Schleier – oder nicht, das ist die Frage …

Bundesrätin Calmy-Rey trug einen Schal bei ihrem Besuch beim iranischen Präsidenten. Das hat einige Kritik hervorgerufen. Sie meint, dies sei eine Frage des Respektes – Respekt wovor?

Wieviel Respekt vor ihrer religiösen Überzeugung können Staatsführer erwarten?

Wenn es um staatspolitische Gespräche geht – keinen.

Auch wenn die Bundesrätin dies nicht als Unterordnung unter ein patriarchales Gebot versteht, das patriarchale Gegenüber hat es bestimmt so verstanden.

Andere Politikerinnen haben anders entschieden: Frau Egerszegi hat offenbar anlässlich ihres Besuches in Saudi-Arabien ihr Haar nicht bedeckt, auch die deutsche Bundespräsidentin Angela Merkel tat es nicht. Die verstorbene Journalistin Oriana Fallaci hatte gewagt, vor Ayatolla Khomeini den Tschador abzuwerfen, den sie tragen musste um überhaupt vorgelassen zu werden…

Welche Mittel heiligen der Zweck?

Die Bundesrätin trug einen transparenten Schleier und hat wahrscheinlich – wie so oft – kokett gelächelt… Sie könnte also mit dem Verführungsaspekt der Verschleierung gespielt und den Präsidenten bezirzt haben. Sie könnte unter dem scheinbaren Respekt des Schleiers cool kalkuliert ihre Anliegen, die Menschenrechte, effizienter an den iranischen Mann gebracht haben.

Hat sie aber kaum, der Schleier wirkte keineswegs verführerisch und keineswegs elegant, sondern eher unbeholfen – allerdings: manche Männer finden sowas ja gerade sexy…

Politikerinnen sollten jedoch nicht mit weiblichen Reizen spielen, wenn sie ernst genommen werden wollen.

Wieviel Respekt vor Traditionen?

Nachvollziehbar ist solcher Respekt, wenn es um einen Besuch einer religiösen Stätte oder Veranstaltung geht – dies sollten unsere BundesrätInnen aber sowieso vermeiden.

Tun sie aber nicht, sie reisen etwa auch zu dritt an Papstbeerdigungen, obwohl sie damit keineswegs alle SchweizerInnen und nicht einmal alle KatholikInnen vertreten.

Falsches Zeichen am falschen Ort

Der Schal (und wohl auch die offenbar von Iran verlangte Anwesenheit eines Regierungsmitgliedes bei der Vertragsunterzeichnung) ist ein falsches Zeichen.

Junge Mädchen hierzulande lernen daraus, dass frau sich nach männlichen Vorstellungen zu kleiden hat, wenn sie angehört werden will. Wenn das sogar ein Regierungsmitglied eines religiös neutralen Staates tut, wie kann eine junge Frau dann gegen das Gebot ihres Vaters handeln?

Reta Caspar

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