Religiöse Feiertage

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Wer wird diskriminiert: christliche Schüler oder andersgläubige?

Schüler nicht christlichen Glaubens müssen für religiöse Feiertage keinen ihrer Joker-Freitage opfern. So will es der Regierungsrat. Dies sorgt für Kritik.

Heute in einer Woche feiern die Muslime das sogenannte Opferfest, den höchsten islamischen Feiertag. Am kommenden Dienstag werden muslimische Kinder und Jugendliche die Schulbank nicht drücken müssen, sofern sie ein Gesuch stellen. Sie erhalten eine Dispens, um den Feiertag begehen und damit ihre Religion ausüben zu können.

Christliche Schüler sehen darin eine Diskriminierung; das zumindest behaupten die drei Kantonsräte Stefan Dollenmeier (EDU, Rüti), Ruth Kleiber (EVP, Winterthur) und Matthias Hauser (SVP, Hüntwangen). Angehörige anderer Religionen hätten sowohl an offiziellen Festtagen als auch an Festtagen ihrer Religion schulfrei. Dies sei ungerecht, monieren sie in einem Postulat. Religionsfrieden erhalten Als Lösung schlagen die drei Kantonsräte vor, dass Schülerinnen und Schüler nicht christlichen Glaubens künftig ihre Jokertage für die Teilnahme an religiösen Festen hergeben müssen. An diesen Jokertagen – es sind pro Jahr zwei – können sämtliche Schüler dem Unterricht fernbleiben, ohne Gesuch, ohne Begründung. Einzige Bedingung: Eltern müssen der Schule vorgängig mitteilen, wann ihr Kind die beiden Tage beziehen wird. Diese «einfache Massnahme» könnte nach Ansicht der drei Kantonsräte einen «Beitrag zum Erhalt des Religionsfriedens» an den Schulen leisten und die Zahl der Absenzen mindern. Die Regierung sieht es anders. In ihrer Antwort auf das Postulat warnt sie zwar ebenfalls vor einer Diskriminierung – allerdings mit Blick auf die Kinder nicht christlichen Glaubens. Wenn diese für die Teilnahme an ihren Religionsfesten Jokertage einsetzen müssten, würden sie zwar nicht daran gehindert, ihren Glauben auszuüben, «doch werden sie aufgrund ihrer Andersgläubigkeit schlechtergestellt» als ihre Mitschüler christlichen Glaubens, die über die beiden Tage frei verfügen könnten. «Paragrafenreiterei» Die Haltung der Regierung interpretiert SVP-Kantonsrat Matthias Hauser als «typischen Fall von Paragrafenreiterei»: Die rechtlich an sich korrekte Argumentation der Regierung führe in der Praxis zur «Ungleichheit». Die Regierung hingegen betont, die geltende Regelung habe sich bewährt. SVP-Kantonsrat Hauser, selber Sekundarlehrer, hat eine andere Wahrnehmung. In Schulen mit einem hohen Anteil an Muslimen und Buddhisten nähmen sehr viele Kinder an den Feiertagen frei, ein Drittel bis zur Hälfte der Klasse. «Das Problem wird verkannt», sagt er. Oft seien solche Schüler nicht in der Lage, selbstständig den Stoff nachzuholen, durch die zahlreichen Absenzen verlangsame sich der Unterricht. Hauser hat zudem die Erfahrung gemacht, dass Jugendliche, die an religiösen Feiertagen in der Schule fehlen, selber oft keine Ahnung von der Feier in ihrer Religion hätten. «Stattdessen hängen sie dann mit Kollegen rum.» Nur wenige Gesuche Die Regierung widerspricht dem: Die Eltern würden nur zurückhaltend Dispensationsgesuche stellen. Eine Zahl nennt sie nicht. Zu diesem Befund kam laut Regierung eine Studie der Universität Zürich (2008), in der Eltern, Lehrpersonen und Schulpräsidenten zur Thematik Auskunft gegeben hatten. Die Eltern, so das Fazit, seien daran interessiert, dass ihre Kinder die Schule «ohne grössere Lücken» besuchten und mit dem Lernstoff vorankämen.

http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/gemeinde.htmlWer-wird-diskriminiert-christliche-Schueler-oder-andersglaeubigeDiskriminierung-fuer-christliche-Schueler-oder-fuer-Andersglaeubige/story/29059050

Kommentar

Tatsächlich tragen viele öffentliche Feiertage in der Schweiz christliche Namen. Genau besehen haben sie aber eine viel ältere, meist jahreszeitliche Tradition. Daran könnte wieder angeknüpft und die jüdischen, christlichen und muslimischen, sowie alle weiteren religösen Traditionen in den Privatbereich verwiesen werden. Damit würden auch Bestrebungen obsolet, den Kindern in der Schule die Feiertage "christlich" zu erklären, obwohl z.B. an Weihnachten wie an Ostern in den Familien nicht die christlichen, sondern die heidnischen Bräuche gepflegt werden, wie z.B. Weihnachtsbaum, Ostereier und Osterhasen. Die Diskussion im Kt. Zürich ist ein Beispiel dafür, dass die bis anhin geltende Privilegierung der christlichen Bekenntnisse in der Schweiz mehr und mehr zu Problemen führt. Die Trennung von Staat und Kirchen/Religionen könnte ein säkulares Verständnis von bisherigen Feiertagen als jahreszeitliche lange Wochenenden mit sich bringen.Reta Caspar
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