Kt. TI: Freidenker kritisieren intransparente Einführung des Schulfaches "Religionsgeschichte"
Kommuniqué vom 5.8.2010
Die Tessiner Sektion der Freidenker-Vereinigung bekräftigt ihre Kritik an der Art und Weise, wie das neue Unterrichtsfach "Religionsgeschichte" in einigen Abteilungen der Sekundarschule eingeführt wurde. Ganz offensichtlich reagieren die Verantwortlichen der Volksschule einerseits auf den Druck aus den Führungsriegen der Glaubensgemeinschaften und andererseits auf die stetig sinkende Zahl der Kinder, die den konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Die vorgesehene "Reform" ist ein Versuch, mit bewusster oder unbewusster Hilfestellung durch die Bildungsverantwortlichen, die Glaubensunterweisung unter dem Deckmantel eines "Geschichtsunterrichtes" gegen alle Vernunft und in eklatanter Missachtung des säkularen Charakters der öffentlichen Schule, wieder für alle verbindlich im Lehrplan zu verankern.
Inhaltlich wird sich das neue Fach - gegen dessen Einführung die FVS Tessin schon im Vorfeld gemahnt hatte - in der Lektüre der "heiligen Schriften" erschöpfen. Die Befürworter des noch als Pilotversuch deklarierten Faches verstehen den Unterricht durchaus bewusst als Religions- und nicht als Geschichtsunterricht (d.h. als teaching IN religion statt teaching ABOUT religion.). Das zeigt sich darin, dass der eine Teil der betroffenen Kinder sich obligatorisch entweder für den herkömmlichen Religionsunterricht oder das neue Fach Religionsgeschichte entscheiden muss, womit beiden Fächern faktisch der gleiche Stellenwert zugebilligt wird. Ginge es um die Vermittlung historischer Inhalte, wären die Kinder, die sich für den Katechismus entscheiden, nicht vom Besuch des andern Wahlpflichtfaches befreit.
Die Tessiner Freidenker behalten sich daher vor, die Entwicklung genaustens mitzuverfolgen und ggf. beim Bundesgericht wegen Verfassungswidrikeit zu klagen. Auch die Lehrerauswahl erfolgte nicht mit der gebotenen Neutralität: Entgegen den Versicherungen des kantonalen Bildungsamtes sind nun die Absolventen der theologischen Fakultät von Lugano mit ihrer erklärt christkatholischen Ausrichtung auch qualifiziert, oder besser gesagt prädestiniert, das Fach zu unterrichten.
Die Freidenker waren immer gegen die Einführung eines weiteren Schulfaches. Das religiöse Phänomen kann, wie alle anderen Ausdrucksformen menschlichen Wirkens bestens innerhalb der bereits existierenden Fächer abgehandelt werden (Geschichte, Literatur, Kunstgeschichte, Philosophie, etc.).
Die vielen offenen Fragen erfordern die Bildung einer Begleitgruppe, die das Experiment von Anfang an beobachtet und evaluiert. Das Panel soll gemischt sein und auch nichtreligiöse Vertreter umfassen. Gemäss neusten Zahlen des Observatoriums der Religionen sind mittlerweile rund 10% der Schweizer Bevölkerung konfessionlos und somit nach den Reformierten und Katholiken landesweit die 3.grösse weltanschauliche Gruppe (noch vor den 5% Muslimen). Ein entsprechendes Gesuch ans Amt für Bildung, Kultur und Sport ist geplant.
Für die Freidenker-Vereinigung Sektion Tessin Der Präsident: Roberto Spielhofer Der Sekretär: Giovanni Barella