Der “Islamischer Zentralrat Schweiz” und seine Ziele aus säkularer Sicht
Der “Islamische Zentralrat Schweiz” sorgt seit der Aufnahme des Minarettverbotes in die Verfassung regelmässig landesweit für Schlagzeilen. In der Presse findet die Bewegung äusserst zwiespältige Resonanz. Liest man die im Web veröffentlichten Zielsetzungen, so sind aus säkularer Sicht in der Tat einige Fragen angebracht.
Wichtig dürfte zunächst sein, wie sich das Auftreten einer islamischen Organisation auf den Prozess der Säkularisierung in der Schweiz auswirken kann. In unserer Gesellschaft wurde Religion durch den Prozess der Aufklärung erfolgreich in die Privatsphäre zurückgedrängt. Dies ist die einzige nachhaltige Lösung, in einem pluralistischen Staat ein geordnetes Zusammenleben zu ermöglichen. Die in der Schweiz noch vorhandenen kantonal anerkannten Landeskirchen muten dabei als Anachronismus an. Ihr Ringen um Legitimität nimmt zuweilen bizarre Züge an. Jedenfalls fehlt ihren Forderungen meist die sachliche und immer mehr überhaupt die demokratische Begründung.
Nach dem Gesagten ist nun eine islamische Organisation, welche sich um die selbe Art von Legitimität für Muslime bemühen will, für die Säkularisierung der Schweiz nicht hilfreich. Sie verkompliziert die Diskussion um die Dimension des Islams. Dies führt dazu, dass inhaltlich eigentlich sachfremde Themen wie Migration oder Überfremdung mit der Laizitätsdebatte vermengt werden. Die so eingebrachten Tretminen des Dialoges (Rassismus, Respekt, Multikulturalismus) sind aber geeignet, Glaubenssysteme gegen Kritik zu immunisieren und vor jeglichem Hinterfragen zu schützen. Dabei ist eine kritische Auseinandersetzung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten mit islamischen Organisationen dringend notwendig, genau wie eine solche auch mit den christlichen Kirchen stattfinden muss.
Die säkulare Gesellschaft misst ihre Akteure vor allem an der Akzeptanz rechtstaatlicher Prinzipien und an der Bereitschaft, sich im sozialen Zusammenleben einzuordnen. Religiöse Organisationen haben den demokratisch legitimierten Rahmen unserer Gesellschaft nicht nur zu akzeptieren, sondern auch mitzutragen. Der Islamische Zentralrat Schweiz tut dies nicht. Er fordert die Einführung einer theologischen Instanz zur Behandlung islamischer Fragen. Mit Blick auf die weit gehenden Vorschriften für muslimische Gläubige würde dies de facto zur Bildung einer Parallelgesellschaft führen. Organisationen aber, die solchen Ideen Vorschub leisten, sind nicht in der politischen Debatte, sondern allenfalls für den Staatsschutz relevant.
Die Agenda des Islamischen Zentralrates Schweiz ist rundweg abzulehnen. Ihre Argumentation ist eine theologische und im vernünftigen Dialog unbrauchbar. Ihre Forderungen sind rechtstaatlich bedenklich. Die Organisation verkennt, dass der einzige Weg zu einem geordneten Miteinander mehrerer Religionen nicht die Berücksichtigung aller, sondern eben gerade keiner religiöser Interessen ist. Die einzige Möglichkeit für den Staat in weltanschaulichen Fragen kein Unrecht zu begehen ist eine unparteiische und neutrale Haltung. Anstatt Anerkennung weiterer Glaubensrichtungen anzustreben sind die geltenden Privilegien der Landeskirchen gänzlich abzuschaffen.
Entgegen häufiger Auffassung verbietet es hingegen die weltanschauliche Neutralität des Staates nicht, Regulierungen aufzustellen, um die öffentliche Ausübung der Religion in ihre Schranken zu weisen (z.B. Minarett- Kruzifix und Burkaverbot).
M.S., Bern