NFP 58: Finanzierung und Nutzen? der Religionsgemeinschaften

Die heute publizierte Studie bringt wenig Neues, aber das kompakt: Die Kirchen nehmen pro Jahr 1.35 Mia. Franken an Kirchensteuern von ihren Mitgliedern ein. Weitere 300 Mio. Franken werden von den Kantonen an die Kantonalkirchen transferiert. Die juristischen Personen entrichten schweizweit Kirchensteuern im Umfang von 260 Mio. Franken. Die weiteren Ergebnisse der Studie sind mit Vorsicht zu geniessen.

Finanzierung

Private Finanzierung: 1,35 Mia. Franken

Das Kirchensteueraufkommen der natürlichen Personen zu Gunsten der Landeskirchen beträgt 1,35 Mia. Fr. pro Jahr. Anteile: 52% von katholischen Mitgliedern, 48% von reformierten.

Öffentliche Finanzierung: 0.556 Mia. Franken

Das Kirchensteueraufkommen der juristischen Personen zu gunsten der Landeskirchen beträgt 260 Mio Fr. pro Jahr. Die staatlichen Direktzahlungen an die Landeskirchen betragen 300 Mio Fr. pro Jahr. ! Diese Zahl ist viel zu tief, da sie nur Zahlungen auf Stufe Kanton erfasst, die eigentlichen Akteure aber die Kirch-/ und politischen Gemeinden sind. ! Die Aufwendungen für den Unterhalt von Bauten im Besitz der Kirchen wurden nicht erfasst.

Leistung?

Die Studie hat in den Kantonen St. Gallen und Bern die Arbeitsstunden, die von den Kirchen erbracht werden, ermittelt und in Franken umgerechnet. Sie kommt zum Schluss: "Der Wert der sozialen Dienstleistungen der beiden Landeskirchen erreicht selbst in einer konservativen Schätzung ungefähr die Grössenordnung der Kosten für die Öffentlichkeit, wie die Hochrechnungen für die Kantone Bern und St. Gallen."

! Es wurden nicht Leistungen und ihre Kosten gemessen, sondern Arbeitsstunden. Die Studie selbst sagt nichts darüber aus, ob die Leistung stimmt, wer davon profitiert und ob sie auch effizient erbracht wird.

Nutzen?

In einer Befragung wurde in der Studie die Finanzierungsbereitschaft der Berner Bevölkerung erfasst. ! Es wurden nicht Leistungen und ihre Kosten erfasst, was etwas über die Kosten einer Entflechtung aussagen würde. ! Es wurde nicht erfasst, wer Leistungen bezieht. Es wurde lediglich erfasst, wieviel die Berner Bevölkerung hypothetisch zu bezahlen bereit wäre für das, was die Kirchen anbieten. ! Da die Finanzierung der Kirchenangebote für die BürgerInnen nicht transparent ist, werden hier vor allem Mythen gemessen.

Gerade im Kanton Bern wurde der Bevölkerung in Diskussionen um die Kirchensteuer für juristische Personen von der Politik mehrfach beteuert, dass die Landeskirchen eine besonders günstige Dienstleistung anbiete. Was diese wirklich wert ist, das beantwortet auch die NFP 58 Studie nicht.

Die Landeskirchen sollten sich hüten, aus dieser Studie abzuleiten, sie seien ihren Preis wert!

Die Studie räumt leider nicht auf mit folgenden Mythen:

Mythos 1

"Die Kirchen erbringen einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen zu tiefen Kosten."

Darüber sagt die Studie nichts. Sie erfasst nicht die Leistungen und Effizienz der kirchlichen Dienstleistungen, sondern lediglich deren Reputation bei den BürgerInnen.

Mythos 2

"Die Kirchen sind gemeinnützig, sie bieten auch Nichtmitgliedern einen Nutzen."

Darüber sagt die Studie nichts. Sie erfasst nur den von den BürgerInnen subjektiv empfundenen Nutzen - für sich und für andere. Andereseits ist vor allem in der reformierten Kirche ein Trend zu Gebühren für Leistungen an Nichtmitgliedern zu beobachten:

http://www.frei-denken.ch/de/2010/07/kirchen-sind-je-langer-je-weniger-gemeinnutzig/

Mythos 3

"Die Kirche bieten auch nicht aktiven Mitgliedern Sinngebung"

Darüber sagt die Studie nichts. Sie stellt lediglich die bekannte Tatsache fest, dass die Mehrheit der BürgerInnen an der Kirche die Rituale schätzt. Ebensogut könnte man behaupten, dass die Kirchen Event-Anbieter sind, welche über besonders attraktive Locations verfügt,  die aber  wahrscheinlich mehrheitlich staatlich finanziert werden.

Mythos 4

"Die Kirchen erbringen besonders viele ehrenamtliche Leistungen"

Darüber sagt die Studie nichts. Sie erfasst zwar ehrenamtliche Leistungen, aber vergleicht sie nicht. Eine andere Studie hat kürzlich ergeben, dass im Kt. BL 60% der Sozialdienstleistungen der Landeskirchen ehrenamtlich erbracht werden. Na und? In Tausenden von Vereinen und Selbsthilfegruppen wird 100% ehrenamtlich gearbeitet: http://www.nzz.ch/nachrichten/startseite/die_vereine__die_heimlichen_paedagogen_1.8968129.html

Basis eines neuen Mythos

Die Geschäftsstelle der FVS hat die Kritik an der Studie mit deren Co Autor Dr. Michael Marti in einem informellen Gespräch debattiert. Marti bestätigte dabei, dass der Slogan und neue Mythos "Die Kirchen sind ihr Geld wert", der am Anfang an der Pressekonferenz zur Studie von Kirchenseite als Fazit gesetzt wurde, in dieser Verkürzung nicht stimmt.

Das Forschungsprojekt

Details zum Projekt Fakir innerhalb des NFP 58:   http://www.nfp58.ch/d_projekte_institutionen.cfm?projekt=87 Kosten: 250'000 Fr.