"Religion und Kultur": Kritik bleibt bestehen

In Winterthur hat Gemeinderat Marc Wäckerlin (Piratenpartei) in einer Interpellation folgende Fragen gestellt zum neuen obligatorischen Fach:

  1. Wie kann man ohne Inhalt und Lehrmittel ein Fach vernünftig führen?
  2. Befasst sich das Fach auch kritisch mit Inhalt und Gefahren der Religionen, wie Gewalt, Krieg, Intoleranz und Ausgrenzung?
  3. Wie wird garantiert, dass Kinder aus weltlichem oder nur gelegenheitsreligiösem Elternhaus nicht diskriminiert werden?
  4. Religionsunterricht ohne weltliche Alternative bleibt Religionsunterricht, egal wieviele Religionen unterrichtet werden. Wie verträgt sich das mit der Bundesverfassung, Art. 15.4 «Niemand darf gezwungen werden, […] religiösem Unterricht zu folgen»?
  5. Können weltliche Eltern ihre Kinder abmelden, weil ihre Weltanschauung ausgeblendet wird? Wie würde gemäss Stadtjuristen das Bundesgericht urteilen? Werden die Eltern über die Kontroverse und ihre möglichen Rechte informiert?
  6. Wie wird sichergestellt, dass religiöse Lehrer das Fach neutral präsentieren und es nicht zum Missionieren missbrauchen?
  7. Wird tatsächlich eine Lektion «Mensch und Umwelt» gestrichen? Welchen Einfluss hat das auf die Bedeutung von Naturwissenschaft und Technik an der Primarschule.

In ihrer Antwort gesteht der Stadtrat zwar Probleme ein, sieht aber keinen Handlungsbedarf:

http://marc.waeckerlin.org/_media/politik/20110319_landbote.png?cache=cache

Kommentar

(Von Marc Wäckerlin verlesen als persönliche Erklärung am 28. März 2011 im Grossen Gemeinderat Winterthur)

"Die Antwort des Stadtrats auf Weisung GGR Nr. 2010/130 betr. Schriftliche Anfrage Qualitätssicherung im Fach «Religion und Kultur» zeigt, dass die in der Anfrage unterstellten Missstände tatsächlich existieren. Tatsächlich fehlt es sowohl an geeignetem Unterrichtsmaterial, wie auch an an geeignet ausgebildeten Lehrpersonen. Wie leider in der Schulpolitik des Kantons Zürich sehr oft, wurde eine Reform vorschnell und schlecht vorbereitet umgesetzt. Bereits bei der Integrativen Förderung war das der Fall. Hier möchte ich dringend an die Stadtregierung appellieren, künftig Reformen zurückhaltend umzusetzen und erst Lehrmittel, sowie Lehrkräfteausbildung abzuwarten und erst dann mit der lokalen Umsetzung zu beginnen.

Auch bleibt die Kritik bestehen, dass im Lehrmittel auf die am schnellsten wachsende zweitstärkste Religion nicht eingegangen wird: Die Religionslosigkeit. Bei immer mehr Menschen tritt Religion in den Hintergrund. Das in der Entwicklung befindliche Lehrmittel versucht hier, die Zeit zurück zu drehen. Religion wird im neuen Fach zu Unrecht überbewertet. Dabei ist es falsch, Religion dermassen wichtig zu nehmen. Religion ist Privatsache und soll es auch bleiben, denn über Religion kann man sich niemals einigen. Einigen können wir uns allerdings über alle Religionen und Kulturen hinweg auf gemeinsame Werte. Unsere Werte sind die Menschenrechte, Demokratie, Vernunft, Gleichberechtigung. Es ist völlig egal, ob der einzelne Mensch diese Werte aus dem Christentum bezieht, aus dem Islam oder aus einem aufgeklärten weltlichen Humanismus. Statt so etwas umstrittenes wie Religion ins Zentrum zu stellen, sollten wir uns besser mit Werten und Ethik beschäftigen."

http://marc.waeckerlin.org/politik/blog/qualitaetssicherung_im_fach_religion_und_kultur#kommentar_zur_antwort_des_stadtrats

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