Papst in Spanien auf verlorenem Posten

Der Papst will Spanien zum Glauben zurückführen.

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Von Cornelia Derichsweiler

Von einem zunehmend «aggressiven Laizismus» in Spanien hatte Benedikt XVI. schon im Flugzeug gegenüber Journalisten gesprochen, noch ehe er den Fuss auf den Boden des Landes setzte, dem er am Wochenende einen Kurzbesuch abstattete. Dabei beschrieb der Papst Spanien gewissermassen als Epizentrum einer den Vatikan beunruhigenden Entwicklung, die derzeit in ganz Europa ablaufe.

Der Kirche den Rücken gekehrt

Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero erinnerte später bei der kurzen Zusammenkunft zum Ende des päpstlichen Besuchs daran, dass sein Land durch die Verfassung nicht konfessionell gebunden sei. Tatsache darüber hinaus aber ist, dass immer mehr Menschen dieser einstmals erzkatholischen Bastion der Kirche den Rücken kehren. Die Zahlen sprechen für sich: Auch wenn nahezu 90 Prozent aller Spanier getauft sind, so pflegen doch nur 14 Prozent von ihnen sonntags in die Kirche zu gehen. Nach der Papstvisite vom Wochenende dürfte die Kluft zwischen der Kirche und den ihr zunehmend verloren gehenden Schäfchen in Spanien eher noch grösser werden.

Unangebrachter Vergleich

Der Laizismus-Vorwurf des Pontifex zielt nicht nur auf die Reformen der Regierung, die mit der Legalisierung der Homo-Ehe und der Lockerung des Abtreibungsgesetzes den Zorn des Vatikans auf sich gezogen hatte. Benedikt ging in seiner Kritik sogar noch weiter, indem er einen Vergleich zwischen der fortschreitenden Säkularisierung im demokratischen Spanien und der Situation der Zweiten Republik in den dreissiger Jahren zog. Damals hatte es in kirchenfeindlichen Kreisen in der Tat ausgesprochen militante Haltungen gegeben, die weit über das hinausreichten, was als laizistisch verstanden werden kann, und die später im Bürgerkrieg auch zur Ermordung katholischer Priester führten. Abgesehen davon, dass die damalige Situation mit der heutigen nichts gemein hat, scheint der Papst bei seinem Vergleich offenbar auch die düstere Rolle, die der Klerus in diesen Jahren spielte, zu vergessen; die Kirche hatte den Faschisten im Bürgerkrieg stets treu zur Seite gestanden und diente Franco später in der 40 Jahre währenden Diktatur als wesentlicher Eckpfeiler seiner Macht.

Auch ein Blick noch weiter zurück in die Geschichte zeigt, mit welcher Macht die Kirche das Land jahrhundertelang als uneinnehmbare Glaubensfestung beherrschte. Nach der Reconquista wurden Mauren und Juden vertrieben, und wer sich nicht freiwillig zum katholischen Glauben bekannte, wurde zwangsweise konvertiert. So muss der Kirche der Verlust ihrer ehemaligen Hegemonie über Spanien als der eines Territoriums erscheinen, das sie stets als ihr Eigentum betrachtete.

Finanziell am Tropf des Staates

Dabei vergass Papst Benedikt in seiner Kritik an Spaniens unaufhaltsamem Säkularisierungsprozess auch die bevorzugte Behandlung, die der Staat der Kirche bis heute gewährt. Anders als in vielen Ländern Europas steht die Institution in Spanien zumindest finanziell nicht auf eigenen Füssen. Der Staat unterstützt die Kirche jährlich mit Beträgen in Milliardenhöhe, zahlt nicht nur den Unterhalt der konfessionellen Schulen, sondern auch die Gehälter der Bischöfe und finanziert etwa auch die Restaurierung der Kirchen. Das alles zeigt, wie schwer die Trennung von Kirche und Staat einem Land mit einer so langen katholischen Tradition - trotz allen Modernisierungsbestrebungen - noch heute fällt.

Mit seinen wenig diplomatischen Äusserungen über ein Land, das sich - wie viele europäische Nachbarn auch - in einem gesellschaftlichen Wandel befindet, hat Benedikt sicher keine Brücke zur spanischen Bevölkerung schlagen können. Diese fühlt sich durch so rückwärtsgerichtete Äusserungen des Papstes, wie die in der Basilika Sagrada Familia gemachten Aussagen zur Frauenrolle, deren Verwirklichung ganz im Heim und am Herd stattzufinden habe, an ein längst vergangenes Spanien erinnert, das man hierzulande schon lange hinter sich gelassen hat. Die Distanz zur katholischen Kirche wurde bei der Visite des Pontifex auch auf den Strassen deutlich: Als Benedikt XVI. mit seinem Papamobil durch die Stadtzentren von Santiago de Compostela und Barcelona fuhr, säumten seinen Weg streckenweise mehr Sicherheitskräfte als Gläubige.