Demonstrationsrecht auf dem Bundesplatz nur für China-Claqueure: so geht es nicht

Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz verurteilt das politisch motivierte heutige Vorgehen der Polizei in Bern. Anlässlich des Besuchs des Chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping wurden nur Pro-China-Demonstranten auf den Bundesplatz gelassen. Chinesische Staatsmedien nutzten die willkommene Fotokulisse entsprechend für propagandistische Berichterstattung (Tweet-Original siehe hier):

Tibetische Kritiker wurden hingegen auf dem Waisenhausplatz von Polizisten in Kampfuniform und Wasserwerfern in Schach gehalten. Demonstranten, die laut «free Tibet» riefen, wurden gar aus der Menge geholt und abgeführt.

Die Freidenker halten das Recht auf freie Meinungsäusserung und auf Versammlungsfreiheit für ein essentielles Gut einer liberalen Gemeinschaft. Sie anerkennen durchaus, dass es punktuell eingeschränkt werden darf. Doch eine derart einseitige Parteinahme zugunsten eines undemokratischen Staates, der die Menschenrechte mit Füssen tritt, sollte nicht die Politik der Schweiz sein. Und schon gar nicht darf es Aufgabe unserer Polizeikräfte sein, Staatsoberhäuptern Wohlfühlkulissen mit Claqueuren bereitzustellen.

Das heutige Vorgehen weckt unschöne Erinnerungen an das übereifrige Eingreifen des Berner Botschaftsschutzes am 12. Juni 2015. Damals hielten sechs Personen auf dem Trottoir vor der Saudischen Botschaft ein Plakat hoch, in dem sie die Freilassung der politischen Gefangenen Raif Badawi und Waleed Abulkhair forderten (siehe Bericht). Nach weniger als einer Viertelstunde tauchte ein Polizeifahrzeug auf, konfiszierte das Plakat und zwang die Beteiligten, die stille Mahnwache abzubrechen. Der säkulare Blogger Raif Badawi und sein Anwalt sitzen beide nach wie vor in Saudi-Arabien in Haft. Die beiden und Raif Badawis Ehefrau, Ensaf Haidar, die sich seit ihrer Flucht nach Kanada unermüdlich für die Freilassung ihres Mannes einsetzt, erhielten am 9. Oktober 2015 den erstmals verliehenen Freidenkerpreis in der Höhe von CHF 10’000.- (siehe Bericht).

Die Freidenker erwarten eine politische Aufarbeitung des polizeilichen Vorgehens und einen klaren Verzicht auf derartige Bücklingshaltung gegenüber Despotenregimes.

 

Pressestimmen:

>>Artikel in "Der Bund vom" vom 16.1.2017  

"Der Einsatz der Berner Polizeikräfte bei der Demonstration von Exil-Tibetern in der Innestadt und in der Umgebung des Bundeshauses erntete am Sonntag viel Kritik, nicht nur von den betroffenen Tibeter-Organisationen selbst. Die Freidenker-Vereinigung etwa verurteilte in einer Mitteilung das «politisch motivierte Vorgehen». Es seien nur Pro-China-Demonstranten auf den Bundesplatz gelassen worden. Die derart «einseitige Parteinahme zugunsten eines undemokratischen Staates, der Menschrenrechte mit Füssen» trete, dürfe nicht Politik der Schweiz sein."
>>Artikel auf "blick.ch" vom 15.1.2017>>tagesanzeiger.ch vom 16.01.2017: "Das sind Bilder, die nicht zur Schweiz passen" >> Vizepräsident Valentin Abgottspon live bei Tele Bärn (ab Minute 4:30)