Religion versus Intellekt

Replik auf Leserbriefe, insb. jenen von Sigi Scherrer im St. Galler Tagblatt vom 24.09.10

Erstaunlich bis amüsant, wie sich gewisse religiöse Kreise ob eines Leserbriefes, welcher Religion (wohlgemerkt mit guten Argumenten) in Frage stellt, enervieren. Insbesondere Sigi Scherrer aus Vaduz, aus jenem Kleinstaat, in welchen die Schweizer Katholiken den Fundamentalisten Wolfgang Haas wegbefördert haben, tut sich mit purer Polemik hervor, ohne einen einzigen Gedanken meines Schreibens objektiv widerlegen zu können. Religion ist, im wissenschaftlichen Sinne, eine Wahnvorstellung. Definition "Wahn" nach Wikipedia: "Der Begriff Wahn repräsentiert eine Überzeugung, die 1. logisch inkonsistent ist oder wohlbestätigtem Wissen über die reale Welt widerspricht und 2. trotz gegenteiliger Belege aufrechterhalten wird, weil die persönliche Gewissheit der Betroffenen so stark ist, dass sie rational nicht mehr zugänglich sind". Es gibt keinen Beweis, und nicht einmal das allergeringste Indiz für die Existenz irgendeines Wesens namens "Gott", welches einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten könnte.

Leider wurde und wird ein Grossteil der Bevölkerung in vielen Weltregionen religiös indoktriniert. Ein Kleinkind, welchem eingeimpft wird, es gebe einen (lieben, bösen oder was auch immer) Gott, stellt dies nicht in Frage, es akzeptiert es als "wahr". Um solche "Wahrheiten" im späteren Erwachsenenleben zu hinterfragen, braucht es aktive Schritte, wofür viele Leute offenbar zu bequem sind. Es ist für viele Menschen einfacher, sich von irgenwelchen schönen Märchen einlullen zu lassen, statt sich den Realitäten zu stellen und selber Verantwortung für sein eigenes Leben, aber auch für die Welt zu übernehmen.

Der moderne, intelligente und aufgeklärte Mensch hinterfragt Dogmen jeglicher Art, auch wenn sie Jahrtausende lang gepredigt worden sind. Er lehnt Behauptungen, die sich in keinster Weise belegen lassen, ab, und er bemüht sich stattdessen um Objektivität und Fakten; im Wissen, dass Dinge, welche nach jeweils aktuellem Kenntnisstand als "höchst wahrscheinlich" betrachtet werden, später aufgrund neuer, zusätzlicher Kenntnisse durchaus wieder in Frage gestellt oder weiterentwickelt werden können.

Die Aufklärung, nach dem "finsteren Mittelalter" als "siècle de la lumière" begonnen, ist ein Jahrtausendprojekt; es dürfte aufklärerischen Handlungsbedarf geben, solange es Menschen geben wird. Jedenfalls empfehle ich, dogmatische Fesseln jeglicher Art abzustreifen, die Freiheiten zu geniessen und aus jener (kleinen) Zeitspanne auf der Zeitachse der Ewigkeit, welche dem einzelnen Menschen für sein Leben zur Verfügung steht, das Bestmögliche für sich herauszuholen, im Einklang mit sich selber und mit seiner Umwelt.

Maurus Candrian, Präsident Freidenker Ostschweiz, Höhenweg 15, 9000 St. Gallen