Religiöse Unterwanderung in Bildung, Forschung und Ethikkommissionen

Die seit einiger Zeit geltende Auffassung von Datenschutz lässt nicht mehr erkennen, wer welcher Religion angehört. Zunehmend muss nun festgestellt werden, dass sich in diesem Schutze religiöse Gruppierungen auf die Unterwanderung gesellschaftlicher Einrichtungen konzentrieren, um dort in der Richtung ihrer eigenen Weltanschauung Einfluss und damit Macht auszuüben. Solcher Einflussnahme ist solange nur schwer beizukommen, als die Zugehörigkeit zu einer Religion oder die weltanschauliche Einstellung jeder Person zum datenschutzrechtlich geschützten Privatbereich gehört.

Ein solcher Privatbereich ist dort allenfalls sinnvoll und zulässig, wo sich ein Mensch nicht in einer gesellschaftlich einflussreichen Position befindet. Wer aber beispielsweise Universitätslehrer, Richter, Politiker, Mitglied einer gesellschaftlich bedeutenden Kommission oder publizistisch tätig ist oder sich sonst an der öffentlichen Debatte wichtiger gesellschaftli- cher Fragen beteiligt, verdient in dieser Hinsicht nicht nur keinen Schutz, sondern von dem muss gefordert werden, dass sein weltanschaulicher Standpunkt transparent ist, damit eine derartige Unterwanderung nicht möglich ist.

Eine ausgesprochene Tendenz zu Unterwanderung durch religiös gebundene Personen, insbesondere von sogenannten Freikirchen, ist seit längerem in den Bereichen der Bildung (auf allen Stufen!) und auch an öffentlichen Einrichtungen aller Art auszumachen.

Wenn gar festgestellt werden muss, dass eine Figur, welche dem Umfeld des katholischen Speerspitzen-Ordens Opus Dei zugerechnet werden muss, – der an der Universität Freiburg i.Ue. lehrende deutsche Theologe Markus Zimmermann-Acklin, – ein radikaler Gegner jeglicher vernünftiger Sterbehilfe und strammer Gefolgsmann des V atikans – über Forschungsgelder des Schweizerischen Nationalfonds ausgerechnet im religiös stark umkämpften Bereich der sogenannten «Bioethik» mitentscheiden kann, dann müssen laizistisch gesinnten Bürgerinnen und Bürgern nicht nur die Ohren läuten; da muss Sturm geläutet werden.

Beispiele:

• Zwei vor nicht allzu langer Zeit neu ernannte Rechtsprofessorinnen der Uni- versität Zürich, die vom nördlichen Thunerseeufer stammende Bernerin Re- gina Kiener und die deutsche Brigitte Tag, sind als Gegnerinnen der in der Schweiz seit Jahren üblichen und von einer grossen Mehrheit der Bevölke- rung befürworteten Form der Sterbehil- fe – durch Beihilfe zu einem Freitod – aufgefallen. Frau Kiener zeigte dies in ihrer Antrittsvorlesung in Zürich, Frau Tag dadurch, dass sie der früheren Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf einen in Deutschland längst wegen Grundrechtswidrigkeit erledigten Ge- setzesvorschlag unterjubeln wollte, um die Sterbehilfe abzuklemmen. Wer vom nördlichen Thunerseeufer stammt, ist – ähnlich wie im Gürbetal – in einem Sektengebiet aufgewachsen. Wer einen gescheiterten CDU-V orschlag aus Deutschland in der Schweiz politisch implementieren will, beweist Unver- stand. Beides ruft nach einer Antwort auf die Frage, in welcher Kirche die beiden Professorinnen zu welchem Gott beten, damit ihr Wirken im staatlichen Lehramt entsprechend kritisch betrachtet werden kann.

• Zunehmend ist festzustellen, dass sich Personen, welche dem Umfeld des rechtskatholischen, geheim operierenden Speerspitzen-Ordens Opus Dei zuzurechnen sind, Organisationen gründen oder in solchen tätig sind, deren harmlos klingende Namen in keiner Weise erwarten lassen, dass hinter ihnen direkte Interessen des Vatikans stehen.

• Das neueste Beispiel dazu ist das in Meilen am Zürichsee domizilierte «Forum Gesundheit und Medizin». Es veranstaltete am 28. September 2012 in Zürich eine Tagung unter dem Titel «Sterbe, wer will? Sterbehilfe und organisierte Suizidbeihilfe als ethische Frage und gesellschaftliche Herausforderung – Wie weiter in der Schweiz?» Eine der Referentinnen war die bereits erwähnte Brigitte Tag; ihr gesellte sich der radikale Gegner von Sterbehilfe, Dr. theol. Markus Zimmermann-Acklin hinzu. Aus Deutschland reiste Prof. Dr. phil. Andreas Kruse an, Schüler des Papstbruders Georg Ratzinger und ehe- maliger Regensburger Domspatz, der in Deutschland die Altenpolitik von CDU/CSU und der deutschen Bundesre- gierung stark beeinflusst. Die übrigen Referenten dürften kaum vermutet haben, dass Mettners Plattform möglicherweise zum wei- teren Kreis des Opus Dei gehört.

• Der genannte Theologe Markus Zimmermann-Acklin hat es trotz seiner absolut einseitigen rechtskatholischen Haltung geschafft, 15 Millionen Franken Steuergelder im Rahmen des Schweizer Nationalfonds zu verwalten und zu verteilen. Und zwar ausgerech- net für das Nationale Forschungsprojekt «Lebensende» – zusammen mit Brigitte Tag, die ebenfalls in dieser Leitungsgruppe Einsitz genommen hat. Dementsprechend einseitig ist denn auch dieses Forschungsprojekt geplant, in welchem nach dessen Ausführungs- plan zu lesen ist, es gehe auch darum, «welche Deutungen an die Stelle tradi- tioneller religiöser Semantiken treten bzw. getreten sind, wenn beispielswei- se vom Sinn des Leidens und Sterbens die Rede ist . . . Das Interesse gilt nicht zuletzt der Wiederentdeckung und Re- Integrierung der spirituellen Dimensi- on in die moderne Medizin, die im Selbstverständnis der Palliative Care eine bedeutende Rolle spielt.»

• Ebensowenig Transparenz herrscht bezüglich der weltanschaulichen Ver- ortung der Mitglieder der Nationalen Ethikkommission (NEK). Dem rechts- katholischen ehemaligen Walliser Bun- desrat Pascal Couchepin ist es gelun- gen, auch dort einen Deutschen als Präsidenten zu etablieren, dem zuzu- trauen ist, Mitglied oder Sympathisant des Opus Dei zu sein.

Derartige Organisationen dürfen nicht zu weltanschaulichen Dunkelkammern verkommen. Die Öffentlichkeit hat einen unbedingten Anspruch darauf, dass jede Person, welche dort wirkt, in Bezug auf ihre Weltanschauung offenlegt, wo sie steht.

• Gleiches gilt für die Ethikkommission der SAMW, der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften, in der Markus Zimmermann-Acklin ebenfalls sitzt. Schweizerinnen und Schweizer müssen und dürfen insbesondere wissen, ob derart bedeu- tende Organisationen von einer Kampftruppe des notorisch in Menschenrechtsfragen 200 Jahre nachhinkenden Vatikans unterwandert worden ist.

Schliesslich muss dort, wo Religionsfreiheit oder Datenschutz mit wesentlichen anderen Menschenrechten kollidieren, die Religionsfreiheit und der Datenschutz als Schutz für wissenschaftlich unhaltbare Meinungen und Camouflage für Unterwanderung von Institutionen einer freiheitlichen Demokratie in den Hintergrund treten, weil sonst die Freiheit ganz allgemein wieder durch Religion gefährdet ist.

Mensch und Recht

Nr. 125 September 2012

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