Die FreidenkerInnen haben Abschied genommen von Jürg L. Caspar

Jürg L. Caspar 7.3.1931 – 1.12.2010

Während mehr als 20 Jahren hat Jürg die Geschicke der FVS mitgeprägt. Nachdem seine Frau Sonja 1985 Zentralsekretärin geworden war, nahm er neben dem Präsidium der Sektion Winterthur auch Einsitz im Zentralvorstand der FVS. Sein Bemühen galt dem inneren Zusammenhalt in den Wirren der 80er-Jahre. 1995 bis 2000 wirkte er im Triumvirat als Zentralpräsident, und betreute nach dem Tod seiner Frau vorübergehend auch das Zentralsekretariat. 2000 bis 2007 war er als Zentralpräsident Garant für Stabilität und Augenmass beim Aufbruch in die Zukunft der FVS. Dank seiner Debattierfreudigkeit hat er für die FVS etliche interessante Veranstaltungen organisiert und auch die internationalen Kontakte gepflegt. Sein Herz schlug aber vor allem für seine Sektion und für seine Tätigkeit als Abdankungsredner. Gerne hat er seine Erfahrungen geteilt, Trauernden Zuspruch gegeben und ein Stück Orientierung in einer Zeit der Krise. Nur wenige Wochen vor seinem Tod hat er die letzte Abdankung gehalten – die 252. soll es gewesen sein.

Ein reich erfülltes Leben – auch als Spediteur und Berater, als Familienmensch, Lebenspartner, Vater und Grossvater, als Musiker, Tänzer und Schauspieler, als passionierter Auto- und Motorradfahrer, als Menschen-, Pudel- und Katzenfreund – hat im eigenen Zuhause, umsorgt von seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern, seinen Abschluss gefunden.

Die Abschiedsfeier in Winterthur wurde von Christian Grichting gestaltet, Kurt Schmid (Präs. Sektion Winterthur) und Vivian Aldridge (Vizepräsident FVS bis 2008) haben die Verdienste des Verstorbenen gewürdigt. Danke, Jürg! Zentralvorstand FVS

Winterthurer Freidenker

Jürg L. Caspar zum Gedenken

Im Herbst 1981 hatte die Sektion Winterthur der Freidenker in der Lokalpresse eine Inseratekampagne lanciert. Die Schlagzeile lautete: „Auch Sie sind aus der Kirche ausgetreten?” Das Inserat sollte konfessionsfreie Personen auf die Freidenker aufmerksam machen. Auf dieses Inserat hin meldete sich unter anderen auch ein Ehepaar aus Rickenbach, Sonja und Jürg Caspar. Sie gaben den Beitritt zu den Freidenkern und nahmen von Anfang an intensiv am Leben der Sektion teil. Es war nur folgerichtig, dass Jürg sich an der Generalversammlung 1982 in den Vorstand der Sektion wählen liess und ein Jahr später das Präsidium übernahm. Die Sektion war damals proletarisch geprägt. Der grosse Teil der Mitglieder hatten mit dem wissenschaftlichen Sozialismus ohnehin schon ein solides weltanschauliches Rüstzeug. Da es sich bei den Mitgliedern also um mehr oder weniger „sattelfeste” Atheisten handelte, war der Bedarf nach einem breiteren Veranstaltungsprogramm gering. Neben der Generalversammlung im Frühling gab es allenfalls einen internen Vortrag im Herbst oder zum Anlass der Winter-Sonnwende. Im Übrigen war den Mitgliedern wichtig, dass die Sektion einen funktionierenden weltlichen Familiendienst bietet, der von kirchlichen Dienstleistungen unabhängig machte. Mit Jürg Caspar als Präsident wurden in der Sektion wesentliche Neuerungen eingeführt. Der Veranstaltungskalender wurde dichter. Legendär wurden die „Freidenker-Zmorge”, die sonntags im 2-Monate-Rhythmus stattfanden und über lange Zeit zur festen Institution bei den Winterthurer Freidenkern gehörten. Die Sonnwendfeier wurde von einem Vortragsabend zu einem ausgedehnten Sonntagsanlass mit Bankett und Unterhaltung. Damit einher ging eine gewisse Öffnung der Sektion, die zu einer bürgerlicher geprägten Mitgliederschaft führte, was sich bald auch in der Mitgliederentwicklung niederschlug. Vereinzelte öffentliche Veranstaltungen mit teilweise sehr prominenten Referenten wie dem Kirchenkritiker Karl-Heinz Deschner, der rebellischen Theologin Uta Ranke-Heinemann, der Kommunistin Lydia Woog oder der Sprachfeministin Luise Pusch lösten grosses Echo aus. Die Liste der Referierenden legt ein beredtes Zeugnis ab von der toleranten Grundhaltung Jürg Caspars und seiner Sympathie für quer liegende Meinungen, auch wenn er sie nicht teilte. Einen grossen Beitrag zur Prosperität der Sektion leistete Jürg zusammen mit Sonja, indem sie bei sich zu Hause ein leistungsfähiges Sekretariat aufbauten. Es wurde zur bewährten Anlaufstelle für die Mitglieder und alle Interessierten. Kein Wunder, dass die nationale Vereinigung bald auf die gute Infrastruktur der Winterthurer aufmerksam wurde und sie auch für die Freidenker-Vereinigung der Schweiz zu nutzen begann. Damit ging einher, dass Jürgs Aktivitäten den lokalen Rahmen zu sprengen begannen. Auf sein Engagement und seine Durchsetzungkraft wollte man im Zentralvorstand und dann später auch als Zentralpräsident nicht verzichten. Das Leben Jürg Caspars als Mitglied der Winterthurer Freidenker wäre nicht ausreichend gewürdigt, wenn nicht auf seine Laufbahn als viel verlangter Abdankungsredner hingewiesen würde. Bis ins hohe Alter wurde er engagiert, um konfessionsfreie Mitbürgerinnen und Mitbürger, Mitglieder wie Nichtmitglieder, auf ihrem letzten Gang geziemend zu begleiten. Er verstand es dabei wie nur wenige, die verstorbene Person vor den Trauernden in der Erinnerung noch einmal lebendig werden zu lassen und ihr so zu einem ungeschminkten, aber würdevollen Andenken zu verhelfen. Jürgs grosse Anerkennung als Redner für Trauerfeiern spiegelt sich auch darin, dass er weit herum im Land dafür engagiert wurde. Und nicht zuletzt hat Jürg Caspar mit seiner überzeugenden Art, Trauerfeiern durchzuführen, zahlreiche Menschen zum Beitritt zur Freidenker-Vereinigung bewegt. Die Winterthurer Freidenker entbieten ihrem Ehrenpräsidenten Jürg Caspar für sein unermüdliches Schaffen zugunsten der Sektion wie auch der ganzen Freidenker-Bewegung und der Interessen der Konfessionsfreien, aber auch für die Kameradschaft, die ihre Mitglieder von ihm erfahren durften, einen letzten Dank. Vorstand Winterthurer Freidenker