Golgotha oder Colgate, das ist hier die Frage

Am Sonntag sprach Kurt Koch auf Einladung des Hilfwerkes "Kirche in Not" mit dem Nahostexperten Arnold Hottinger in Einsiedeln über die Lage der Christen im arabischen Raum. Dabei forderte der Kardinal mehr Unterstützung für die Glaubensbrüder und -schwestern, deren Lage sich im Zuge der Umwälzungen in der islamischen Welt verschlechtert hätte. Was es mit der "Christenverfolgung" auf sich hat war vor Kurzem auf den Seiten des HPD zu lesen. Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen wird in der Regionalpresse mit Aussagen zur Laizität und Einwanderung zitiert, die nicht unwidersprochen stehen bleiben sollen.

Kurt Koch beklagt die “Geschichtsvergessenheit” der Europäer. Der Abbau des Religionsunterrichts an den Schulen fördere diese geradewegs. So wüssten Junge kaum mehr zwischen Golgotha und Colgate zu unterscheiden. Es ginge der Kirche ja nicht darum, in den Klassenzimmern neue Mitglieder zu rekrutieren. Vielmehr wolle sie dazu beitragen, "dass wir unsere kulturellen Wurzeln kennen". Dabei verkennt seine Eminenz, dass Kulturgeschichte zum Bildungsauftrag der öffentlichen Schule gehört und hier besser aufgehoben ist als in klerikalen Händen. Zur Kultur zählt neben Kunst und Wissenschaft, Technik und Musik  auch das christlich geprägte Brauchtum. Und es ist richtig, Religion zu thematisieren, würdigend, wo sie es verdient, kritisierend, wenn es um ihre eher problematischen Ausprägungen geht. Unser Kontinent war während Jahrhunderten Schauplatz blutiger Glaubenskriege, die Schweizer Verfassung von 1848 ist gar das Resultat eines solchen.

Für eine konsequente Trennung von Kirche und Staat Die Trennung von Staat und Kirche ermöglicht das friedliche Nebeneinander verschiedener Lebensauffassungen. Das heisst nicht, die Religion aus der Gemeinschaft zu verbannen. Laizität bedeutet, dass der Staat alle Meinungen über die Welt, mit oder ohne Gott, zulässt, aber keine bevorzugt. Die Glaubensfreiheit ist eine Tochter der Meinungsfreiheit, nicht umgekehrt. Sie beansprucht darüber hinaus einen speziellen Schutz, nicht wegen ihrer Wichtigkeit, sondern wegen des Konfliktpotenzials, das Religionen in sich bergen. Ein Blick in die Geschichtsbücher, aber auch die Tagespresse, zeigt, welche Brände ein frommer Funken entfachen kann. Kurt Koch vertritt die Interessen der katholischen Kirche. Das ist legitim. Sie profitiert bis heute gehörig von ihrer Verflechtung mit dem Staat. Die Privilegien der einen sind aber immer die Lasten der andern. Mit Nachdruck ist Kurt Koch jedoch dort zu widersprechen, wo er den Glauben als Integrationsmotor anpreist. Viel zu oft spaltet er die Menschen und erschwert ihnen das Ankommen in der neuen Heimat. Was  Einheimische und Migranten gleichermassen verpflichtet ist der Rechtsstaat. In ihm sind die Werte unserer Gesellschaft verbrieft (Demokratie,  Gleichheit von Mann und Frau, Diskriminierungsverbot, etc.). Diese zu lehren und schätzen lernen, gegen Angriffe rückwärtsgewandter Kräfte zu verteidigen,  ist heute wahrlich wichtiger denn je. Weltweit sind nicht die Religionen, sondern die Errungenschaften der  Aufklärung gefährdet.

Freidenker Zentralschweiz