Kt. BE: Gutachten über Pfarrbesoldung

Ergebnisse des Gutachtens

1. Die geltende Verfassung bestimmt abschliessend, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen historisch begründete Rechte «gesetzesbeständig» sind, mithin bei Gesetzesänderungen erhöhten Schutz geniessen. Solchen Schutz erfahren heute nur die sog. wohlerworbenen Rechte. Es stellt sich daher die Frage, ob die hier interessierenden historisch begründeten Besoldungsansprüche wohlerworbene Rechte darstellen. Und falls ja, wieweit sie einen Anspruch vermitteln, der über den «allgemeinen» Lohnanspruch nach geltendem Gesetzesrecht hinaus geht.

2. Wohlerworbene Rechte werden nach ständiger, restriktiver bundesgerichtlicher Praxis aus der Eigentumsgarantie und dem Prinzip von Treu und Glauben abgeleitet. Zu ihnen zählen typischerweise Rechte mit sog. vertragsähnlichem Charakter sowie gesetzlich oder behördlich zugesicherte Ansprüche aus dem öffentlichen Dienstverhältnis. Sowohl die Entstehung wie auch die Beschränkung dieser Rechte lässt sich jeweils nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilen.

3. Weder das Dekret vom 7. Mai 1804 noch andere «historische» Akte des Staates bilden eine hinreichende (Vertrauens-)Grundlage, die ein wohlerworbenes Rechts der Kirche auf staatliche Pfarrbesoldung zu begründen vermöchte. Eine fortwährende («gesetzesbeständige») staatliche Besoldungspflicht lässt sich insofern rechtlich nicht begründen. Kommt hinzu, dass damals (d.h. im Jahre 1804) weder die Kirche noch die Geistlichkeit über eigene Rechtspersönlichkeit verfügten, mithin gar nicht Rechtsträger sein konnten. Sodann wäre auch für die Gegenwart zweifelhaft, ob die heutigen kirchlichen Körperschaften als (Grund-)Rechtsträger und Rechtsnachfolger überhaupt in Frage kämen.

4. Selbst wenn – entgegen den vorangehenden Darlegungen – von einem historisch begründeten wohlerworbenen Besoldungsanspruch der Kirche ausgegangen würde, wäre dieser nicht unantastbar. Nach den beiden Prinzipien der «Unveräusserlichkeit der öffentlichen Gewalt» sowie der «clausula rebus sic stantibus» könnte er unter Beachtung eines mässigen Übergangsregimes vom Gesetzgeber abgelöst werden. Ob damit gleichzeitig ein Anspruch der Kirche auf Rückübertragung des Kirchengutes – bzw. auf entsprechende finanzielle Entschädigung – verbunden wäre, ist eine Frage, die einer separaten Prüfung bedürfte. Selbst wenn sich jedoch hierfür Rechtstitel (z.B. Vertrag, Gesetz) nachweisen liessen, könnten auch diese nach den erwähnten Prinzipien nur beschränkt Geltung beanspruchen.

5. Ein institutioneller Anspruch, mithin ein wohlerworbenes Besoldungsrecht zugunsten der Kirche, lässt sich nach dem Gesagten somit nicht begründen (Ziff. 1-3). Indes schafft Art. 52 Abs. 2 KG einen individuellen wohlerworbenen Besoldungsanspruch. Dieser erstreckt sich auf sämtliche Pfarrpersonen, die unter Geltung dieser Vorschrift angestellt wurden bzw. dies in Zukunft noch werden. Sollen künftige Anstellungen von diesem Anspruch nicht mehr profitieren, bedarf es hierzu einer entsprechenden Gesetzesänderung; diese müsste allerdings die altrechtlich entstanden (wohlerworbenen) Ansprüche unberührt lassen.

6. Die Untersuchung hat deutlich gemacht: Die staatliche Pfarrbesoldung im Kanton Bern hat eine lange Geschichte. Eine Geschichte jedoch, die keine gesetzesbeständige Besoldungsordnung zu begründen vermochte. Zumindest in rechtlicher Hinsicht ist eine Neuregelung somit grundsätzlich möglich. Im Vordergrund muss so oder anders die politische und nicht die gerichtliche Lösungssuche stehen; ein salomonischer Richterspruch ist hier jedenfalls von den Gerichten nicht zu erwarten.

Quelle:

Markus Müller / Kaspar Sutter Der Anspruch auf staatliche Pfarrbesoldung im Kanton Bern Gutachten zuhanden der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern, S. 33 Bern, 30. März 2012

Gutachten Pfarrerbesoldung.pdf

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