Kirchliche Präsenz an Kantonsschulen
In den Kantonen Aargau und Zürich betreiben die "Landeskirchen" ausgedehnte Lobbyarbeit an den Kantonsschulen. Aber auch in anderen Kantonen bestehen "Schulseelsorge"-Projekte.
Kt. ZH
"Ökumenische Mittelschularbeit""Die Schule leistet mit dem Religionsunterricht Bildungsarbeit - auch zugunsten der Kirchen; die Kirchen leisten Seelsorgearbeit - die auch den Schulen zugute kommt: Mit diesem Grundgedanken wird die Aufgabenteilung zwischen Kirchen und und Staat unterstrichen. Folglich wird der Religionsunterricht durch den Staat finanziert (Kompetenzbereich der Schulen), die Finanzierung der Seelsorgearbeit leisten die Kirchen (Interessenbereich der Kirchen)."
Beispiel: Foyer Rämibühl - katholische Mittelschulseelsorge
Angebote: offene "Foyers", Treffpunktarbeit, Projekt- und Gruppenarbeit, Weekends und Reisen. Ziel: "Reich-Gottes-Botschaft Jesu, welche wir in der Lebenswelt Schule als Deutungshilfe und Bezugspunkt für eine gelingende Lebensgestaltung sichtbar machen wollen." http://www.foyer-raemibuehl.ch/file/pdf/Leitbild%20Mittelschulseelsorge.pdf
Rechtliche Grundlagen
Im Mittelschulgesetz finden sich keiner der folgenden drei Begriffe: Kirche, Religion, Seelsorge.
Im Kirchengesetz heisst es: § 14 Die Kirchgemeinden haben gegenüber den politischen Gemeinden und den Schulgemeinden Anspruch auf die unentgeltliche Benützung von öffentlichen Schulräumen für den kirchlichen Jugendunterricht.
In Kirchenordnung der reformierten Kirche postuliert diese: Art. 72 Die Landeskirche setzt sich dafür ein, dass das Recht der Kinder und Jugendlichen auf Begegnung mit dem biblischen Erbe und der christlichen Überlieferung an der Schule gewahrt bleibt.
Seelsorger
http://www.rolanddiethelm.ch/pfarrer/engagement/lehrer_und_mittelschulseelsorger : "Als Mittelschulseelsorger und Lehrer für Religion setze ich mich zusammen mit meinem katholischen Kollegen und dem ganzen Lehrkonvent für das seelische und integrale Wohl der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrpersonen und aller Angestellten an der Schule und für eine menschenfreundliche Schul- und Lernkultur ein."
Kt. AG
Religionsunterricht und kirchliche Arbeit an kantonalen Schulen (ökumenisch)"Die kirchliche Arbeit an kantonalen Schulen wird in ökumenischer Verantwortung durchgeführt. Die Beauftragten unterrichten zusätzlich zu ihrem kirchlichen Auftrag, das Erteilen des Freifachs Religion, das vom Kanton finanzierte Ergänzungsfach Religion. Als Seelsorgende sind die Beauftragten zudem Ansprechpersonen für Schüler und Schülerinnen und Lehrpersonen, die in einer schwierigen Situation das persönliche Gespräch suchen. In Baden und Wettingen gibt es ein Foyer, das den Jugendlichen als Treffpunkt und Veranstaltungsort zur Verfügung steht. Zusätzlich engagieren sich die Beauftragten in Projekten, die meist in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Schulen durchgeführt werden und organisieren Veranstaltungen. An der Kantonsschule Baden, der Alten Kanti Aarau sowie an der Kantonsschule Wohlen sind katholische Beauftragte im ökumenischen Auftrag tätig. "
Neueste Entwicklung:
"Die römisch-katholische und die reformierte Kirche sind mit je einem Beauftragten an den Kantonsschulen präsent. Die Lehrbeauftragten erteilen gemäss der Mitteilung nicht nur Religionsunterricht, sondern leisten zudem fachliche Beratung, Foyerarbeit und Seelsorge. In den vergangenen Jahren seien die an die Zahl der Unterrichtsteilnehmer gekoppelten Pensen gesunken, so dass für eine umfassende Seelsorge kaum mehr Zeit übrig geblieben sei. Nun sollen die Pensen an den Kantonsschulen von Baden, Aarau und Wohlen von derzeit 65 auf 155 Prozent aufgestockt werden, heisst es in der Mitteilung weiter. Im Umfang von 10 Prozent wird weiter eine Fachstellenleitung geschaffen. Neu werden die Lehrbeauftragten durch eine Fachkommission begleitet. http://www.kipa-apic.ch/index.php?&pw=&na=0,0,0,0,d&ki=220914
Rechtliche Grundlagen
In den kirchlichen Papieren ist lediglich von der Kirchenordnung die Rede, nicht etwa vom Schulgesetz.
"GRUNDLAGENPAPIER DER KIRCHLICHEN ARBEIT AN KANTONALEN SCHULEN Präambel Bindend für die Beauftragten der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Aargau ist Art. 131 der Kirchenordnung, sowie die Beschlüsse der Synode des Jahres 1988 und der Bericht des Kirchenrates an die Synode aus dem Jahr 1993 und 1998. Bindend für die Be- auftragten der Römisch-Katholischen Landeskirche sind die landeskirchlichen Beschlüsse in Absprache mit dem Bischofsvikariats." http://www.religion-aargau.ch/download/kas-grundlagen_08.pdf
Im Dekret über die Mittelschulen steht lediglich
Kanton FR
Kanton BS
Katholische Schulseelsorge"Zusätzlich zum Religionsunterricht wird durch geschulte Fachpersonen an zwei Schulstandorten der Orientierungsschule das Projekt „Betreuung und Mediation“ angeboten. Das Projekt will mithelfen Kommunikation zu üben, zur gewaltfreien Konfliktlösung zu befähigen und Schülerinnen und Schüler individuell einzeln, in kleinen Gruppen oder auf Klassenebene zu begleiten. Das Projekt wird durch Stiftungen und Spenden finanziert." http://www.rkk-bs.ch/content.cfm?nav=1&content=88
«Weil es ein kirchliches Projekt ist, kann ich mich ohne äusseren Druck auf die Kinder konzentrieren», so Stephan Schmidt. Aber: Erfolgreich könne die Oase nur bleiben, wenn sie den Kindern konstant offenstehe. Denn Vertrauen aufzubauen, brauche Zeit. Leider merke er von Jahr zu Jahr, wie das Projekt um das finanzielle Überleben kämpfe.
http://www.kath.ch/upload/20090819153543.pdf
Integration durch Religion
Kt. UR
"will sich Bruno Durrer künftig vermehrt dem Seelsorgeraum Seedorf–Isenthal–Bauen widmen. Ein Fernziel des Religionspädagogen aus Obwalden ist es, an den Kreisschulen von Seedorf die Schulseelsorge umzusetzen. «Ich möchte den Jugendlichen Gott und die Religion näherbringen und so den Glauben im Alltag einbinden», umschreibt Bruno Durrer seine Ziele."http://www.urnerwochenblatt.ch/aktuelle_ausgabe/nachrichten_details.asp?id=7629
Kommentar
Die Kirchen stocken also auf, obwohl – oder gerade weil? –"die Zahl der Unterrichtsteilnehmer gekoppelten Pensen gesunken" ist.
Unklar ist, wer die ganze Geschichte wirklich finanziert. Klar ist aber, dass die "Landeskirchen" mit diesem Exklusivangebot ihre Gemeinnützigkeit untermauern und dass - mindestens im Kanton Zürich - diese Angebote ohne die Kirchensteuern für juristische Personen und staatliche Beiträge nicht bestehen würden.
Unklar ist weiter, auf welcher Rechtsgrundlage das Wirken der Kirchen an den Kantonsschulen ausserhalb des Religionsunterrichts basiert.
Namentlich konnte in keiner der gesetzlichen Grundlagen etwas über die "Seelsorge" an den Mittelschulen gefunden werden.
Es stellt sich die Frage, ob Mittelschulen deshalb besonders bewirtschaftet werden, weil die Kirchen sich dort ihren Nachwuchs für die Theologie und die Pfarrstellen sichern können.
Die Kirche postulieren ein "Recht der Kinder und Jugendlichen auf Begegnung mit dem biblischen Erbe und der christlichen Überlieferung" das es - im Gegensatz etwa zum Grundgesetz in Deutschland - in der Schweiz nicht gibt.
Mit ihrer Präsenz an den Mittelschulen schaffen die "Landeskirchen" sich einen exklusiven Raum der Begegnung mit den Jugendlichen, wo sie sich konkurrenzlos der Bewirtschaftung der "Sinnfragen" widmen können und die Jugendlichen für die Religionsfrage und entsprechende Maturaarbeiten gewinnen - damit legitimieren sie wiederum ihre Präsenz und die Präsenz ihres Faches an den Schulen und Universitäten.