruppierungen reden wir den Menschen nicht ins Privatleben hinein. Wir Freidenker wollen von den Gotteskennern einfach endlich in Ruhe gelassen werden und werden dafür paradoxerweise als Unruhestifter verunglimpft. Doch ich bin optimistisch: Denn seit bald dreihundert Jahren tickt die Zeit für den Humanismus. Und die Früchte von Aufklärung, Wissenschaft und Technologie geniessen wir schliesslich alle: auch die Leute, die vorgeben, anderer Meinung zu sein.  89I International IHEU kritisiert den UNO-Menschenrechtsrat Deutschland In der 16. Sitzung des UNO-Menschenrechtsrates in Genf hat IHEU-Vertreter Roy Brown am 3. März 2011 die anhaltende Selektivität des Rates kritisiert, der zwar unmittelbar auf die Barbarei in Libyen relativ rasch und deutlich reagiert habe, aber anderswo staatlich tolerierte oder gar unterstützte Verbrechen wie Vergewaltigung oder Tötung von BürgerInnen hinnehme, namentlich die Justizmorde in Iran. Mord sei Mord, auch wenn er im Namen eines religiösen Rechts geschehe. Brown erinnerte auch an den Sudan, wo bereits mehr als 200’000 BürgerInnen mit Billigung des Staates ums Leben gekommen seien. www.iheu.org Humanismus – eine gottlose Konfession? Der Humanistische Verband (HVD) stellt in der Ausgabe 1/2011 die Frage der Gleichbehandlung der Konfessionsfreien in Deutschland zur Diskussion. Es geht dabei um die Frage der Staatsleistungen an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Während der HVD sich für die Gleichstellung mit den privilegierten Kirchen unter Beibehaltung des bestehenden Verhältnisses Staat/Kirchen stark macht, fordern Atheisten und Konfessionsfreie die Streichung jeglicher Unterstützung. Damit stellt sich auch die Frage der Mitgliedschaft des HVD im 2008 gegründeten „Koordiantionsrat der säkularen Organisationen KORSO”. Fakt ist, dass der HVD Ansprüche analog jener der Konfessionen stellt. In Bremen hat denn auch das Verwaltungsgericht im Februar 2010 entschieden, dass der Antrag des HVD auf Eröffnung einer Humanistischen Schule zuzulassen sei. Das Gericht schrieb: „Aus der (...) Definition einer Weltanschauung ergibt sich nicht, dass diese einen Ausschliesslichkeitsanspruch erheben müsste. Entscheidend ist vielmehr, dass ein Anhänger der Weltanschauung diese für sich selbst als eine Sinnund Werteordnung mit subjektiv verbindlichen Handlungsanleitungen begreift. In den (...) Grundsätzen des HVD vermag die Kammer sehr wohl eine weltanschauliche Orientierung zu erkennen; aus der Betonung der Verantwortung des einzelnen für Gesellschaft und Natur ergeben sich zudem moralische Anforderungen an das Handeln. Schliesslich erscheint es nicht überzeugend, warum eine Weltanschauung, deren Grundsätze inzwischen von einem Grossteil der Bevölkerung geteilt werden und deren Grundforderungen auch Grundlagen des westlichen Verfassungsstaates sind, nur aus diesem Grunde keine Weltanschauung mehr sein sollte; insbesondere da die genannten Grundforderungen bei den Humanisten aus einem bestimmten – und sicher nicht von allen Teilen der EHF fordert in der EU Gleichberechtigung Eine Delegation des Europäischen Humanistischen Verbands (EHF) unter Leitung von Präsident David Pollock hat sich bei der EU für regelmässige Konsultationen zwischen EHF und der EU-Ratspräsidentschaft ausgesprochen. Seit Jahren wird dieses Privileg der Europäischen Bischofskonferenz und der Charismatischen Episkopalkirche eingeräumt. Eine Antwort steht noch aus. Die EHF hält ihre diesjährige Generalversammlung in Genua ab und lädt gleichzeitig ein zu einer Konferenz zum Thema „Moralische Grundlagen in einer gottlosen Welt” mit Gastreferaten von Piergiorgio Odifreddi, Taslima Nasrin, A. C. Grayling. Die FVS wurde vom EHF zum Beitritt aufgefordert. Der ZV wird die Frage an seiner nächsten Sitzung traktandieren und anschliessend der Delegiertenversammlung Bericht und allenfalls Antrag stellen. www.humanistfederation.eu Bevölkerung geteilten – atheistischen Weltbild resultieren.“ Mit diesen Gedanken rekurriert die Kammer auf ein Gutachten von Wolfgang Löwer (Universität Bonn), das eine Bremer Senatorin in Auftrag gegeben hatte. Der Gutachter hatte bemängelt, dass der Humanismus keinen Ausschliesslichkeitsanspruch kenne, und gefolgert, „das schwäche seine Wahrnehmung als Weltanschauung naturgemäss”. Dennoch sah Löwer im Humanismus eine Weltanschauungsgemeinschaft, wenn auch – gemessen an den Kirchen und Religionen – „mit geringerer Prägekraft“. Aus dieser mangelnden Prägekraft ergab sich für Löwer die Frage, ob das Schulkonzept hinreichend vom Humanismus geformt wird, was Voraussetzung wäre, die Gründung einer Privatschule zu rechtfertigen.* Reta Caspar *Ganzer Absatz aus dem Bericht: „Ist der Humanismus Österreich: „Ein Recht für alle!” eine (gottlose) Konfession?“ auf: www.ekd.de/ezw/Publikationen_2396.php Im Februar hat eine breite Allianz von säkularen Verbänden unter diesem Titel ein Volksbegehren gestartet mit der Forderung: Schaffung eines Bundesverfassungsgesetzes zur Abschaffung kirchlicher Privilegien, für eine klare Trennung von Kirche und Staat und für die Streichung gigantischer Subventionen an die Kirche sowie für ein Bundesgesetz zur Aufklärung kirchlicher Missbrauchsund Gewaltverbrechen. www.kirchen-privilegien.at Deutschland: Grundrecht auf Religionsunterricht Der Religions- oder Weltanschauungsunterricht ist als einziges Unterrichtsfach im Verfassung als ordentliches Lehrfach für öffentliche Schulen verordnet: Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. Luxemburg: neue Allianz Im November 2010 wurde die Allianz von Humanisten, Atheisten und Agnostikern (AHA) gegründet. Sie arbeitet eng mit der Giordano Bruno Stiftung zusammen. www.aha.lu Aus diesem Verfassungsartikel leiten auch die Muslime ihre Ansprüche auf staatlich finanzierten, konfessionellen Unterricht ab. frei denken. 2 I 2011 9 Bayerisches Verwaltungsgericht Auch Bischöfe müssen bei der Wahrheit bleiben (hpd) Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat im Rechtsstreit mit dem Philosophen Michael SchmidtSalomon eine Niederlage erlitten: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sah es als erwiesen an, dass Müller in der Auseinandersetzung mit Schmidt-Salomon die „Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit“ nicht erfüllt hat. Ein Urteil mit weitreichenden Folgen. Anlass des Rechtsstreits war eine Predigt des Bischofs gegen die Religionskritiker Richard Dawkins und Michael Schmidt-Salomon im Mai 2008. In der Predigt hatte Müller unter anderem behauptet, Schmidt-Salomon würde in seinen Schriften Kindstötungen legitimieren. Da diese Aussage wahrheitswidrig und diffamierend war, liess der Philosoph dem Bischof eine Unterlassungserklärung zustellen. Müller revidierte daraufhin den Predigttext auf der Internetseite des Bistums, weigerte sich aber, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben, wobei er sich auf seine besondere Stellung als Amtsträger der katholischen Kirche berief. Da Bischof Müller dafür bekannt ist, seine eigenen Kritiker mit Unterlassungsklagen zu verfolgen, dachte Schmidt-Salomon, es sei an der Zeit, den Spiess einmal umzudrehen: Mit Unterstützung des Alibri Verlags und der Giordano Bruno Stiftung strengte er ein Gerichtsverfahren an, das klären sollte, ob Priester tatsächlich ein besonderes Recht besitzen, unwahre Tatsachenbehauptungen aufzustellen. Im September 2009 wurde die Klage vom Verwaltungsgericht Regensburg aus formellen Gründen abgewiesen, da bei einem Bischof, der eine Körperschaft des öffentlichen Rechts vertrete, „keine Wiederholungsgefahr“ bestünde. Auf die grundlegende Frage, „ob ein Bischof ungestraft das Blaue vom Himmel lügen dürfe“ (Schmidt-Salomon), ging das Gericht in seiner Urteilsbegründung nicht ein. Bischof hat Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit nicht erfüllt Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun in seinem Urteil vom 24. Februar 2011 nachgeholt: Das Gericht stellte im Berufungsverfahren fest, dass die Behauptungen des Bischofs im Widerspruch zu SchmidtSalomons Veröffentlichungen standen und geeignet waren, dessen Ansehen in der Öffentlichkeit zu schaden. Da der Bischof seine „Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit nicht erfüllt“ habe, sei der Philosoph „in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt“ worden. Daher verurteilte das Gericht die Diözese Regensburg, die Schmidt-Salomon entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Kirche ist kein rechtsfreier Raum In seiner Stellungnahme wies Schmidt-Salomon auf die grundsätzliche Bedeutung des Urteils hin: „Das Gericht frei denken. 2 I 2011 hat deutlich gemacht, dass die Kirche kein rechtsfreier Raum ist. Auch Bischöfe sind zu Sorgfalt und Wahrhaftigkeit verpflichtet, wenn sie über Andersdenkende herziehen. Damit wurde die Auffassung des Bistums zurückgewiesen, dass eine freie Predigt nur möglich sei, wenn verhindert werde, dass Bürgerinnen und Bürger gegen diffamierende Predigten vorgehen können. Dies ist ein wichtiges Signal für den Rechtsstaat: Nun sind Herr Müller und seine Kollegen, wie alle anderen Bürger auch, dazu verpflichtet, wahrheitsgemäss zu zitieren. Vielleicht sehen sie es irgendwann sogar selber ein, dass es ratsam ist, ein Buch erst einmal zu lesen, bevor sie es in ihrer Sonntagspredigt verdammen.“ Bischof akzeptiert das Urteil nicht Bischof Gerhard Ludwig Müller liess ankündigen, Revision gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu beantragen. Das Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichts setze „der im Artikel 4 GG garantierten religiösen Äußerungsfreiheit (…) unzulässige Grenzen“, heisst es in der Stellungnahme des Bistums. „Nur wenn diese grundrechtlich garantierte Äusserungsfreiheit auch in der allgemeinen Rechtssprechung geschützt wird, kann eine Predigt anlassbezogen, in freier Rede und als persönliches Glaubenszeugnis vorgetragen werden.“ Das Grundgesetz „muss“, so das Bistum, der religiösen Äusserungsfreiheit „eine eindeutige Vorrangigkeit zubilligen“.  Neuerscheinung Den grossen und kleinen Fragen der Philosophie auf der Spur Philosophie muss weder langweilig noch kompliziert sein, ganz im Gegenteil: Philosophische Fragen haben viel mit unserem Alltag zu tun. Dass dies so ist, beweisen der Autor und Philosoph Michael Schmidt-Salomon und seine 20-jährige Tochter Lea in ihrem gemeinsamen Buch. Angefangen bei der Frage nach dem Sinn des Lebens oder der Existenz eines Gottes erschliessen sie im Dialog die philosophische Gedankenwelt auf höchst unterhaltsame und unkonventionelle Weise. Dabei werden abstrakte Begriffe wie Vernunft und Weisheit, Gerechtigkeit und Toleranz ebenso anschaulich erläutert wie die Frage nach dem Traum von einer besseren Welt. Ein unterhaltsames und lehrreiches Buch, das Lust aufs Philosophieren macht für alle, die es wissen wollen und nicht die Neugier verloren haben, danach zu fragen. Michael Schmidt-Salomon & Lea Salomon Leibniz war kein Butterkeks: Den grossen und kleinen Fragen der Philosophie auf der Spur Pendo Verlag, 2011 ISBN-10: 3866122802 10 I Debatte Ethikkommission empfiehlt Zulassung der PID Grundsätzlich sollten alle Menschen, die den beschwerlichen Weg der künstlichen Befruchtung wählen, die Möglichkeit zur Präimplantationsdiagnostik PID haben. Dies geht aus einer Stellungnahme der Ethikkommission der Giordano Bruno Stiftung hervor, die im Februar 2011 den Mitgliedern des Deutschen Ethikrats zugestellt wurde. In dem Gutachten, an dem führende deutsche Ethikexperten mitgewirkt haben, heisst es: „In einem liberalen Gemeinwesen sollten mündige Bürgerinnen und Bürger tun und lassen dürfen, was sie wollen, solange es ihnen nicht mit guten Gründen verboten werden kann.“ Solche „guten, verallgemeinerungsfähigen Gründe“ gebe es weder für ein Verbot der PID noch für die von einigen Politikern vorgeschlagene Beschränkung der PID etwa auf Paare, deren erbliche Vorbelastung erwiesen ist. Um dies nachzuweisen, widerlegt die Kommission die wichtigsten Argumente, die in der politischen Debatte bislang gegen die Zulässigkeit der PID vorgebracht wurden. So führen die Autoren aus, dass die Annahme, frühe Embryonen besässen die „volle Menschenwürde“, auf religiösen Überzeugungen beruhe, die keine Allgemeingültigkeit beanspruchen könnten. Zwar stehe es jeder Bürgerin und jedem Bürger frei, Präimplantationsdiagnostik als „Sünde“ zu verurteilen, doch niemand habe das Recht, diese Sichtweise Andersdenkenden aufzuzwingen. Mit den Grundsätzen einer liberal-pluralistischen Demokratie sei es nicht vereinbar, „dass der Staat seinen Bürgern eine bestimmte weltanschaulich gebundene Vorstellung vorschreibt“. Daher sollte die Gesetzgebung so beschaffen sein, dass „die reproduktive Autonomie der Bürger maximiert und staatliche Eingriffe auf ein rational vertretbares Mass minimiert werden“. Kritik äussert die Kommission insbesondere an der Überzeugung, dass aussondernde Präimplantationsdiagnostik dem „Lebensinteresse von Embryonen“ zuwiderlaufe. Denn es sei offensichtlich, dass Embryonen, die nichts spüren und bei –196 Grad konserviert werden können, kein subjektives Lebensinteresse besitzen. Auch das häufig vorgebrachte Argument, die Auswahl gesunder Embryonen laufe auf eine Herabsetzung von Behinderten hinaus, hält die Kommission für verfehlt: „Die Annahme, dass die Vernichtung befruchteter Eizellen mit genetischen Defekten zur Diskriminierung von Behinderten führt, ist ähnlich absurd wie die Forderung nach Abschaffung der Impfung gegen Kinderlähmung, weil diese eine Diskriminierung von Menschen mit Kinderlähmung zur Folge haben könnte. Wer eine rationale, humanistische Sichtweise vertritt, dem sollte klar sein, dass Behinderte und Kranke unsere volle Unterstützung verdienen, Behinderung und Krankheit jedoch nicht.“ Insbesondere im Interesse der Mütter empfiehlt die Kommission, nur die Embryonen einzupflanzen, die die besten Aussichten auf eine gesunde Entwicklung haben: „Wenn sich Eltern gegen einen genetischen Defekt entscheiden, Embryo, dem eine Zelle entnommen wird. Giordano Bruno Stiftung dann liegt ihr Motiv darin, Belastungen ihres künftigen Kindes zu vermeiden, ihm optimale Startbedingungen für das Leben zu schenken und selbst auch zusätzlichen Mühen zu entgehen. Hieran ist nichts verwerflich.“ Angesichts der Möglichkeit, PID in den Nachbarländern durchführen zu lassen, würden die geplanten Restriktionen nach Ansicht der Kommission ohnehin nur jene Bürgerinnen und Bürger betreffen, die sich eine PID im Ausland nicht leisten können. Dies sei sozial ungerecht und auch rechtspolitisch bedenklich: „Der Gesetzgeber sollte davon absehen, ein Gesetz zu beschliessen, das den Glauben an den Rechtsstaat mit allgemein verbindlichen Normen untergraben könnte.“ Ethikkommission der Giordano Bruno Stiftung: Prof. Dr. D. Birnbacher (Philosoph, Bioethiker); Prof. Dr. Th. Ebert (Philosoph); Prof. Dr. Dr. E. Hilgendorf (Jurist, Rechtsphilosoph); Prof. Dr. Dr. N. Hoerster (Sozialphilosoph); Dr. F. Lorenz (Sozialwissenschaftlerin); Prof. Dr. Th. Metzinger (Philosoph, Kognitionsforscher); Dr. M. SchmidtSalomon (Philosoph, Schriftsteller); Prof. Dr. U. Wessels (Philosophin); Prof. Dr. F. J. Wetz (Philosoph, Bioethiker) Präimplantationsdiagnostik (PID) in der Schweiz Die PID ist ein medizinisches Verfahren, mit dem im Rahmen einer künstlichen Befruchtung (In-Vitro-Fertilisation, IVF) Embryonen genetisch untersucht werden, bevor sie zur Herbeiführung einer Schwangerschaft in die Gebärmutter übertragen werden. Der zentrale Zweck der PID besteht darin sicherzustellen, dass das zukünftige Kind nicht unter einer bestimmten, genetisch bedingten Krankheit, deren Veranlagung die Eltern tragen, leiden wird. In der Schweiz ist die PID seit Inkrafttreten des Fortpflanzungsmedizingesetzes am 1. Januar 2001 verboten. Das soll sich ändern: Der Bundesrat hat vom Parlament den Auftrag erhalten „eine Regelung vorzulegen, welche die Präimplantationsdiagnostik ermöglicht und deren Rahmenbedingungen festlegt”. Zurzeit sind die dafür notwendigen Änderungen des Verfassungsartikels 119 über Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie sowie des Fortpflanzungsmedizingesetzes in Arbeit. Für die erste Hälfte 2011 ist die Vernehmlassung zur Änderung des Verfassungsartikels 119 über Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie (Art. 119 BV) und zum überarbeiteten Entwurf des Fortpflanzungsmedizingesetzes www.bag.admin.ch (FMedG) geplant. frei denken. 2 I 2011 11 Wissen und praktische Klugheit Der US-Politologe Benjamin Barber warnt: Die „Tyrannei der Illusionen” gefährdet die Demokratie. Deshalb brauche es eine Fortsetzung der Aufklärung. Das grösste Problem ist laut Barber, dass die Leute gar nicht mehr wissen, was Wissen ist. Bereits die Griechen hätten jedoch unterschieden zwischen Wissen, das in Vernunft wurzelt oder von Tatsachen ausgeht, und subjektiven Meinungen. Um diese Unterscheidung zu treffen, müssen wir uns über die Kriterien einigen. Davon hängen Wissenschaft, Gesellschaft und die demokratische Kultur ab. Als Wissen können wir Aussagen bezeichnen, die durch Fakten, gute Gründe und fundierte Argumente gestützt werden: Das heisst nicht, dass es vollkommene Wahrheit gibt, aber es heisst, dass es bessere und schlechtere Argumente gibt, Behauptungen, die durch empirische Fakten oder durch logische Beweisführung verifiziert werden können, und andere, bei denen das nicht möglich ist. Weil die Demokratie auf Sprache und Vernunft abstellt statt auf Zwang und auf einen Konsens über den Wert der Objektivität, funktioniert sie nur, wenn wir den Unterschied zwischen Wissen und Meinung anerkennen, zwischen Aussagen also, die durch Fakten und fundierte Argumente untermauert werden können, und persönlichen Überzeugungen, die wohl intensiv gefühlt, aber weder durch Argumente gestützt noch widerlegt werden können. Wissen und Offenheit für das bessere Argument Demokratie ist nicht einfach die Herrschaft der Mehrheit, ob informiert oder unwissend. Es gilt zu unterscheiden: Die Herrschaft des Pöbels kommt mit Vorurteilen und Meinungen aus, Demokratie als staatsbürgerliches Engagement hingegen entsteht durch Urteilsvermögen und die Fähigkeit, Konsens herzustellen. Am Beispiel von Evolutionslehre und Kreationismus zeigt Barber auf, dass in den USA allzu viele BürgerInnen und PolitikerInnen der Ansicht sind, dass es hier lediglich um gegensätzliche Meinungen gehe, um zwei ebenbürtige persönliche Überzeugungen, und dass deshalb Toleranz geboten sei, das heisst, dass beide Ansichten gleichermassen respektabel und glaubwürdig seien, weil beide Parteien sie leidenschaftlich vertreten. Überzeugungen haben jedoch die Tendenz, in Rechthaberei umzuschlagen. Und Recht zu haben wird dann wichtiger, als glaubwürdig und beweisbar zu sein. Damit wird laut Barber eine zentrale demokratische Fähigkeit aufgegeben: die Fehlbarkeit. Wenn wir nicht zugeben können, dass wir uns auch irren können, entsteht polarisiertes, antidemokratisches Politisieren mit persönlichen Vorurteilen, das für keine Argumente der Gegenpartei mehr offen ist. Doch die Demokratie – so Barber – ist genau das Gegenteil von subjektiver Gewissheit. Wir müssen uns also gegenseitig zugestehen, dass unsere Meinungen geprüft und allenfalls durch neue Fakten widerlegt werden. Wir lehren deshalb an den Schulen Evolution, nicht weil diese Theorie in einem absoluten Sinn „richtig“ ist, sondern gerade weil sie grundsätzlich widerlegbar ist. Kreationismus ist nicht widerlegbar. Deshalb ist Evolution Teil der Wissenschaft und Kreationismus eine subjektive Meinung und ungeeignet für die Schule. frei denken. 2 I 2011 Benjamin R. Barber ist Professor für Zivil- www.wikipedia.com, www.benjaminbarber.com gesellschaft an der University of Maryland und einer der einflussreichsten Politikwissenschaftler der USA. Er war innenpolitischer Berater der Clinton-Regierung und berät zahlreiche andere Körperschaften und Politiker. Barber steht der sozialphilosophischen Strömung des Kommunitarismus nahe. In seinem Hauptwerk „Strong Democracy” („Starke Demokratie”) von 1984, das zugleich als ein zentrales Werk des Kommunitarismus gilt, kritisiert er die repräsentative Demokratie (u. a. in den USA) und stellt eine radikal-demokratische Alternative in Form der partizipatorischen Demokratie dagegen. Bis vor Kurzem war er Vorstand der Gaddafi-Stiftung. Am 22. Februar 2011 ist er von diesem Posten zurückgetreten, nachdem Saif Gaddafi das Massaker an den libyschen Aufständischen verteidigt hatte. Praktische Klugheit Vieles kann jedoch nicht durch empirische Anschauung oder objektive Wahrheit entschieden werden. Die Existenz Gottes etwa, oder das Wesen von Gerechtigkeit. Doch auch hier – und so oft in der Politik, wo wir oft mangels empirischer Fakten über Ansichten diskutieren müssen – gibt es gute und schlechte Argumente. Es gibt Ansichten, die mehr überzeugen, weil sie vernünftiger sind. Demokratie verlangt, dass wir uns über Tatsachen, über politische Massnahmen und deren Auswirkungen einigen können. Deshalb müssen Kriterien gefunden werden, mithilfe derer wir uns rational verständigen können. Wir brauchen also wissenschaftliches Denken nicht bloss, um die Welt sinnvoll interpretieren und für unsere Zwecke nutzen zu können, sondern auch, um unsere Freiheit zu erhalten. Bei der Frage der globalen Erwärmung etwa kann ich nicht einfach behaupten, fossile Brennstoffe würden keine Erderwärmung verursachen, weil ich selbst vom Erdölverkauf profitiere, und umgekehrt beweist mein eigenes Engagement für Alternativenergien nicht, dass die Erwärmung real ist. Es braucht Beweise, die sowohl die AnhängerInnen von fossiler wie von alternativer Energie zu überzeugen vermögen. Wider die „Tyrannei der Illusionen” Barber beklagt, dass in den USA Wissenschaft und Vernunft weitgehend durch Meinungen ersetzt worden seien. Noch schlimmer: Der Unterschied werde nicht mehr wahrgenommen. In Talkshows würde gleich nach einem hochkarätigen Kosmologen wie Stephen Hawking ein Medium, das zu den Toten spricht, interviewt, und zwar so, dass kein Unterschied in ihren Erkenntnismethoden wahrnehmbar wird. Auf dem amerikanischen Bildungssender History Channel würden Geistergeschichten neben Dokumentarfilmen über den Zweiten Weltkrieg gesendet. Schliesslich entstehe der Eindruck, dass die Frage nach Beweisen „elitär“ sei, dass die Berufung auf Fakten nicht im Namen der Vernunft geschehe, sondern lediglich um die eigene Überlegenheit zu demonstrieren. Barber geisselt die amerikanischen TV-Shows und ihre Inszenierung der Wirklichkeit und zitiert dazu den Historiker Daniel Boorstin: „Wir sind in Gefahr, das erste Volk in der Geschichte der Menschheit zu werden, das die eigenen Illusionen so lebendig macht, so überzeugend und realistisch, dass es darin leben kann. Wir sind das illusionierteste Volk auf Erden.“ In dieser „Tyrannei der Illusionen“ sieht Barber die grösste Gefahr für die Demokratie. Zusammenfassende Übersetzung (Reta Caspar) des Artikels „Americas Knowledge Deficit" auf www.benjaminbarber.com Vollständige Übersetzung von Lotta Suter auf: www.woz.ch/artikel/inhalt/2011/ nr01/Kultur%20/%20Wissen/20239.html 12 I frei gedacht Adriano Mannino In den Kantonen Kt. LU: Kopftuchklage gegen Basketballverband Sura al-Shawk hat eine Klage gegen Probasket eingereicht. Die 20-jährige Schweizerin mit irakischen Wurzeln will, dass der Regionalverband Nordostschweiz sie wieder mit Kopftuch an offiziellen Spielen teilnehmen lässt. Zunächst wird sich das Friedensrichteramt in Kriens mit dem Fall beschäftigen; die Klägerin ist jedoch bereit, bis vor Bundesgericht zu gehen. 20 Minuten, 11.3.2011 Tierprodukte und Kunstfleisch – ethisch betrachtet Inquisitoren, Rassisten, Sexisten und Heterosexisten begehen allesamt denselben Fehler: Sie bestimmen den ethischen Status eines Wesens nach irrelevanten Kriterien. Achtung verdient nur, wer in puncto Glauben, Ethnie, Geschlecht oder sexuelle Orientierung zur „richtigen“ Gruppe gehört. Diese unrühmliche Reihe ergänzen die Speziesisten: Sie halten die biologische Artzugehörigkeit für ethisch relevant. Wer zur „falschen“ Art gehört, hat Pech gehabt, kann nach dem Gusto der „richtigen“ Art instrumentalisiert, ausgebeutet und verwertet werden. Die Sonderstellung der Spezies Homo sapiens wird dabei nicht selten religiös begründet: Das „Ebenbild Gottes“, die „Krone der Schöpfung“ ist dazu ermächtigt, sich die Erde untertan zu machen – mitsamt aller anderen empfindungsfähigen Kreatur. Es erstaunt daher nicht, dass sich Religionskritiker wie Deschner oder Schmidt-Salomon auch gegen den Speziesismus wenden. Wir halten uns im Dienste unserer (ethisch unbedeutenden) Gaumenfreuden überzüchtete lebendige Milchmaschinen, die an Klauenproblemen, Geschwüren, Fruchtbarkeitsstörungen und natürlich an Euterentzündungen leiden. Auch auf Biohöfen ist davon jede dritte Kuh betroffen. Sie sind permanent schwanger, werden von ihren Kälbern aber systematisch getrennt. Die Verhaltensforschung attestiert, dass sie zu ihnen eine innige Beziehung aufbauen würden. Bullenkälber, die keinen weiteren Verwendungszweck erfüllen, werden intensiv gemästet und dann geschlachtet. 1 Kühe bringen die meiste Zeit in Anbindeställen zu: Stehen, hinlegen, aufstehen – mehr Bewegungsfreiheit wird diesen Herdentieren nicht eingeräumt. Obwohl sie 20 Jahre alt werden könnten, werden sie nach fünf Jahren meist aus gesundheitlichen Gründen „abgestellt“. Transport und Schlachtungsprozess erzeugen noch einmal beträchtliches Leid. 2 Der Anti-Speziesismus wirft nun die Frage auf: Wie stünden wir zu solchen Praktiken, wenn sie Menschen von vergleichbarer Empfindungs- und Leidensfähigkeit beträfen (etwa Säuglinge oder Schwerstbehinderte)? Hinsichtlich der real betroffenen „Nutztiere“ muss die Antwort gleich ausfallen. Dass die Schlussfolgerung dieses Arguments schier unerträglich ist und weitreichende praktische Konsequenzen hat, mag den Abwehrreflex von Tierkonsumenten erklären, liefert aber kein Gegenargument. Von Deschner stammt der Ausspruch, gegenüber dem Tier sei der Mensch ein Gewohnheitsverbrecher. 3 In der Tat ist Homo sapiens ein Gewohnheitstier, was nichts entschuldigt, seiner Veganisierung aber alles andere als dienlich ist. Die Wissenschaft könnte diesen Prozess aber bald beschleunigen: Sie ist auf gutem Weg zum In-vitro-Fleisch. Es ist Biotechnologen gelungen, aus Stammzellen Muskelgewebe zu züchten. 4 Obwohl noch beträchtliche technische Hürden zu überwinden sind, schätzen sie, dass das Kunstfleisch in zehn Jahren auf dem Markt sein wird. Das Produkt soll gänzlich ohne Tierleid auskommen, die Gesundheitsrisiken der Nutztierhaltung beseitigen sowie die Treibhausgasemissionen, den Wasser- und Landverbrauch um über 90 Prozent senken. Naturreligiöse Bedenken und Künstlichkeitsaversionen sind angesichts dieser Potenziale besonders unangebracht: Das Produkt ist nicht „künstlicher“ als die anderen (hochtechnologisiert hergestellten) Lebensmittel. Ausserdem bedeutet „natürlich“ in der Regel alles andere als „gut“: Was uns Mutter Natur bereitstellt, ist ohne unser Zutun grossmehrheitlich ungeniessbar. 1 Männliche Küken aus Lege-Zuchtlinien sind noch schlechter dran: „Nutzarmer“ Überschuss wird gleich geschreddert. 2 Über Tierethik, aber auch über Ökologie der Nutztierhaltung – sie belastet die Umwelt weit stärker als der gesamte Verkehr – informiert www.tier-im-fokus.ch. 3 Vgl. „Für einen Bissen Fleisch. Das schwärzeste aller Verbrechen“ (Asku-Presse, Bad Nauheim 1998). 4 Pionierarbeit leistet: www.new-harvest.org. Kt. BS: Bussen gegen Schwimmabsenz wirkungslos Der Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann hat im August 2010 auf der Basis des Schulgesetzes fünf muslimische Familien gebüsst, weil diese ihre Töchter trotz allem Entgegenkommen der Primarschulen nicht in den normalen geschlechtergemischten Schwimmunterricht schicken wollten. Insgesamt erhielten beide Elternteile der betreffenden fünf Familien eine Busse von je 350 Franken. Tages-Anzeiger, 8.3.2011 Kt. NE: Keine Steuergelder für die Kirchen Die Neuenburger Kirchen können nach dem Entscheid von Philip Morris nicht mit finanzieller Hilfe des Staates rechnen. Der Zigarettenkonzern hatte im vergangenen Herbst angekündigt, keine Kirchensteuer mehr zu zahlen. Im Kanton Neuenburg ist diese für Unternehmen freiwillig. Die Neuenburger Regierung sei heute nicht in der Lage, eine zusätzliche finanzielle Unterstützung zu gewähren, schreiben die drei offiziellen Kirchen Neuenburgs in einem gemeinsamen Communiqué am 25. Februar. Die Kirchen hatten eine entsprechende Anfrage www.ref.ch an die Regierung gestellt. Kt. FR: Prozess verschoben Am 19. Januar 2011 hätte der Prozess gegen den Bergführer Patrick Bussard stattfinden sollen, der 2009 Gipfelkreuze abgesägt hat. Das Gericht in Bulle hat tags zuvor mitgeteilt, dass der Prozess verschoben werde, ohne allerdings ein neues Datum bekannt zu geben. Dem Vernehmen nach strebt der Richter einen Vergleich an. Kt. TG: Kirchensteuer für juristische Personen bleibt Ein SVP-Parlamentarier hatte mit einer Motion verlangt, es den Firmen freizustellen, Kirchensteuern zu bezahlen. Sie wurde von allen Fraktionen abgelehnt. Die beiden Landeskirchen nahmen 2010 rund 72 Millionen Franken Kirchensteuern ein, davon 9,2 Millionen Franken von juristischen Personen. Tagblatt, 17.2.2011 Kt. ZH: Einführung von „Religion und Kultur” kann verschoben werden Eigentlich müssten alle Schulen im Kanton spätestens im kommenden Schuljahr das neue Unterrichtsfach „Religion und Kultur” anbieten. Nun ist es aber bei der Erarbeitung der Lehrmittel zu Verzögerungen gekommen. Für die unteren Primarklassen werden sie erst ab Sommer 2012, für die übrigen Klassen ab 2013 bereit sein. Nach einem neuen Beschluss des Bildungsrats kann das Volksschulamt Schulen, die ein begründetes Gesuch stellen, deswegen einen Aufschub der Einführung um ein bis maximal zwei Jahre bewilligen. NZZ, 10.3.2011 frei denken. 2 I 2011 8 –11 September 2011, Zürich 13 Four days of science, critical thinking & intelligent entertainment Vier Tage Wissenschaft, kritisches Denken & intelligente Unterhaltung Details zu Programm und Ticketverkauf auf www.denkfest.ch Am 13. März 2011 ging www.denkfest.ch online. Zuvor haben Mitglieder erfreulichen Gebrauch gemacht vom vorteilhaften Vorbezug der vergünstigten Festivalpässe: Über 50 Pässe sind schon verkauft! Mitglieder profitieren aber auch weiterhin: Mitgliedertickets sind CHF 40 günstiger als reguläre. Daneben läuft die Sponsorensuche auf Hochtouren. Stadt und Kanton Zürich haben Beiträge gesprochen, Stiftungen und Firmen Pauschalbeiträge. Befreundete Organisationen in ganz Europa werden ihre Mitglieder auf die Webseite der Veranstaltung leiten. Besondere Freude hat uns eine private Einzelspende von CHF 15’000 bereitet. Dem Mitglied, dem das denkfest offenbar gefällt, ein herzliches Dankeschön! Der Rahmen der Veranstaltung steht, nun kommt die Detailarbeit. Für den Anlass brauchen wir aber vor allem Sie, als Teilnehmende mit Verstand und Humor, als GastgeberInnen, SpenderInnen, BotschafterInnen ... Machen Sie mit! So sind Sie dabei: Festivalpass für Mitglieder 8.–11. September 2011 bis 15. Juni CHF 230, Studierende CHF 190 Nichtmitglieder ab 16. Juni CHF 270, Studierende CHF 230 Nichtmitglieder + CHF 40 + CHF 40 Im Festivalpass enthalten sind Tagesveranstaltungen von Freitag bis Sonntag Kopfhörer für die Simultanübersetzung (Freitag bis Sonntag) Apéro am Donnerstag, Pausenverpflegungen und Stehlunches Ticket für den Zürcher Nahverkehr für die Tarifzonen 10 und 21 Rabatt auf den Eintritt zum Kabarett-Abend mit Vince Ebert Zutritt als Zuschauer am Blogger-Workshop am Donnerstag Goldpass CHF 1000 Der Goldpass ermöglicht Privatpersonen, das denkfest zu unterstützen und dabei auch einen Gegenwert zu erhalten. Im Goldpass sind alle Leistungen des Festivalpasses enthalten. Zusätzlich inbegriffen sind der Besuch aller Abendunterhaltungen sowie drei signierte Bücher von denkfest-ReferentInnen. Der Goldpass ist (im Gegensatz zum Festivalpass*) übertragbar. Edu-Pass CHF 110 Der Edupass berechtigt zur Teilnahme an einem der beiden Lehrerworkshops am Donnerstagabend sowie zum Besuch der Vorträge zum Thema „Wissenschaft für Kinder” am Freitagmorgen. Inbegriffen sind auch der Apéro am Donnerstag und der Stehlunch am Freitag. Science Slam: Wissenschaft macht Spass! Ein Science Slam ist ein Kurzvortrags-Wettbewerb, bei dem Wissenschaftler innerhalb von zehn Minuten ihr Forschungsthema präsentieren. Im Vordergrund steht die populärwissenschaftliche Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte. Das Publikum bewertet anschliessend neben dem wissenschaftlichen Inhalt auch die Verständlichkeit und den Unterhaltungswert. Achtung: Das Conference Dinner ist nur zusammen mit einem Festivalpass buchbar. Sie sind WissenschaftlerIn und haben was zu erzählen? Machen Sie mit: Bewerben Sie sich bei info@denkfest. ch. Die ausgewählten SlammerInnen werden mit einem Gratis-Festivalpass belohnt. Separate Tickets: Workshops für Lehrpersonen CHF 65 Zwei parallel stattfindende Workshops, einer auf Deutsch, der andere auf Englisch. Inkl. Apéro danach. Lehrpersonen, die einen Festivalpass kaufen, müssen die Workshop-Teilnahme nicht zusätzlich bezahlen. Kabarett mit Vince Ebert: 8. September, 21:00 mit Festivalpass CHF 28 mit Festivalpass Studierende CHF 23 ab 16. Juni im freien Verkauf: CHF 38 Am Donnerstag zeigt der bekannte Deutsche Kabarettist und Physiker Vince Ebert Ausschnitte aus seinen neuesten Programmen „Denken lohnt sich” und „Freiheit ist alles” – Was gäbe es Passenderes am denkfest der Freidenker? Filmabend: 9. September, 21:00 Am Freitagabend ist thematisch passender Film eingeplant. Details folgen, sobald die Verhandlungen über die Vorführrechte abgeschlossen sind. Conference Dinner mit Science Slam: 10.9. 20:15 Nur in Verbindung mit dem Festivalpass buchbar. Für Mitglieder, die eine Privatunterkunft vorziehen, suchen wir Mitglieder in den VBZ- Tarifzonen 10 und 21, die ein Gästezimmer oder -bett für die Dauer des denkfests anbieten können. Machen Sie mit: Melden Sie Interesse und Angebote bitte bei info@ frei-denken.ch oder telefonisch bei 031 371 65 67 (Beantworter). Wir werden Sie gerne zusammenbringen. GastgeberInnen belohnen wir mit einem Gratisticket für das Kabarett oder den Filmabend! FreidenkerInnen beherbergen FreidenkerInnen bis 15. Juni CHF 75, Studierende CHF 65 ab 16. Juni CHF 85, Studierende CHF 75 Die Gelegenheit, mit anderen Teilnehmenden und den Referenten ins Gespräch zu kommen. Zusätzlich kann man der Darbietung von vier Science Slammern folgen, die auf witzige Weise erzählen werden, woran sie forschen. Sie wünschen das Programm schriftlich? Hinterlassen Sie Ihre Adresse auf dem Beantworter auf 031 371 65 67. Tickets kaufen Sie online (Mitglieder-Code ZEJJ84Y, StudiCode X7Xf8GZ) oder durch Überweisung des entsprechenden Betrags auf: denkfest 2011 Freidenker-Vereinigung der Schweiz *Bitte im Betreff Postfinance: 85-533931-2 vollen Namen & Tickettyp angeben! IBAN CH24 0900 0000 8553 3931 2 GUWP-Konferenz 2011 GWUP ist Partnerin von Fakt und Fiktion www.gwup.org frei denken. 2 I 2011 2. bis 4. Juni 2011 Naturhistorisches Museum und TU Wien 14 5 >> Walliser Kruzifixstreit rat deshalb auf, die nötigen Massnahmen zu ergreifen und gegebenenfalls die nötigen Gesetzesgrundlagen zu schaffen oder die Bestehenden zu verstärken, damit die Schüler in jedem Klassenzimmer einer öffentlichen Walliser Schule durch ein Kruzifix an den Glauben unserer Väter erinnert werden.“ Im Grossen Rat wurde das Postulat mit 86 gegen18 Stimmen (14 Enthaltungen) abgelehnt. In der ausführlichen Diskussion waren jene Stimmen, welche die Trennung von Staat und Religion oder die Einhaltung der Religionsfreiheit als Gründe für die Ablehnung herausstrichen, in der Minderheit. Die CVP führte als Grund für ihre Ablehnung vor allem ins Feld, dass sie nicht auf billige Wahlkampftricks der SVP hereinfallen und das Kruzifix nicht parteipolitisch instrumentalisiert sehen wolle. Der CVP kann hier wohl mit Fug Inkonsequenz vorgeworfen werden, nachdem sich z. B. die Luzernische CVP durchaus für einen Kruzifixzwang (Petition Kruzifix bleibt) ausspricht. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es für die CVP in Ordnung ist, wenn sie selbst mit dem Kruzifix Politik betreibt, aber nicht, wenn eine andere Partei auf die Idee kommt, dies zu tun. Wie weiter? Der Fall Abgottspon muss nun vom Staatsrat materiell beurteilt werden. Er muss entscheiden, ob die Entlassung rechtmässig war. Dieser Entscheid kann dann wieder beim Kantonsgericht angefochten werden. Ich hoffe, dass im Zuge des Prozesses ein Umdenken im Wallis stattfindet, was die Idee und Praxis der Laizität angeht, dass man sich in Zukunft im Wallis nicht davor fürchten muss, gegenüber der öffentlichen Schule eine Forderung nach religiöser Neutralität geltend zu machen, ja dass es vielleicht auch ganz allgemein leichter fällt, zur Religionsfreiheit zu stehen, und dass ich der letzte Walliser gewesen bin, der aufgrund dieser rückständigen Einstellungen ein solches Schicksal erleidet: soziale Ächtung, Verleumdung, finanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit ... Sektion Wallis Als wir am 1. Mai 2010 die Sektion Wallis der FVS gründeten, war sich der Vorstand darüber einig, dass wir nicht mit Negativforderungen wie „Kreuze raus aus den Klassenzimmern!“ auffallen wollten. Vielmehr wollten wir vor allem in Sachen Kirchenfinanzierung Transparenz schaffen, die Rolle von Religion und Kirche an den öffentlichen Schulen kritisch hinterfragen, eine Anlaufstelle für säkulare Fragen sein, sowie Dienste und Begegnungsmöglichkeiten für frei denkende Walliserinnen und Walliser schaffen. Ich hätte vor einem Jahr wohl nicht gefordert, dass religiöse Symbole aus sämtlichen staatlichen Schulen entfernt werden müssen. Mittlerweile bin ich aber zur Überzeugung gelangt, dass dies nötig ist. Die Fälle Stalden und Triengen haben gezeigt, dass gerade kommunale Behörden in solchen Fragen bald einmal überfordert sind und zur Überreaktion neigen. Wenn hier nicht eine klare Lösung gefunden wird, stirbt wahrscheinlich auch die nächste Familie, Lehrperson oder eine religionsmündige Schülerin, welche die Entfernung eines religiösen Symbols fordert, den sozialen Tod. Immerhin besteht in diesem Fall schon ein Bundesgerichtsurteil. Die Politik ist nun gefordert, die Neutralität herzustellen. Sie muss der Normalfall und nicht die – erst auf Anfrage oder nach einem Kampf herzustellende – Ausnahme sein. Auf der Webseite der Sektion wallis.frei-denken.ch und auf der persönlichen Webseite von Valentin Abgottspon www.abgott.ch/misc finden sich viele Dokumente, Rückmeldungen, Briefe, Kuriositäten usw. zum Prozess und zu Aktivitäten der Sektion. Auf wallis.frei-denken.ch findet sich ein Verzeichnis mit detaillierten Angaben zu Themen, welche in diesem Artikel angesprochen werden (z. B. Gutachten, Protokolle von Gesprächen). FVS-Arbeitsgruppen An der Retraite vom 1. Oktober 2010 wurden drei Arbeitsgruppen gebildet zu den statutarischen Schwerpunkten der FVS: Politik, Wissenschaft, Humanismus. Arbeitsgruppe Politik Die AG Politik trifft sich am Samstag, 2. April (in Zürich), um die an der Herbstklausur 2010 besprochenen Aktionen vorzubereiten. Das Ziel ist, dass die wichtigste Forderung der Freidenker, nämlich die Trennung von Staat und Kirche, im Bewusstsein der Öffentlichkeit unweigerlich mit unserer Organisation verknüpft wird. Dazu planen wir, politische Aktionen im Rahmen der Statuten und unserer finanziellen Möglichkeiten durchzuführen. Einige Beispiele von Projekten: - Provokativ aufklärerische Plakatkampagne 2012 - Professionalisierung der Medienarbeit - Podcast - Initiativen vorbereiten - Abschaffung der Kirchensteuer für juristische Personen - Abschaffung der theologischen Fakultäten Wir wollen natürlich nicht nur debattieren, sondern ergebnisorientiert arbeiten und verbindliche Ziele vereinbaren. Gerne nehmen wir noch Anregungen und Ideen entgegen. Ein weiteres Treffen ist dann im Herbst geplant. Wer einen eigenen Beitrag leisten will oder ebenfalls in der Gruppe mitwirken möchte, ist dazu herzlich eingeladen. Melden Sie sich bei Rafael Vogt: politik@frei-denken.ch Die vier Mitglieder der AG Wissenschaft sind derzeit mit der Organisation des denkfests voll ausgelastet. Wir suchen noch Leute mit Event-Erfahrung für einzelne Aufgaben und HelferInnen für den Anlass. Aber auch neue AG-Mitglieder für die Arbeit nach 2011 sind willkommen. Interessierte melden sich bitte bei Grazia Annen: wissenschaft@frei-denken.ch Arbeitsgruppe Wissenschaft Arbeitsgruppe Humanismus Die AG Humanismus hat drei Teilprojekte in Angriff genommen: - Ritualangebot: Evaluation und Entwicklung - Argumentarium „Humanismus” - Projekt „Master in Humanologie” Auch diese Gruppe ist noch offen für weitere Interessierte. Wenden Sie sich an Roland Leu: humanismus@frei-denken.ch Kirchenmäuse frei denken. 2 I 2011 Sektionen Sektion Zürich Gottfried Schatz: „Wissenschaft ist Teil Agenda I 15 Basel I.d.R. freitags, 19:00 unserer Kultur und deshalb ein Vertrag zwischen den Generationen.“ Wieder luden die FreidenkerInnen Zürich im Anschluss an ihre Mitgliederversammlung zu einem öffentlichen Anlass ein. Das Interesse war gross: Kaum war das letzte Traktandum behandelt, begann sich der Saal auch schon bis auf die hintersten Reihen zu füllen. Diesmal las der Biochemiker und NZZ-Kolumnist Gottfried Schatz aus seinem neuen Buch „Feuersucher. Die Jagd nach den Rätseln der Lebensenergie“*. In dessen Mittelpunkt steht die Entdeckung der Energieproduktion bei der Zellatmung, eine der grössten biologischen Entdeckungen des letzten Jahrhunderts. Mit seiner atmosphärischen Schilderung der Forschungslandschaft der Nachkriegsgeneration in Österreich, Deutschland und der Schweiz sowie in den USA lässt Gottfried Schatz uns teilhaben an der Leidenschaft des Forschens und Entdeckens und beweist einmal mehr, dass naturwissenschaftliche Forschung in greifbarer Sprache und auf packende Weise vermittelbar ist. Petru Iuga, Professor für Kontrabass in Mannheim, der auf Einladung des Autors zwei Interpretationen klassischer Musik darbot, machte die Nähe von Naturwissenschaft und Musik erfahrbar und verband so Sinnliches und Sinnstiftendes des Anlasses. Das Zitat von Gottfried Schatz steht für sein Verständnis von Wissenschaft im Kontext von Kultur und Gesellschaft und für sein literarisches Schaffen im Dienste der Wissensvermittlung. Dadurch spürbar inspiriert, nutzte das bunt durchmischte Publikum den anschliessenden Apéro für angeregte Diskussionen. *Ab März 2011 im Handel. „Geschichten vom Ursprung des Lebens” von Richard Dawkins. Leitung: G. Rudolf Jeden letzten Freitag im Monat 19:00 Infos: 079 391 72 45 Restaurant Antalya Leonhardsgraben 8 Freie Zusammenkunft Samstag, 30. April Restaurant Spillmann Eisengasse 1 Sektion NWS: „Maiausflug“ mit dem Schiff von Basel-Schifflände nach Rheinfelden. Einladung folgt. Bern Montag, 18.4., 16.5., 20.6. 19:00 Abendtreff Diskutieren über Gott und die Welt Samstag, 28. Mai ca. 14:00–17:00 Restaurant National Hirschengraben 24 Retraite für Mitglieder Einladung folgt. Solothurn/Grenchen Freitag, 29. April 19:00 Höck und Nachtessen Samstag, 18. Juni 12:00 Restaurant Wengihaus Gerberngasse 9, Solothurn Mittsommer-Grillfest am Bielersee Strandweg 23, Gerolfingen BE Mitglieder aus allen Sektionen willkommen! Ausweichdatum: 25. Juni Details auf der Webseite oder beim Präsidenten der Sektion: Stefan Mauerhofer St. Gallen Dienstag, 24. Mai 10:30 Lars Habermann, Zürich Morgenhöck Mittwoch, 15. Juni Fischessen Schriftliche Einladung folgt Restaurant Dufour Bahnhofstrasse 19 Sektion Ostschweiz Die Generalversammlung hat sich im Februar 2011 vom Präsidenten Maurus Candrian verabschiedet, der das Amt 2009 in einer schwierigen Phase übernommen und die Sektion zu neuer Aktivität geführt hatte. Danke! Das neu gewählte Co-Präsidium teilen sich Daniel Stricker (neu) und Judith Hauptlin (bisher). Als Daniel Stricker Vorstandsmitglieder bestätigt wurden Walter Senn und Werner Heierli, neu im Vorstand ist Carlos Rageth. Im März hat sich der Vorstand zu seiner ersten Sitzung getroffen und sich folgendermassen konstituiert: Daniel Stricker: Co-Präsident, Kommunikation; Judith Hauptlin: Co-Präsidentin, Organisation; Carlos Rageth: Aktuar; Werner Heierli, Kassier; Judith Hauptlin Walter Senn: Beisitzer. Der Vorstand hat die Termine für die Morgenhöcks bestimmt, sowie künftige Anlässe diskutiert. An der nächsten Sitzung, am 3. Mai 2011, sollen diese konkretisiert werden. Zum denkfest hat der Vorstand eine Vergünstigung für die Mitglieder der Sektion beschlossen: CHF 50 wird jedem Mitglied zurückerstattet, das einen Festivalpass erwirbt. Falls Sie Wünsche oder Anregungen an den Vorstand haben, zögern Sie nicht, kontaktieren Sie uns. Telefonnummer und Adresse finden Sie auf der letzten Seite dieses Heftes. ds Wallis/Valais Abendhock FR 1.4., MI 4.5., FR 3.6. 19:00 Jeudi, 14.4., 9.6. 19:00 Restaurant Traube Visp Ferme Asile Sion Tauchlokal Turtmann Café Laïc Freitag, 24. Juni 19:00–23:30 Sommersonnenwende Winterthur Bei genügendem Interesse: April: Führung im Anthropologischen Museum Zürich Mai oder Juni: Besuch der Sternwarte Eschenberg Interessierte melden sich bitte beim Präsidenten, Kurt Schmid Lesegruppe Der Schriftsteller und Freidenker Franz Rueb startet eine Lesegruppe in Winterthur. Interessierte – auch Nichtmitglieder – melden sich möglichst rasch bei ihm persönlich an: www.franzrueb.ch -> Kontakt Zentralschweiz April: „Begegnung mit Valentin Abgottspon” (VS) Mai: Offenes Treffen Juni: „Wege und Stationen der Toleranz” Philosophischer Spaziergang mit dem kulturhistorischen Schriftsteller Franz Rueb (Zürich) Goldau Luzern Zugerberg Einladung folgt. Details auch auf www.freidenker-zentralschweiz.ch Zürich Montag, 18.4., 20.6. 14:30 Nachmittagstreff Restaurant Schweighof Schweighofstrasse 232 Bistro emo Predigerplatz 38/40 Wir gratulieren Irma von Wartburg-Schöpfer Sektion NWS Donnerstag, 14.4., 12.5., 9.6 20:00 Abendtreff Zentralvorstand 2011 Samstag, 16.4., 11.6., 20.8., 22.10. Freidenkerhaus, Bern zum 105. Geburtstag am 10.2.2011 Wir wünschen der Jubilarin von Herzen alles Gute und noch viele schöne Lebenstage! frei denken. 2 I 2011 Delegiertenversammlung 2011 denkfest 2011 8.–11. September Sonntag, 29. Mai Bahnhofbuffet, Olten Anträge bitte bis 15. April an die Geschäftsstelle. Volkshaus Zürich Adressen Trauerfeiern / Rituale Basel: Freidenker Nordwestschweiz Hans Mohler 079 455 67 24 Basel / Nordwestschweiz Freidenker Nordwestschweiz Postfach 260 4010 Basel basel-nws@frei-denken.ch Präsident: H. Mohler 061 261 36 19 Mitgliederdienst: B. Bisig 061 321 31 48 Solothurn / Grenchen Basel: Freidenker-Union Georges Rudolf 079 391 72 45 Freidenker Solothurn/Grenchen Postfach 217 2545 Selzach grenchen@frei-denken.ch Präsident: S. Mauerhofer 076 478 69 94 Mitgliederdienst: L. Höhneisen 076 539 93 01 Bern / Freiburg / Wallis Tony Baumgartner 079 300 20 10 Reta Caspar 079 795 15 92 Freidenker-Union Basel Postfach 4471 4002 Basel basel-union@frei-denken.ch Präsident: G. Rudolf 061 601 03 43 Mitgliederdienst: 061 601 03 23 Ticino Mittelland Hans Mohler 079 455 67 24 Erika Goergen 041 855 59 09 Associazione Svizzera dei Liberi Pensatori (ASLP) Sezione Ticino CP 721 6902 Paradiso ticino@frei-denken.ch Ostschweiz Christian D. Grichting 079 218 57 64 Hans Rutishauser 071 646 04 78 Bern Romandie FreidenkerInnen Region Bern Postfach 831 3550 Langnau regionbern@frei-denken.ch Präsident: D. Aellig 079 449 54 45 Mitgliederdienst: E. Schenker 031 351 83 82 FR Presidente R. Spielhofer 091 994 21 45 Vaud Président: Secrétariat: JU / NE J. P. Ravay 022 361 94 00 026 660 46 78 Yvo Caprara 026 660 46 78 Jean-Pierre Ravay 022 361 94 00 Ass. vaudoise de la Libre Pensée CP 5264 1002 Lausanne vaud@frei-denken.ch Solothurn / Grenchen Wallis L. Höneisen (Koord.) 076 539 93 01 Melanie Hartmann 078 644 74 72 Genève Libre Pensée de Genève 27 ch. des quoattes 1285 Avusy geneve@frei-denken.ch Président: J. P. Bouquet 022 756 40 49 Wallis / Valais Winterthur / Schaffhausen Christian D. Grichting 079 218 57 64 Hans Rutishauser 071 646 04 78 Freidenker Wallis Postfach 118 3922 Stalden wallis@frei-denken.ch Präsident: V. Abgottspon 078 671 08 03 Mittelland Zentralschweiz / Tessin Erika Goergen 041 855 59 09 Zürich Christian D. Grichting 079 218 57 64 Hans Rutishauser 071 646 04 78 Sollte unter den regionalen Nummern niemand zu erreichen sein, hinterlassen Sie bitte eine Mitteilung bei der FVS-Geschäftsstelle: 031 371 65 67, wir rufen zurück. Freidenker Mittelland Postfach 56 4628 Wolfwil mittelland@frei-denken.ch Präsident: H. Haldimann 062 926 16 33 Winterthur Präsident: Freidenker Winterthur Postfach 1806 8401 Winterthur winterthur@frei-denken.ch K. Schmid 052 337 06 27 Ostschweiz Co-Präsident: Zentralschweiz Präsidentin: Freidenker Ostschweiz Sonnenwiesstrasse 11 9555 Tobel/TG ostschweiz@frei-denken.ch D. Stricker 071 845 15 21 Freidenker Zentralschweiz Zugerstrasse 35 6415 Arth zentralschweiz@frei-denken.ch G. Annen 041 855 10 59 Adressänderung melden an FVS / ASLP Zentralkasse Postfach 217 CH-2545 Selzach zentralkasse@frei-denken.ch Schaffhausen Zürich Danke! Freidenker Schaffhausen Postfach 3206 3001 Bern schaffhausen@frei-denken.ch Kontakt: Martin Jung Freidenker Zürich Postfach 3353 8021 Zürich zuerich@frei-denken.ch Präsident: A. Kyriacou 044 253 18 96 Mitgliederdienst: A. Erne 043 299 53 36 AZB P.P./Journal CH-2545 Selzach Freidenker-Vereinigung der Schweiz www.frei-denken.ch